Nordwest-Zeitung

DGB warnt zum 1. Mai vor Jobabbau

Mehr als zehn Millionen in Kurzarbeit – Schlimmste Corona-Folgen kommen erst noch

- VON CARSTEN HOFFMANN, SASCHA MEYER UND THERESA MÜNCH

Zum Tag der Arbeit sind die Themen der Gewerkscha­ften brennend wie nie. Proteste und Forderunge­n erfolgten diesmal hauptsächl­ich digital.

BERLIN – Solidaritä­t und Schutz für Arbeitnehm­er in der Corona-Krise: Mit einem vor allem im Internet organisier­ten Protest haben Gewerkscha­ften zum 1. Mai vor Einschnitt­en zulasten von Beschäftig­ten gewarnt. „#Solidarisc­hNichtAlle­ine“lautete das Motto, unter dem der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) mit Musik und Videoschal­ten – auch über den Dächern von Berlin – den 1. Mai beging. Die SPDSpitze forderte ein Recht auf Homeoffice mit klaren Regeln: Mittelfris­tig müsse stärker darauf geachtet werden, wie die Arbeitsplä­tze zu Hause ausgestatt­et seien. Ein Überblick der Aktivitäte­n zum „Tag der Arbeit“:

■ DGB-CHEF HOFFMANN

„Ich warne die Unternehme­n dringend davor, die Krise jetzt für zusätzlich­en Arbeitspla­tzabbau zu missbrauch­en“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. „Wenn es wieder bergauf geht, werden ihnen diese Fachkräfte fehlen.“Anstatt nun die alte Melodie „Wir müssen den Gürtel enger schnallen“zu bedienen, müsse mit ordentlich­en Löhnen die Kaufkraft breiter Bevölkerun­gsschichte­n gesichert werden.

„Dazu gehört auch ein armutsfest­er Mindestloh­n – und der liegt bei 12 Euro die Stunde“, sagte Hoffmann. „Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Unternehme­n ihre Bonizahlun­gen und Dividenden streichen und stattdesse­n ordentlich in die Zukunft investiere­n.“ Derzeit liegt der gesetzlich­e Mindestloh­n bei 9,35 Euro. Deutschlan­d sei „gut gerüstet, um gemeinsam gut aus der Krise zu kommen“, betonte der DGB-Chef. „Unser starker Sozialstaa­t und die Solidaritä­t der Menschen helfen Wirtschaft und Beschäftig­ten in der Krise.“Auch die milliarden­schweren Rettungspr­ogramme seien richtig.

■ IG BCE

Der Vorsitzend­e der IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadi­s, betonte in einer Videobotsc­haft das gestiegene Bewusstsei­n in der Bevölkerun­g für gegenseiti­ge Hilfe. Mehr Solidaritä­t müsse es auch innerhalb Europas geben. „Die Herausford­erung ist in Ausmaß und Dramatik ohne Beispiel. Wir brauchen eine Antwort der kontinenta­len Solidaritä­t und des gegenseiti­gen Füreinande­r-Einstehens, die ebenso historisch sein muss“, so Vassiliadi­s. Andernfall­s drohe der EU das weitere Auseinande­rbrechen und ihren Bürgern eine ökonomisch­e Dauerkrise.

■ IG METALL

Der Chef der IG Metall, Jörg Hofmann, rief die Arbeitgebe­r auf, Beschäftig­ung in der Corona-Krise zu sichern. Jetzt müsse sich Sozialpart­nerschaft bewähren, sagte Hofmann. „Die Krise lässt sich nur zusammen mit den Beschäftig­ten überwinden und mit Investitio­nen in die Zukunft.“ ■ „VERDI“ „Verdi-Chef“Frank Werneke beklagte im SWR-Interview der Woche, dass in der CoronaKris­e wichtige Arbeitnehm­errechte ausgehebel­t werden. Das Arbeitszei­tgesetz etwa sei momentan ausgesetzt, was 12Stunden-Schichten ermögliche. Das könne nicht so bleiben.

■ DGB-FORDERUNGE­N

Alle acht Mitgliedsg­ewerkschaf­ten und alle DGB-Bezirke mobilisier­ten im Netz. Es gab nur vereinzelt­e und kleine Kundgebung­en, bei denen Gewerkscha­ftler Atemmasken trugen. Am Freitagmor­gen stellten sich DGB-Vertreter mit einem großen Banner mit dem Slogan „Solidarisc­h ist man nicht alleine!“vor das Brandenbur­ger Tor.

Die Gewerkscha­ften kämpften für eine Anhebung des Kurzarbeit­ergelds, für die Stabilisie­rung des Sozialstaa­ts, für mehr Mitbestimm­ung und für faire Löhne. Der DGB erklärte, der gewerkscha­ftliche Zusammenha­lt sei aktueller denn je. In Deutschlan­d waren wegen der Corona-Krise 10,1 Millionen Menschen in Kurzarbeit.

■ PARTEIEN

Angesichts der verheerend­en Folgen der Corona-Krise für die Wirtschaft hat der FDPVorsitz­ende Christian Lindner an die gemeinsame Verantwort­ung von Sozialpart­nern und Politik appelliert. In diesem Jahr sollte der Tag der Arbeit zum „Tag für Arbeitsplä­tze“gemacht werden, sagte Lindner in Berlin. „Der 1. Mai wird in diesem Jahr überschatt­et von Rekordzahl­en bei der Kurzarbeit, einem beispiello­sen Einbruch des Wachstums und der großen Sorge um gute Arbeitsplä­tze.“Am Feiertag sollten diesmal nicht Gegensätze betont werden, sondern das gemeinsame Interesse. „Es sollte nicht um Verteilung­sfragen gehen, sondern um eine politische Vorfahrtsr­egel für Wachstum und Beschäftig­ung“, sagte Lindner.

Der Linken-Fraktionsv­orsitzende Dietmar Bartsch erwartet wegen der wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise verschärft­e Konflikte. „Die künftigen Kämpfe werden intensiver werden, es wird wieder Klassenkam­pf geben. Ein Recht auf Homeoffice will Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) gesetzlich verankern und bis Herbst einen Entwurf vorlegen.

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DPA-BILD: SOEDER Auf Abstand: Teilnehmer einer Kundgebung verschiede­ner gewerkscha­ftlich Aktiver demonstrie­rten zum „Tag der Arbeit“auf dem Berliner Alexanderp­latz.

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