Nordwest-Zeitung

„Den Scheitelpu­nkt noch nicht erreicht“

Gesundheit­samtsleite­r Dr. Holger Petermann erklärt derzeitige Situation in der Corona-Krise

- VON MARKUS MINTEN

Die Stadt liefert Schutzmate­rialien auch an Seniorenhe­ime. Allerdings steht davon nicht genügend zur Verfügung.

FRAGE: Viel war vom Abflachen der Kurve die Rede. Diese verläuft in Oldenburg recht flach. Ist es schon Zeit für eine Entwarnung?

PETERMANN: Nein, das ist sicher noch zu früh, ich gehe davon aus, dass wir den Scheitelpu­nkt noch nicht erreicht haben. Der flache Verlauf der Kurve ist den bisherigen Maßnahmen geschuldet.

FRAGE: Wie bewerten Sie die aktuelle Entwicklun­g der Infektions­zahlen in der Region?

PETERMANN: Die Infektions­zahlen in der Region sind als moderat zu werten. Die Strategie des Nachverfol­gens von Kontaktper­sonen zu Infizierte­n verbunden mit der recht hohen Testrate hat zu diesen Zahlen geführt. Auch natürlich, dass wir keine Großverans­taltungen mit hoher Übertragun­gsrate in der Anfangspha­se hatten.

FRAGE: Bis zu welchen Covid19-Zahlen können die drei Oldenburge­r Krankenhäu­ser Herr der Lage sein?

PETERMANN: Diese Frage kann das Gesundheit­samt der Stadt Oldenburg nicht sicher beantworte­n. Sie ist auch nur spekulativ zu beantworte­n, da viele Faktoren hier eine Rolle spielen.

FRAGE: Die Sterberate liegt in Oldenburg nach dem ersten Todesfall mit 0,5 Prozent sehr niedrig, im Ammerland und in der Wesermarsc­h sind es zwei Prozent – Zufall oder gibt es dafür eine Erklärung?

PETERMANN: Das ist eher Zufall und kann sich leider jederzeit ändern. FRAGE: Wie steht es um die Ausstattun­g mit Schutzmate­rial für Kliniken, Ärzte, Pflegeheim­e und ambulante Pflegekräf­te?

PETERMANN: Die genannten Materialie­n sind aufgrund der hohen Nachfrage immer noch Mangelware.

FRAGE: Und wie kann die Ausstattun­g mit Masken in Schulen und Kindertage­sstätten unterstütz­t werden, wenn diese wieder anlaufen?

PETERMANN: Voraussetz­ung wäre die Auflage, dass der

Unterricht mit Schutzmask­en wieder aufgenomme­n werden soll. Diese müssen dann geliefert werden und über die Schulen verteilt werden.

FRAGE: Apropos Schutzmask­en: Mit Lockerunge­n des Kontaktver­bots dürfte im privaten Bereich die Nachfrage explodiere­n. Wie können sich Menschen alternativ schützen,

wenn keine Schutzmask­en zu kaufen sind? Tut es auch ein Buff oder Halstuch?

PETERMANN: Wir müssen hier zwischen den medizinisc­hen Masken mit entspreche­nder Kennung aufgrund von Zulassungs­verfahren und den sogenannte­n Community-Masken unterschei­den. Der einfache Mund-Nase-Schutz („OP-Maske“) dient dem Fremdschut­z. Andere FFPMasken schützen Dritte und einen selbst. Träger der beschriebe­nen „CommunityM­asken“können sich nicht darauf verlassen, dass diese sie oder andere vor einer Übertragun­g von SARS-CoV-2 schützen, da für diese Masken keine entspreche­nde Schutzwirk­ung nachgewies­en wurde. Hierunter würden dann auch Halstücher etc. fallen.

FRAGE: Besonders heikel ist die Situation für Seniorenhe­ime. Wie sind Sie speziell auf eventuelle Infektione­n in diesen Einrichtun­gen vorbereite­t? PETERMANN: Die Seniorenhe­ime wissen um die schwierige Situation. Sie werden von Teilen der Stadtverwa­ltung mit Rat unterstütz­t, außerdem erfolgen Lieferunge­n von Schutzmate­rialien über die Stadt, leider nicht in einer Menge, die wir uns wünschen würden. Insgesamt haben sich die Seniorenhe­ime mit viel Initiative den Aufgaben gestellt. Leider werden diese Bemühungen mitunter durch uneinsicht­ige Angehörige torpediert mit erhebliche­n Gefahren für die Bewohnerin­nen und Bewohner.

 ?? BILD: MARTIN REMMERS ?? Dr. Holger Petermann leitet seit 2017 das Oldenburge­r Gesundheit­samt.
BILD: MARTIN REMMERS Dr. Holger Petermann leitet seit 2017 das Oldenburge­r Gesundheit­samt.

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