LIEFERSERVICE HILFT GASTGEWERBE NUR BEDINGT
Branchenverband Dehoga fürchtet Pleitewelle in Niedersachsen
Immer mehr Betriebe setzen auf einen AußerHaus-Verkauf. Doch die meisten erzielen damit nur einen Bruchteil ihrer üblichen Umsätze.
HANNOVER – Das Gastgewerbe in Niedersachsen setzt wegen der nur begrenzten Abhilfe durch eigene Lieferangebote und der wachsenden Pleitegefahr vieler Betriebe auf weitere Unterstützung der Politik. Die meisten Betriebe könnten die Folgen der anhaltenden Schließungen nicht allein etwa über alternative Geschäftsmodelle abfedern, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) im Land, Rainer Balke.
28 Prozent der Mitglieder betrieben im März und April einen Außer-Haus-Verkauf – zahlreiche davon hätten dies aber auch schon vor der Corona-Pandemie getan. Bei nicht hierauf spezialisierten Gastronomen dürften damit gerade einmal 10 bis 20 Prozent der sonstigen Umsätze mit Speisen erzielt werden.
Balke schätzt, dass sich ein Drittel der Betriebe im Nordwesten in einer akut existenzbedrohenden Lage befindet: „Viele schildern, dass trotz der Inanspruchnahme staatlicher Förderungen das Eigenkapital im Verlauf des März und April komplett aufgezehrt sein wird.“Für Kooperationen mit Vermittlungsplattformen wie Lieferando zahlen Gastronomen zudem zum Teil zweistellige Provisionen. Es müsse bald Klarheit über Perspektiven zur Wiedereröffnung geben. „Je länger die Krise mit Betriebsschließungen oder -beschränkungen andauert, desto schwieriger wird ein Wiedereinstieg“, sagte Balke. Die Bundesagentur für Arbeit stelle sich auf eine Insolvenzzunahme im Mai und Juni ein.
Vor dem Ausbruch der Virus-Krise lief es für etliche Gastronomen noch gut, bundesweit war – Preiseffekte eingeschlossen – im Februar ein Umsatzplus von 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat geblieben. Aktuell könne er keine Prognose zur Entwicklung abgeben, sagte der niedersächsische DehogaChef. Absehbar sei aber, dass „die regionale Betroffenheit in
Niedersachsen sehr unterschiedlich ausfallen“wird.
„Ob zum Beispiel das Messegeschäft 2020 noch einmal anläuft oder vollständig ausfällt, ist unsicher“, sagte Balke. Ein Großteil des Geschäftsreiseverkehrs in den Hotels hänge an Ausstellungen wie der in diesem Jahr abgesagten Hannover Messe. „Auch in den touristischen Kerngebieten besteht höchste Unsicherheit, ob und von wann an das Anlaufen erhofft werden darf “, meinte der Dehoga-Chef mit Blick auf Urlaubsregionen wie Nordseeküste, Lüneburger Heide oder Harz.
Die Gewährung staatlicher Zuschüsse und Kredite über die Förderbanken sei „nach holperigem Start“inzwischen aber gut eingespielt. So habe die NBank Firmen der Branche bisher 93 000 Anträge mit einem Volumen von 700 Millionen Euro bewilligt. „Auch die Arbeitsverwaltungen mit dem Kurzarbeitergeld arbeiten lobenswert“, sagte Balke.
Eine Mehrwertsteuer-Senkung hielten viele Betriebe in Niedersachsen in längerer Frist für sinnvoll – entsprechend niedrigere Belastungen könnten dann etwa das Abzahlen von Schulden erleichtern, die während der Schließungen aufliefen. Aktuell brächte das jedoch eher wenig, meint Balke. Nun benötige das Gastgewerbe vor allem „die von der Politik zugesagte Liquidität. Je länger die Betriebsschließungsphase andauert, desto größer werden die zu füllenden Finanzlöcher.“