Schrittweise Rückkehr zu Normalbetrieb
Krankenhäuser ermöglichen wieder planbare Operationen – Bislang vier tödliche Covid-Fälle
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Wir sind 2014 auf Anraten unseres Hausarztes gegen Lungenentzündung geimpft worden. Mein Mann ist 74 Jahre alt und hatte damals eine Lungen-OP wegen einer Krebserkrankung, ich bin 67 Jahre alt und habe keine Vorerkrankung. Schützt uns diese Impfung auch bezüglich des Coronavirus?
„Die Impfung gegen Pneumokokken schützt vor einer Lungenentzündung. Wer an einer Lungenentzündung erkrankt und sich parallel mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert, hat ein hohes Risiko, schwer krank zu werden“, erläutert Dr. Burkhard Jahn, Facharzt für Allgemeinmedizin und Medizin-Kolumnist für die Ð. „Die Pneumokokken-Impfung ist also nicht etwa eine Impfung gegen Covid-19 und schützt auch nicht vor dieser Coronavirus-Erkrankung, sondern kann ein Schutz davor sein, im Falle einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus nicht so schwer zu erkranken.“
Im Juli wäre eigentlich die Hochzeit eines Kollegen. Eine große Feier mit über 100 Gästen. Großveranstaltungen sind ja jetzt bis 31. August untersagt. Zählt eine große Hochzeit zu einer Großveranstaltung? Dürfen Lokale überhaupt eine Hochzeit stattfinden lassen?
„Unter den Begriff Großveranstaltungen fallen alle Veranstaltungen, Zusammenkünfte und ähnliche Ansammlungen von Menschen mit 1000 und mehr Teilnehmenden, Zuschauenden und Zuhörenden“, heißt es vom Land Niedersachsen. Auf Grundlage der aktuellen Fassung der „Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus“müssen Hochzeiten bescheidener ausfallen als vielleicht geplant, teilt das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung mit. Das bedeutet: Möglich sind derzeit und bis auf weiteres laut der Verordnung „Hochzeitsfeiern im engsten Familien- und Freundeskreis, der höchstens insgesamt zehn Personen umfasst“. Gaststätten/Restaurants dürfen bis auf weiteres keine Hochzeiten ausrichten, auch keine kleineren Feiern.
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Die Oldenburger Kliniken öffnen sich für Behandlungen, die in den vergangenen sechs Wochen zurückgestellt werden mussten. Alle Patienten werden vor der stationären Aufnahme auf Corona getestet.
Die befürchtete Corona-Welle blieb bislang erfreulicherweise aus. Wie viele Fälle mussten Sie stationär behandeln? Dr. Christiane Stehle: Wir hatten im Klinikum in Spitzenzeiten 10 bis 15 Verdachtsfälle, davon wurden maximal fünf bis sechs intensivmedizinisch behandelt und beatmet. Zwei Patienten sind verstorben; beide waren allerdings etwas älter, litten an Vorerkrankungen. Dr. Alexander Poppinga: Wir hatten im Evangelischen Krankenhaus in den vergangenen Wochen im Durchschnitt sechs bis zehn Corona-Verdachtsfälle; durchschnittlich drei intensivmedizinische Fälle mussten beatmet werden. Auch wir hatten bislang zwei tödliche Verläufe; die Patienten waren ebenfalls vorerkrankt und bereits älter. Elisabeth Sandbrink: Insgesamt hat das Pius Hospital bislang 89 Verdachtsfälle aufgenommen. In fünf Fällen hat sich der Verdacht bestätigt; zwei davon waren intensivund beatmungspflichtig. Todesfälle haben wir bislang nicht verzeichnet. Insgesamt verlief die Pandemie bisher für uns im Pius, aber auch in Oldenburg insgesamt, glimpflich. Nicht zuletzt dank der guten Zusammenarbeit der Häuser mit den verschiedenen Behörden und Krisenstäben blieben wir von einem großen Ausbruch verschont.
Dr. Christiane Stehle: Das möchte ich unterstreichen. Die Maßnahmen, die wir gegen die Ausbreitung ergriffen haben, waren erfolgreich. Elisabeth Sandbrink: Mein Dank für diesen Erfolg gilt besonders unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Läuft nun langsam wieder der normale Betrieb an?
Dr. Poppinga: Wir haben einen weiteren, vom Covid-19-Sicherheitsbereich deutlich abgetrennten OP-Saal wieder für dringliche Operationen geöffnet und richten uns darauf ein, langsam mehr und mehr Behandlungen und Untersuchungen aufzunehmen, die bislang zurückstehen mussten.
