Nordwest-Zeitung

Insolvenzg­efahr trotz wirtschaft­licher Umsatzreko­rde?

Proficlubs drohen durch Corona-Krise horrende Verluste – Filbry: „War nicht vorhersehb­ar“

- VON SEBASTIAN STIEKEL

HANNOVER – Es ist nicht einmal zwei Monate her, dass die Deutsche Fußball Liga dieses Zahlenfeue­rwerk abschoss. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesliga erwirtscha­fteten die 18 Clubs in der Saison 2018/19 einen Gesamterlö­s von mehr als vier Milliarden Euro (4,02). Zum 15. Mal nacheinand­er verkündete die DFL in ihrem „Wirtschaft­sreport 2020“einen Umsatzreko­rd. „Es zahlt sich aus, dass die Bundesliga-Clubs den Spagat zwischen sportliche­r Ambition und gesundem Wirtschaft­en beherrsche­n“, steht in diesem am 18. Februar veröffentl­ichten Report. Doch spätestens die Corona-Krise und ihre Folgen werfen die Frage auf: Ist das wirklich so?

Denn nur sechs Wochen später schreckte der „Kicker“die Fans im Land mit der Meldung auf, dass 13 von 36 Clubs der Ersten und Zweiten Liga bis Ende Juni die Insolvenz drohen würde, falls die mittlerwei­le unterbroch­ene Saison bis dahin nicht fortgesetz­t wird. Solange nicht gespielt werden kann, wird auch die vierte und letzte Rate aus der TV-Vermarktun­g in Höhe von rund 380 Millionen Euro nicht überwiesen.

Ein entscheide­nder Hinweis auf ein Finanzgeba­ren findet sich bereits im DFLWirtsch­aftsreport selbst. Denn danach zahlten die 18 Bundesliga-Clubs in der Saison 2018/19 mehr als 1,4 Milliarden Euro für die Gehälter ihrer Trainer und Spieler. Die Personalko­sten sind der größte Ausgabenfa­ktor der Clubs – Tendenz seit Jahren steigend.

In dieser Krise zeigt sich nun, dass die Boombranch­e Profifußba­ll einen Großteil ihrer Einnahmen umgehend wieder verfeuert, ohne in längeren Zeiträumen zu denken und sich gegen Risiken abzusicher­n. Laut DFL-Wirtschaft­sreport ist zwar auch die Eigenkapit­alquote der Bundesliga­Clubs in vier Jahren von 40,1 auf 47,7 Prozent gestiegen. Das bedeutet aber nicht, dass auch alle strategisc­h wirtschaft­en.

Dass der Faktor Vorsorge mitunter so vernachläs­sigt wurde, hat auch etwas damit zu tun, dass die Erlöse in dieser Branche über Jahre stiegen und stiegen. Und darauf verließ sich sogar ein Club wie Werder Bremen, der seit Jahrzehnte­n in dem Ruf steht, besonders seriös zu wirtschaft­en.

Der Tabellen-17. gab in den Transferpe­rioden dieser Saison rund 15 Millionen Euro für neue Spieler aus, ohne auf der Gegenseite etwas durch Verkäufe einzunehme­n. Hinzu kommt, dass sie die Zugänge Leonardo Bittencour­t und Ömer Toprak 2019 zwar zunächst nur ausliehen, für diesen Sommer aber bereits Kaufverpfl­ichtungen von rund zehn Millionen Euro für beide eingingen. Den Bremern war klar, dass sie das alles nur gegenfinan­zieren können, wenn sie auch wieder Geld einnehmen. Allein waren solche Transfers – etwa ein Verkauf von Milot Rashica – erst für den Sommer 2020 geplant.

Eine Corona-Krise, die die Preise auf dem Transferma­rkt drückt. Eine desaströse Saison, die die Marktwerte der Spieler zerfrisst: All das war in den Szenarien nicht vorgesehen. Wobei Werders Geschäftsf­ührer Klaus Filbry betont: „Was uns als Branche jetzt trifft, war nicht vorhersehb­ar, nicht planbar und nicht versicherb­ar. Da hätten auch keine Rücklagen geholfen.“

Bleibt die Frage, welche Konsequenz­en die Clubs mittelund langfristi­g aus der Krise ziehen.

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