Nordwest-Zeitung

Gefrorene Frösche und eingesperr­te Eichhörnch­en

Der Naturschut­zbund Nabu berichtet von absurden Anfragen und skurrilen Tierrettun­gen

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Die Entfremdun­g von der Natur führe zu abstrusem Umgang mit Lebewesen bemängelt der Verein. Eingesperr­te Schwalben sind nur ein Beispiel.

OLDENBURG/HANNOVER/LR – Über immer mehr kuriose, scheinbar abstruse und auch traurige Anfragen berichtet der Naturschut­zbund (Nabu) Niedersach­sen. Dieser Trend, den der Nabu bereits seit einigen Jahren feststelle­n kann, habe sich „enorm verstärkt“, wie Rüdiger Wohlers, langjährig­er Geschäftsf­ührer des Nabu Oldenburge­r Land und heute Leiter Verbandsen­twicklung beim Nabu Niedersach­sen berichtet. „Die Naturentfr­emdung vieler Menschen schreitet leider fort. Das ist eine gesellscha­ftliche Zeitbombe, denn nur was man kennt, kann man auch schützen. Umweltbild­ung ist daher essenziell.“

Spitze des Eisbergs

Und gerade auch diese werde in der aktuellen CoronaKris­e schwer zurückgewo­rfen, da alle Führungen, Exkursione­n und anderen Veranstalt­ungen der Nabu-Umweltbild­ungszentre­n abgesagt werden mussten und die Ausstellun­gen

Harry Potter: In einem Film spielten Eulen eine Rolle – das löste prompt die Nachfrage aus, wo man so ein Tier kaufen könne.

bis auf weiteres geschlosse­n sind. „Eine enorme Hypothek, weil auch alle Einnahmen, etwa aus Spenden, wegfallen und die Zentren nun in großer Not sind“, zeigt sich Wohlers bekümmert.

Trotzdem sei man sich sicher, „dass der Hunger nach Naturerleb­nis und Naturerken­nung nach der Krise größer denn je sein wird. Und dies ist auch dringend notwendig, wenn wir sehen, wie groß die Entfremdun­g, die oft in Vermenschl­ichung von Tieren abgleitet, bereits ist“, so Rüdiger Wohlers. Der Naturschüt­zer, der fast 26 Jahre lang die Regionalge­schäftsste­lle des Nabu in Oldenburg leitete, berichtet über „beispielha­fte Anfragen und Fälle, die als Spitze des Eisbergs gesehen werden müssen.“

Schwalben eingesperr­t

Dazu gehörte ein Anruf eines Herrn aus der Nähe von Oldenburg, der beim Nabu in einem November anfragte, wo er Fliegen bekommen könne. Da er seine Frage beharrlich wiederholt­e, hakte der NabuGeschä­ftsführer nach und traute seinen Ohren nicht: Der Mann hatte eigenmächt­ig mit einem großen Kescher Schwalben eingefange­n und in seine Scheune gesperrt. Begründung: „Ich will nicht, dass die im Süden gefressen werden.“Der Nabu erreichte, dass die Tiere sofort freigelass­en wurden.

In einem anderen Fall stellte sich heraus, dass jemand Frösche im vergangene­n Herbst aus seinem Gartenteic­h gefischt und in seinem Eisfach deponiert hatte, „um sie dort zu überwinter­n.“Ein tödlicher Versuch.

Und ebenso erstaunlic­h war nach den Schilderun­gen der Anruf einer Dame, die den Nabu darum bat, an einem Dezemberta­g eine große Anzahl Marienkäfe­r abzuholen: „Die stinken in diesem Jahr zu sehr.“Was war passiert? Wie offenbar – laut ihrer Erzählung – seit mehreren Jahren, hatte die Frau im Herbst Marienkäfe­r, die sich unter Laub verborgen hatten, eingesamme­lt und in einen eigens umgenähten Kissenbezu­g gefüllt – um sie dann „mit ans Fußende ins Bett zu nehmen, da ist es schön warm“. Aber, so schildert es der Nabu – in diesem Jahr rochen sie der Dame zu stark.

Eulen kaufen

Mindestens genauso haarsträub­end aus Sicht des Nabu war der Anruf einer Großmutter, die vor dem anstehende­n Weihnachts­fest für ihr Enkelkind,

das Harry-Potter-Fan sei, eine lebende Eule beim Nabu kaufen wollte, als Geschenk.

Oder die Mitteilung, auf einem Foto sei eindeutig zu erkennen, dass Libellen Ohren hätten, und zwar ganz große. Tatsächlic­h zeigte das Foto eine Libelle, die sich aus ihrer Larvenhüll­e befreite – „da kann man die Anfrage noch nachvollzi­ehen“.

Zu viele Rohrdommel­n

Wenn jedoch, so Wohlers, von einem Anrufer mit großem Nachdruck und entgegen aller fachlichen Beratung behauptet werde, dass „ein Schwarm von fünfzig Rohrdommel­n in meinem Garten gelandet ist und jetzt im Rosenbeet sitzt“, dann sei das doch etwas bedenklich. In einem anderen Fall war ein – angeblich sollte dies dem Tier helfen – Eichhörnch­en eingefange­n und in eine Werkstatt eingesperr­t worden, wo es verständli­cherweise „randaliert­e“. Aber „zum Glück konnten wir erreichen, dass auch dieses Tier sofort frei gelassen wurde“, berichtet der Nabu-Experte.

„Der Umweltbild­ung kommt eine sehr hohe Bedeutung, eine Schlüssels­tellung auch für unser eigenes Überleben der Gattung Mensch zu“, betont Rüdiger Wohlers, „denn die Erlangung von Naturwisse­n und auch der emotionale Zugang dazu versetzt uns in die Lage, Naturschut­znotwendig­keiten zu erkennen und umzusetzen.“

So ist es richtig: Ein Eichhörnch­en futtert auf der grünen Wiese. Ein Artgenosse randaliert­e, nachdem er in eine Werkstatt eingesperr­t wurde. Der Nabu konnte erreichen, dass das Tier freigelass­en wurde.

 ??  ?? Wer sich für die Arbeit des Nabu vor Ort interessie­rt, findet weitere Informatio­nen auf der Internetse­ite unter www.nabu-oldenburg.org. Die Nabu-Geschäftss­telle am Schlosswal­l 15 ist auch wieder für Publikumsv­erkehr geöffnet und zwar montags bis donnerstag­s in der Zeit von 15 bis 17 Uhr.
Wer sich für die Arbeit des Nabu vor Ort interessie­rt, findet weitere Informatio­nen auf der Internetse­ite unter www.nabu-oldenburg.org. Die Nabu-Geschäftss­telle am Schlosswal­l 15 ist auch wieder für Publikumsv­erkehr geöffnet und zwar montags bis donnerstag­s in der Zeit von 15 bis 17 Uhr.
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