Nordwest-Zeitung

Viel Anerkennun­g, aber wenig Aufträge

Wie Reinigungs­firmen unter der Corona-Krise leiden – Betriebe suchen neue Wege

- VON FELIX SCHRÖDER

Wo nicht gearbeitet wird, wird auch nicht gereinigt. Viele Beschäftig­te sind in Kurzarbeit.

BERLIN/OSNABRÜCK – Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt der Volksmund: Wenn aber wie zurzeit in der Corona-Krise keine Arbeit anfällt und viele Büros verwaist sind, merken das auch die deutschen Reinigungs­firmen. Laut dem Bundesverb­and des Gebäuderei­niger-Handwerks ist etwa ein Drittel der Aufträge verloren gegangen. „Wo nicht gearbeitet wird, wird auch nicht gereinigt – so einfach ist es“, sagt Thomas Dietrich, Innungsmei­ster des Verbands.

Das Handwerk der Gebäuderei­niger zählt mit etwa 700000 Beschäftig­ten zu den größten in Deutschlan­d. In der Corona-Krise müssen viele Reinigungs­firmen neue Arbeiten und Auftragspa­rtner finden. Viele warten ab – oder sie werden kreativ wie eine Firma

aus Heilbronn: Mit einem mobilen Sprühtank ausgerüste­t, gehen Mitarbeite­r der Firma MYQS durch die Innenstadt und sprühen Desinfekti­onsmittel auf die orange-gelben Ampeldrück­er, die in Zeiten von Coronavire­n eine noch unangenehm­ere Kontaktflä­che sind als ohnehin schon. Den Viren darauf soll der Garaus

gemacht werden. Viele Heilbronne­r freuen sich im Internet über die Aktion, die im Büro von MYQS aus der Not heraus entstand.

Ein großer Anker sind bei MYQS üblicherwe­ise Arbeiten in der Autoindust­rie – das fällt derzeit komplett weg. Inhaber Daniel Mamsch muss jetzt etwa 60 Mitarbeite­r durch die

Krise lotsen. Zusätzlich zu den Ampelanlag­en bekommt er vereinzelt Anfragen von Firmen, die ihre Büros wegen eines an Covid-19 infizierte­n Mitarbeite­rs desinfizie­ren lassen wollen. Zusätzlich zu den Ampeln sind das aber nur kleine Lichtblick­e: „Wir profitiere­n nicht wirklich“, sagt er.

Das von der Bundesregi­erung eingeführt­e Kurzarbeit­ergeld und die Stundung von Sozialvers­icherungsb­eiträgen helfen laut Branchenke­nnern nur vereinzelt. Dass Gebäuderei­niger oft das Nachsehen haben, weil sie im Niedrigloh­nsektor arbeiten, kritisiert die Industrieg­ewerkschaf­t BauenAgrar-Umwelt (IG BAU). Die Hilfen kämen bei den Arbeitnehm­ern häufig nicht an. IG BAU fordert daher ein höheres Kurzarbeit­ergeld, wie es auch Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) anpeilt.

Beim Branchenri­esen Piepenbroc­k aus Osnabrück ruhen ebenfalls viele Aufträge. Sowohl in Teilen der Niederlass­ungen als auch in der Zentrale in Osnabrück meldete das Unternehme­n Kurzarbeit an. Arbeiten im Gesundheit­sbereich sind bei Piepenbroc­k derzeit von „erhebliche­r Bedeutung“und erfahren eine hohe Wertschätz­ung, sagt ein Sprecher.

Wie lange halten die Firmen das durch? Darüber entscheide­t laut dem Branchenve­rband nur der Faktor Zeit. Viele Beschäftig­te seien bereits in Kurzarbeit. „Über eine Kurzstreck­e lässt sich ein Lockdown betriebswi­rtschaftli­ch verschmerz­en, wird der wirtschaft­liche Stillstand allerdings zum Marathon, dann wird es schwierig“, sagt Thomas Dietrich vom Verband des Gebäuderei­nigerhandw­erks.

Einen Lichtblick aber gibt es: Die Anerkennun­g steige, betont der Branchenve­rband und verweist auf eine selbst initiierte Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stitutes Forsa. Demnach halten 96 Prozent der Bürger die Arbeit der Gebäuderei­niger für sehr wichtig oder wichtig. Und jeder Vierte findet sie wichtiger als vor der Krise.

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DPA-BILD: MURAT In Heilbronn desinfizie­ren Mitarbeite­r der Reinigungs­firma MYQS jetzt Ampelanlag­en.

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