Brückenschläge und Engpässe
Universalkünstler Günter Berger setzt den Maßstab für Orgelwerke
Das Preisträgerkonzert am 3. Mai ist auf einen unbestimmten Termin verlegt worden. Für eine Online-Aufführung eignen sich diese Werke allerdings nicht.
OLDENBURG/DÖTLINGEN – Mit Siebzehn hat man noch Träume, na klar. Doch mit Neunzig? „Warum denn nicht?“, sagt Günter Berger geradeheraus. Und der Komponist, Organist und sonstige Universalkünstler aus Dötlingen im Landkreis Oldenburg, Jahrgang 1929, schob im vorigen Jahr konkret hinterher: „Noch mal so den einen oder anderen Kompositionswettbewerb zu gewinnen, das könnte mich schon reizen.“
Das Leben schlägt viele Kapriolen, auch ohne Betrachtung des Alters. Also: Berger hat für den internationalen Carl-von-Ossietzky-Wettbewerb der Uni Oldenburg, 2019 ausgeschrieben für Orgel und entschieden 2020, seine Lebenserfahrung, seine Fantasie und in sein handwerkliches Repertoire klug eingesetzt. Er hat den ersten Preis gewonnen. Der kommt nun zum bisherigen guten Dutzend hinzu.
Eine verkappte Würdigung für das fantastische Lebenswerk eines motivierenden Querdenkers war ausgeschlossen. Die 37 Kompositionen aus acht Ländern und drei Kontinenten wurden der Jury anonym vorgelegt. „Und dann gewinnt der Komponist von nebenan, und das auch noch ganz eindeutig, wir haben herzlich gelacht,“schüttelt Violeta Dinescu den Kopf. Die Professorin erklärt: „Bergers Orgelparaphrase entsprach absolut der komplexen vielfältig religiösen Ausschreibung. Das Werk ist handwerklich
perfekt und geistig hoch inspirierend.“
Der Wettbewerb war bereits der 19. des Instituts für Musik der Carl-von-Ossietzky-Universität. Die Besetzungen wechseln von Jahr zu Jahr, von Chor zu Orchester, von Ensembles zum Soloinstrument, von der Bigband zur Konzertformation. Die Kompositionen sollen in einem mittleren Schwierigkeitsgrad abgefasst
sein. Auf diese Weise wächst in Oldenburg ein vielfältiges Repertoire, auf das Schülerinnen und Schüler, Studierende und Laien vieler Stilrichtungen für gemeinsames Spielen zugreifen können.
Für Klavier und Orchester ist die nächste Auflage 2020 ausgeschrieben, mit Preisverleihung 2021. Da könnten für den Wettbewerb neue Signale gesetzt werden. Initiatorin Dinescu
scheidet aus dem Dienst. Zu Ausrichtung und Finanzierung nach ihrer Ära sind innovative Ideen gefragt. „Wir sind guten Mutes“, sagt das langjährige Jury-Mitglieder Christoph Keller. Das Preisgeld ist nicht üppig, aber im Vergleich durchaus ordentlich. Ideeller und materieller Anreiz halten gut das Gleichgewicht. Der Titel von Bergers hervorstechendem Werk passt
sozusagen in keine Überschrift: „Kulturübergreifende rhapsodische Orgelparaphrasen zu einer Synagogalen Psalmodie, einem islamischen Gebetsruf und einer gregorianischen Hymne.“Dinescu fasst den Gehalt in den Satz: „Er lässt auch spüren, dass es an Schnittstellen der Religionen schmerzhaft zugehen kann.“
Kantor Johannes von Hoff, ebenfalls Jury-Mitglied, sollte die Komposition am 3. Mai in seiner Ansgarikirche uraufführen. Doch das Preisträgerkonzert ist soeben abgesagt worden. „Man könnte die ausgezeichneten Werke zwar spielen und alles übers Internet übertragen“, sagt der Organist. „Auf das Hören kann man sich gut einlassen, Berger schlägt in verständlicher Weise eine Brücke zwischen Religionen.“Doch nicht alles, was sich machen ließe, sei auch sinnvoll: „Für Online passt die Orgel hier nicht. Der Klang gerade dieses Werks verlangt viel Raum.“