Ein Albtraum aus Feuer und Rauch
Vor zehn Jahren geschah Unglück auf der Ölplattform Deepwater Horizon vor Mexiko
Eine Katastrophe wie diese im April 2010 dürfe es nie wieder geben, betont die Ölindustrie. Umweltschützer und Experten fürchten aber ein Nachlassen der Aufmerksamkeit.
NEW ORLEANS – Es war ein Albtraum für den Golf von Mexiko: Nach der Explosion auf der Ölplattform „Deepwater Horizon“vor zehn Jahren verseuchten mehr als eine halbe Milliarde Liter Öl Strände von Louisiana bis Florida, vernichteten Tiere und Pflanzen. Nach der Katastrophe wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft – doch inzwischen auch wieder gelockert. Und die Ölunternehmen stoßen in immer tiefere Gewässer zu immer riskanteren Bohrungen vor.
Mit dem Versiegen von Quellen, die näher zur Küste liegen, sind die Bohrungen in tieferes Wasser verlegt worden. Vor rund 20 Jahren wurde im Durchschnitt gut 1000 Meter unter der Oberfläche gebohrt, wie aus Daten des USInnenministeriums hervorgeht. 2019 waren es durchschnittlich 1400 Meter.
Höheres Risiko
Im vergangenen Jahr begann die Ölförderung im Golf von Mexiko an Stellen, wo der Druck am Bohrloch auf über 20 000 PSI (etwa 1400 bar) steigen kann, deutlich mehr, als das bei der „Deepwater Horizon“der Fall war. Die Temperaturen können mehr als 177 Grad Celsius betragen. Und je tiefer unter Grund, desto schwieriger erreichbar ist die Stelle im Falle eines Unfalls. „Höheres Risiko, höherer Druck, höhere Temperaturen, höhere Abhängigkeit von Technologie“, fast Lois Epstein von der Umweltorganisation
Wilderness Society die Entwicklung zusammen.
Die Bohrinsel „Deepwater Horizon“wurde von der Firma Transocean im Auftrag des Leasingunternehmers BP betrieben. Bei der Explosion am 20. April 2010 kamen elf Arbeiter ums Leben. Hunderte Millionen Liter Öl flossen ins Meer, erst nach 87 Tagen konnte die Quelle verschlossen werden.
So etwas dürfe nicht wieder vorkommen, betonen sowohl die Branche als auch die Regierung. Fast zwei Milliarden Dollar (rund 1,8 Milliarden Euro) hat die Ölindustrie in Ausrüstung und Technik investiert, um ein mögliches Blowout wie bei der „Deepwater Horizon“aufzufangen. „Die ganze Branche wollte sicherstellen, dass so etwas nie mehr passieren kann“, sagt David Nickerson, Chef von Marine Well Containment. Das 2010 gegründete Unternehmen verfügt über Technologie, Ausrüstung und Schiffe für den Unglücksfall.
Doch nicht nur von Umweltschützern, sondern auch von Wissenschaftlern und früheren Regierungsmitarbeitern kommen Warnungen, dass die
Aufmerksamkeit anscheinend nachlasse. „Ich sehe mit Sorge, dass die Lehren in der Industrie nicht ganz gezogen werden – dass wir zu einem Rückfall tendieren“, mahnt Donald Boesch, Professor an der University of Maryland und Mitglied einer Untersuchungskommission, die das Deepwater-Horizon-Unglück als vermeidbar eingestuft hatte.
Sicherheitsvorschriften, die nach der Katastrophe erlassen wurden, sind unter Präsident Donald Trump zur Unterstützung der US-Ölproduktion teils gelockert worden. Nach
Recherchen der Nachrichtenagentur AP nahmen derweil Kontrollbesuche der nach dem „Deepwater Horizon“-Unfall gegründeten USSicherheitsagentur BSEE im Golf von Mexiko in den vergangenen sechs Jahren um mehr als 20 Prozent ab. Zugleich wurde allerdings der Fokus auf Einrichtungen mit größerem Risiko oder mit Problemen gelegt.
Weniger Inspektionen und zudem weniger Ermahnungen an Unternehmen deuteten darauf hin, dass die verbesserten Sicherheitsmaßnahmen nach der Ölpest wieder nachließen, meint der frühere Innenministeriumsmitarbeiter Matt Lee-Ashley. BSEE-Sprecher Sandy Day betont hingegen, die Zahlen zeigten nur die Besuche von Kontrolleuren auf den Plattformen und in anderen Einrichtungen auf.
Mehr Prüfposten
Nicht erfasst seien aber elektronische Überwachungen, ebenso wenig spiegelten die reinen Zahlen die Zeit wider, die für die Kontrollen aufgewendet werde und welche Posten dabei jeweils überwacht würden. Die einzelnen Prüfposten seien in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Auch aus der Ölindustrie heißt es, weniger Inspektionsbesuche bedeuteten nicht automatisch eine weniger effektive Kontrolle. Der Schwerpunkt liege inzwischen weniger auf technischen Verstößen, sondern auf umfassenden Sicherheitssystemen, erklärt Erik Milito, Präsident des Ölindustrieverbandes NOIA. Die „potenziell schweren Vorfälle, potenzielle Blowouts“müssten dabei im Vordergrund stehen.