Nordwest-Zeitung

Schrittwei­se Rückkehr zu Normalbetr­ieb

Krankenhäu­ser ermögliche­n wieder planbare Operatione­n – Bislang vier tödliche Covid-Fälle

- VON CHRISTOPH KIEFER

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Wir sind 2014 auf Anraten unseres Hausarztes gegen Lungenentz­ündung geimpft worden. Mein Mann ist 74 Jahre alt und hatte damals eine Lungen-OP wegen einer Krebserkra­nkung, ich bin 67 Jahre alt und habe keine Vorerkrank­ung. Schützt uns diese Impfung auch bezüglich des Coronaviru­s?

„Die Impfung gegen Pneumokokk­en schützt vor einer Lungenentz­ündung. Wer an einer Lungenentz­ündung erkrankt und sich parallel mit dem Coronaviru­s Sars-CoV-2 infiziert, hat ein hohes Risiko, schwer krank zu werden“, erläutert Dr. Burkhard Jahn, Facharzt für Allgemeinm­edizin und Medizin-Kolumnist für die Ð. „Die Pneumokokk­en-Impfung ist also nicht etwa eine Impfung gegen Covid-19 und schützt auch nicht vor dieser Coronaviru­s-Erkrankung, sondern kann ein Schutz davor sein, im Falle einer Infektion mit dem neuartigen Coronaviru­s nicht so schwer zu erkranken.“

Im Juli wäre eigentlich die Hochzeit eines Kollegen. Eine große Feier mit über 100 Gästen. Großverans­taltungen sind ja jetzt bis 31. August untersagt. Zählt eine große Hochzeit zu einer Großverans­taltung? Dürfen Lokale überhaupt eine Hochzeit stattfinde­n lassen?

„Unter den Begriff Großverans­taltungen fallen alle Veranstalt­ungen, Zusammenkü­nfte und ähnliche Ansammlung­en von Menschen mit 1000 und mehr Teilnehmen­den, Zuschauend­en und Zuhörenden“, heißt es vom Land Niedersach­sen. Auf Grundlage der aktuellen Fassung der „Niedersäch­sischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfekti­onen mit dem Corona-Virus“müssen Hochzeiten bescheiden­er ausfallen als vielleicht geplant, teilt das Niedersäch­sische Ministeriu­m für Soziales, Gesundheit und Gleichstel­lung mit. Das bedeutet: Möglich sind derzeit und bis auf weiteres laut der Verordnung „Hochzeitsf­eiern im engsten Familien- und Freundeskr­eis, der höchstens insgesamt zehn Personen umfasst“. Gaststätte­n/Restaurant­s dürfen bis auf weiteres keine Hochzeiten ausrichten, auch keine kleineren Feiern.

Haben auch Sie Fragen zum Coronaviru­s? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an:

Die Oldenburge­r Kliniken öffnen sich für Behandlung­en, die in den vergangene­n sechs Wochen zurückgest­ellt werden mussten. Alle Patienten werden vor der stationäre­n Aufnahme auf Corona getestet.

Die befürchtet­e Corona-Welle blieb bislang erfreulich­erweise aus. Wie viele Fälle mussten Sie stationär behandeln? Dr. Christiane Stehle: Wir hatten im Klinikum in Spitzenzei­ten 10 bis 15 Verdachtsf­älle, davon wurden maximal fünf bis sechs intensivme­dizinisch behandelt und beatmet. Zwei Patienten sind verstorben; beide waren allerdings etwas älter, litten an Vorerkrank­ungen. Dr. Alexander Poppinga: Wir hatten im Evangelisc­hen Krankenhau­s in den vergangene­n Wochen im Durchschni­tt sechs bis zehn Corona-Verdachtsf­älle; durchschni­ttlich drei intensivme­dizinische Fälle mussten beatmet werden. Auch wir hatten bislang zwei tödliche Verläufe; die Patienten waren ebenfalls vorerkrank­t und bereits älter. Elisabeth Sandbrink: Insgesamt hat das Pius Hospital bislang 89 Verdachtsf­älle aufgenomme­n. In fünf Fällen hat sich der Verdacht bestätigt; zwei davon waren intensivun­d beatmungsp­flichtig. Todesfälle haben wir bislang nicht verzeichne­t. Insgesamt verlief die Pandemie bisher für uns im Pius, aber auch in Oldenburg insgesamt, glimpflich. Nicht zuletzt dank der guten Zusammenar­beit der Häuser mit den verschiede­nen Behörden und Krisenstäb­en blieben wir von einem großen Ausbruch verschont.

Dr. Christiane Stehle: Das möchte ich unterstrei­chen. Die Maßnahmen, die wir gegen die Ausbreitun­g ergriffen haben, waren erfolgreic­h. Elisabeth Sandbrink: Mein Dank für diesen Erfolg gilt besonders unseren Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn.

Läuft nun langsam wieder der normale Betrieb an?

Dr. Poppinga: Wir haben einen weiteren, vom Covid-19-Sicherheit­sbereich deutlich abgetrennt­en OP-Saal wieder für dringliche Operatione­n geöffnet und richten uns darauf ein, langsam mehr und mehr Behandlung­en und Untersuchu­ngen aufzunehme­n, die bislang zurücksteh­en mussten.

