Es lebe der Flickenteppich!
Warum politischer Zentralismus in Krisen kein bisschen weiterhilft
Er ist so massiv unter Beschuss, wie selten zuvor, und doch ist er ein Grundpfeiler der staatlichen Ordnung dieses Landes: der Föderalismus. Da ist die Rede von Flickenteppich, von Kleinstaaterei und von Intransparenz. Jede Landesregierung mache in der Corona-Krise ihr eigenes Ding, Regeln seien zu unterschiedlich, politische Beurteilungen und Maßnahmen nicht einheitlich. JU-Chef Tilman Kuban möchte dem Bund mehr Kompetenzen auf Kosten der Länder geben, der Politikwissenschaftler Hendrik Träger von der Uni Leipzig warnt vor „Unsicherheit und Unverständnis in der Bevölkerung“angesichts unterschiedlicher Regeln in den Ländern. Selbst im föderal aufgestellten öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommentiert man inzwischen im Sinne von „weniger Partikularismus und mehr Zentralismus“. Das „Handelsblatt“diagnostiziert das „Scheitern des Föderalismus“.
Neues Heilsversprechen
Im politischem Zentralismus scheint also so mancher in Deutschland das Heil bei der Bewältigung der Seuche zu sehen. Wäre es nicht viel besser, wenn nur eine einzige zentrale Stelle über einheitliche Regeln entscheidet, sie durchsetzt und später auch verantwortet? Das klingt zunächst überzeugend, erweist sich jedoch als Trugschluss, schaut man sich Staaten und Systeme an, die tatsächlich zentralistisch organisiert sind. Am deutschen Weg in der Corona-Krise ist vieles kritikwürdig und mancher würde gar von einem Irrweg sprechen – nur: Wo Zentralismus herrscht, geht es in der Regel noch schlimmer zu.
In Frankreich ist der Zentralismus Staatsraison. Wer in der Provinz ein Haus sanieren will, muss da nicht selten in Paris um Genehmigungen nachsuchen. Nachdem Präsident Emmanuel Macron historische Regionen wie Elsass und Lothringen zerschlagen und zu gesichtslosen Großregionen („Grand Est“) zusammengefasst hat, ist es nicht
besser, sondern eher schlimmer geworden. Es ist sicher kein Zufall, dass sich das Virus vor allem in dieser Region verbreitet hat und die Gegenmaßnahmen dort mehr als mangelhaft waren. Beispiel: Bis zum 7. März durften in Frankreich nur ein Dutzend Labore Corona-Tests durchführen – weil nur sie die nötige Genehmigung der Zentralregierung in Paris hatten. Rigide Ausgangssperren hat Paris über das gesamte Land verhängt – völlig egal, ob es sich um schwer betroffene Regionen wie das Elsass oder Regionen mit gänzlich anderen Verhältnissen handelt. Differenzierung? Fehlanzeige. Zentralismus kennt eben nur eine Lösung für alle. Der angeblich so starke, omnipotente französische Staat versagte dann auch noch in seiner angeblichen Kernkompetenz: der Vorsorge für Notfälle. Eine demütigende Luftbrücke musste her, um Medikamente und Masken ausgerechnet aus China zu beschaffen.
Das gilt auch für Italien. Dort liegt es nicht an fehlenden Mitteln, dass die Nothilfen
für die Wirtschaft und plötzlich arbeitslos gewordene Menschen nur tröpfchenweise fließen – sondern an den intransparenten und ineffektiven Strukturen des römischen Zentralismus. Eine Folge: In Süditalien bringt die Mafia notleidende Betriebe unter ihre Kontrolle und etabliert eine Art Sozialhilfe für verarmte Menschen. Die lokalen Behörden müssen hilfund ratlos zuschauen.
Noch düsterer sieht die Sache in Ländern aus, in denen staatlicher Zentralismus nicht einmal demokratischer Kontrolle unterliegt, sondern bewusst als Machtmittel eingesetzt wird. Beispiel Türkei: Am Bosporus kontrolliert das Regime des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan strikt, was über die Corona-Krise veröffentlicht wird. Im vollständig auf Ankara orientierten System der Türkei ist es der Regierung ein Leichtes, Potemkinsche Corona-Dörfer zu bauen.
Da wäre schließlich das streng zentralistische China, in dem trotz Schein-föderalistischer Elemente allein Peking das Sagen hat. China ist der Ursprung des ganzen Elends. Seine Regierung trägt letztlich die Verantwortung für die Verseuchung der Welt. Das „Corona-Virus“müsste, ginge es gerecht zu, eigentlich „China-Virus“heißen. Es ist dabei ganz gleichgültig, ob es durch mittelalterliches Speisesitten oder Missmanagement in einem Hochsicherheitslabor freigesetzt worden ist. Der Vertuschungsversuch der chinesischen Regierung, das Belügen der Welt und der brutale Umgang mit Warnern waren nur
Autor dieses Beitrages ist Alexander Will. Der 49-Jährige schreibt für unsere Zeitung über deutsche und internationale Politik.
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wegen des exklusiven Zugriffs der Zentrale auf Informationen, Ressourcen und Repressionsmittel möglich.
Übrigens hat auch in Deutschland die Zentrale in Berlin in der Corona-Krise keine gute Figur gemacht. Wer erinnert sich noch? Wochenlang kamen da etwa Flugzeuge aus dem Iran in Deutschland an, die Fluggäste gingen ohne Tests und gänzlich unbehelligt von Bord. Dabei war der Iran schon damals eines der am stärksten verseuchten Gebiete der Welt. Man kann – ganz wie im Fall Frankreichs – auch darauf verweisen, dass Berlin bei der Vorsorge für einen Notfall, also bei einer Kernaufgabe des Staates, versagt hat. Dabei wusste die Bundesregierung spätestens seit 2012, was sie erwartet. Damals warnte eine Risikoanalyse im Auftrag des Innenministeriums vor einem Corona-Szenario, wie wir es heute erleben.
Mehr Macht nach unten
Zentralismus ist also keineswegs die Medizin für Notlagen jeder Art. Das Gerede vom „Flickenteppich“in der Berliner Blase sollte daher aufhören. Der Föderalismus ermöglicht es, angepasst zu handeln. Das haben die Länder bewiesen. Warum soll es denn in Bayern nicht anders laufen als in Schleswig-Holstein, wenn die Situation doch eine andere ist? Im Grunde müsste man sogar noch einen Schritt weitergehen: Kreis-, Stadt-, und Gemeindeebene sollten noch weitergehende Kompetenzen bekommen.
Dort weiß man zum einen am besten, was zu tun ist. Zum anderen fällt die öffentliche, demokratische Kontrolle durch die Bürger auf diesen Ebenen sehr viel leichter.