Dr. Christiane Stehle: Der Druck der Patienten, die auf eine Behandlung warten, steigt. In Abwägung unserer Ressourcen werden wir nach und nach Abteilungen, die derzeit noch geschlossen sind, öffnen. Wir müssen beides im Blick behalten: Die Entwicklung der Zahl der Covid-Fälle und die Nachfrage von Patienten nach Behandlungen, die in den vergangenen Wochen immer dringlicher wurden. Elisabeth Sandbrink: Ich möchte alle Patienten ermutigen, nicht aus Angst vor Corona
Wieder mehr Operationen möglich: Ein Team um den Direktor der Universitätsklinik für Viszeralchirurgie am Pius Hospital, Prof. Dr. Dirk Weyhe (Mitte, mit Brille), operiert auf unserem Archivfoto einen Leistenbruch.
eine wichtige Behandlung oder Abklärung zu versäumen. Ich beobachte eine Verunsicherung in der Bevölkerung durch die Pandemie und möchte daher appellieren, nichts zu verschleppen. Wir haben zahlreiche Schutzmaßnahmen ergriffen und tun alles, um das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich zu halten. Dr. Christiane Stehle: Auch das Klinikum tut alles, um Patienten und Mitarbeiter vor einer Infektion zu schützen. Wir halten das Zelt zur Voruntersuchung vor dem Gebäude zwar noch vor, brauchen es aber nicht. Die Patientenströme im Klinikum sind getrennt.
Werden alle Patienten vor der stationären Aufnahme auf Corona getestet? Elisabeth Sandbrink: Bei uns werden alle zu operierenden Patienten, die nicht als Notfall eintreffen, getestet.
Dr. Poppinga: Wir bereiten das vor, sind aber nicht so weit. Dr. Christiane Stehle: Das Klinikum bereitet sich ebenfalls darauf vor. Der Patient, der zu einem Eingriff kommt, wird getestet. Das Ergebnis, das bis zu 24 Stunden dauern kann, müssen wir abwarten, bevor wir den Patienten für den Eingriff aufnehmen.
Welche Behandlungen sind künftig möglich, welche müssen weiter warten?
Dr. Poppinga: Alle medizinisch dringlichen Leistungen wurden und werden erbracht. Daneben gibt es Behandlungen und Therapien, die zwar wichtig sind, aber nicht kurzfristig erfolgen müssen. Auch hier wird nach und nach mehr möglich sein. Es ist sinnvoll, dies im Einzelfall mit dem behandelnden Arzt oder der betreffenden Abteilung im Krankenhaus abzuklären. Elisabeth Sandbrink: Alle Fachabteilungen bereiten sich darauf vor, nach und nach und in Abhängigkeit vom weiteren Verlauf der Pandemie wieder den Normalbetrieb aufzunehmen. Klar ist aber auch: Covid wird uns über viele Monate bis ins nächste Jahr begleiten.
Elisabeth Sandbrink, schäftsführerin Hospital
Ge- Pius
Wird es mittelfristig ein Krankenhaus in Oldenburg geben, das sich auf Corona spezialisiert?
Elisabeth Sandbrink: Wir haben das überlegt, die Idee aber verworfen. Sie ist für Oldenburg nicht praktikabel. In anderen Regionen mag dies anders sein. Aber das Oldenburger Modell mit seinen aufeinander abgestimmten Spezialisierungen spricht dagegen, dass sich eines der Häuser, mit allen Konsequenzen, auf Corona konzentriert.
Dr. Christiane Stehle: Wir können das gesamte medizinische Spektrum, das wir in Oldenburg vorhalten, nur gemeinsam abbilden. Deswegen werden sich auch alle Häuser mittel- und langfristig mit Corona beschäftigen müssen.
Dr. Christiane Stehle, Medizinischer Vorstand im Klinikum OldenburgBILD:
Wie bewältigen Sie die finanziellen Folgen von Corona? Dr. Poppinga: Die finalen Auswirkungen kann ich derzeit noch nicht übersehen. Aber dringend nachgesteuert werden muss bei der Berechnung der Ausfälle. Bislang unterscheidet der Gesetzgeber überhaupt nicht zwischen den verschiedenen Versorgungsstufen der Häuser.
Elisabeth Sandbrink: Das kann ich nur unterstützen. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Haus Maximalversorger ist oder ein Anbieter der Regelversorgung. Da wird bislang nicht differenziert.
Dr. Christiane Stehle: Daneben gilt unsere große Sorge dem ambulanten Bereich einschließlich der ambulanten Operationen. Das ist weitgehend
Dr. Alexander Poppinga, Vorstand Evangelisches Krankenhaus
zusammengebrochen. Ein finanzieller Ausgleich dafür ist aber bislang in keiner Weise vorgesehen.
Sind die Krankenhäuser gut aufgestellt für Pandemien? Dr. Christiane Stehle: Wie sich zeigt, ist unser Gesundheitssystem hervorragend aufgestellt. Trotzdem sollte uns die Krise dafür sensibilisieren, dass die Bewältigung auch eine soziale Aufgabe ist, keine rein wirtschaftliche. Mit der durchgängigen Ökonomisierung unseres Gesundheitswesen können wir nicht so weitermachen wie bisher. Ist der Abbau von Häusern im ländlichen Raum wirklich die Lösung unserer Probleme? Wir brauchen eine sektorenübergreifende Betrachtung.