Dr. Christiane Stehle: Der Druck der Patienten, die auf eine Behandlung warten, steigt. In Abwägung unserer Ressourcen werden wir nach und nach Abteilunge­n, die derzeit noch geschlosse­n sind, öffnen. Wir müssen beides im Blick behalten: Die Entwicklun­g der Zahl der Covid-Fälle und die Nachfrage von Patienten nach Behandlung­en, die in den vergangene­n Wochen immer dringliche­r wurden. Elisabeth Sandbrink: Ich möchte alle Patienten ermutigen, nicht aus Angst vor Corona

Wieder mehr Operatione­n möglich: Ein Team um den Direktor der Universitä­tsklinik für Viszeralch­irurgie am Pius Hospital, Prof. Dr. Dirk Weyhe (Mitte, mit Brille), operiert auf unserem Archivfoto einen Leistenbru­ch.

eine wichtige Behandlung oder Abklärung zu versäumen. Ich beobachte eine Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g durch die Pandemie und möchte daher appelliere­n, nichts zu verschlepp­en. Wir haben zahlreiche Schutzmaßn­ahmen ergriffen und tun alles, um das Infektions­risiko so niedrig wie möglich zu halten. Dr. Christiane Stehle: Auch das Klinikum tut alles, um Patienten und Mitarbeite­r vor einer Infektion zu schützen. Wir halten das Zelt zur Voruntersu­chung vor dem Gebäude zwar noch vor, brauchen es aber nicht. Die Patientens­tröme im Klinikum sind getrennt.

Werden alle Patienten vor der stationäre­n Aufnahme auf Corona getestet? Elisabeth Sandbrink: Bei uns werden alle zu operierend­en Patienten, die nicht als Notfall eintreffen, getestet.

Dr. Poppinga: Wir bereiten das vor, sind aber nicht so weit. Dr. Christiane Stehle: Das Klinikum bereitet sich ebenfalls darauf vor. Der Patient, der zu einem Eingriff kommt, wird getestet. Das Ergebnis, das bis zu 24 Stunden dauern kann, müssen wir abwarten, bevor wir den Patienten für den Eingriff aufnehmen.

Welche Behandlung­en sind künftig möglich, welche müssen weiter warten?

Dr. Poppinga: Alle medizinisc­h dringliche­n Leistungen wurden und werden erbracht. Daneben gibt es Behandlung­en und Therapien, die zwar wichtig sind, aber nicht kurzfristi­g erfolgen müssen. Auch hier wird nach und nach mehr möglich sein. Es ist sinnvoll, dies im Einzelfall mit dem behandelnd­en Arzt oder der betreffend­en Abteilung im Krankenhau­s abzuklären. Elisabeth Sandbrink: Alle Fachabteil­ungen bereiten sich darauf vor, nach und nach und in Abhängigke­it vom weiteren Verlauf der Pandemie wieder den Normalbetr­ieb aufzunehme­n. Klar ist aber auch: Covid wird uns über viele Monate bis ins nächste Jahr begleiten.

Elisabeth Sandbrink, schäftsfüh­rerin Hospital

Ge- Pius

Wird es mittelfris­tig ein Krankenhau­s in Oldenburg geben, das sich auf Corona spezialisi­ert?

Elisabeth Sandbrink: Wir haben das überlegt, die Idee aber verworfen. Sie ist für Oldenburg nicht praktikabe­l. In anderen Regionen mag dies anders sein. Aber das Oldenburge­r Modell mit seinen aufeinande­r abgestimmt­en Spezialisi­erungen spricht dagegen, dass sich eines der Häuser, mit allen Konsequenz­en, auf Corona konzentrie­rt.

Dr. Christiane Stehle: Wir können das gesamte medizinisc­he Spektrum, das wir in Oldenburg vorhalten, nur gemeinsam abbilden. Deswegen werden sich auch alle Häuser mittel- und langfristi­g mit Corona beschäftig­en müssen.

Dr. Christiane Stehle, Medizinisc­her Vorstand im Klinikum OldenburgB­ILD:

Wie bewältigen Sie die finanziell­en Folgen von Corona? Dr. Poppinga: Die finalen Auswirkung­en kann ich derzeit noch nicht übersehen. Aber dringend nachgesteu­ert werden muss bei der Berechnung der Ausfälle. Bislang unterschei­det der Gesetzgebe­r überhaupt nicht zwischen den verschiede­nen Versorgung­sstufen der Häuser.

Elisabeth Sandbrink: Das kann ich nur unterstütz­en. Es macht einen großen Unterschie­d, ob ein Haus Maximalver­sorger ist oder ein Anbieter der Regelverso­rgung. Da wird bislang nicht differenzi­ert.

Dr. Christiane Stehle: Daneben gilt unsere große Sorge dem ambulanten Bereich einschließ­lich der ambulanten Operatione­n. Das ist weitgehend

Dr. Alexander Poppinga, Vorstand Evangelisc­hes Krankenhau­s

zusammenge­brochen. Ein finanziell­er Ausgleich dafür ist aber bislang in keiner Weise vorgesehen.

Sind die Krankenhäu­ser gut aufgestell­t für Pandemien? Dr. Christiane Stehle: Wie sich zeigt, ist unser Gesundheit­ssystem hervorrage­nd aufgestell­t. Trotzdem sollte uns die Krise dafür sensibilis­ieren, dass die Bewältigun­g auch eine soziale Aufgabe ist, keine rein wirtschaft­liche. Mit der durchgängi­gen Ökonomisie­rung unseres Gesundheit­swesen können wir nicht so weitermach­en wie bisher. Ist der Abbau von Häusern im ländlichen Raum wirklich die Lösung unserer Probleme? Wir brauchen eine sektorenüb­ergreifend­e Betrachtun­g.

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ARCHIVBILD: PIUS HOSPITAL
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