Nordwest-Zeitung

Hurra, das sechste Ei ist da!

In Ofenerdiek freut man sich über Zuwachs im Turmfalken-Nistkasten

- VON SUSANNE GLOGER

Glockengel­äut begleitet sie von Anfang an. In etwa 20 Metern Höhe und zwei Meter unter den Glocken im Turm der Thomas-Kirche werden kleine Turmfalken ausgebrüte­t. Der erste Falke könnte bald schlüpfen. Die Kamera läuft dabei.

OFENERDIEK – Donnerstag, 30 April, 7 Uhr: Da war das halbe Dutzend voll. Oben im Glockentur­m der Ofenerdiek­er Thomas-Kirche hatte das Turmfalken­weibchen ein sechstes Ei gelegt. Während die Natur im Nistkasten in etwa 20 Meter Höhe ganz ruhig ihren Lauf nahm, wurde unten am Boden gejubelt. Besonders von Küster Andreas Scheinert und seiner Toch ter Michelle.

Die Beiden sind den Falken immer sehr nahe, obwohl so viele Meter zwischen Tier und Mensch liegen. Das können andere Naturinter­essierte aber auch, denn der Turmfalken– Nistkasten ist (wie berichtet) mit Kameras ausgerüste­t, die Live-Bilder fürs Internet liefern. Eine Besonderhe­it: Von den mehr als 150 Kästen in der Oldenburge­r Region, die zum Turmfalken­projekt des Naturschut­zbundes (Nabu) gehören, wurde nur dieser mit Web-Kameras ausgerüste­t.

Seit Mai 2000, also genau 20 Jahre, ist Andreas Scheinert Küster an der Thomas-Kirche. Seit dem Jahr 2001 betreut und unterstütz­t die Kirchengem­einde das Nabu-Projekt. Weil das so erfolgreic­h war, gab es dafür 2010 vom Nabu die Auszeichnu­ng „Lebensraum Kirchturm“.

Vier Jahre alt war Michelle Scheinert, als ihr Vater den Posten in Ofenerdiek übernahm. Sie und ihre beiden Schwestern habe ihn oft bei der Arbeit begleitet. „Wenn Papa auf den Glockentur­m gestiegen ist, dann war das für uns ein Highlight“, erzählt die 24-Jährige heute. Wenn etwas mit den Kirchenglo­cken nicht in Ordnung ist, dann steigt

Andreas Scheinert in den Turm. Den Nistkasten lässt der Küster jedoch in Ruhe. „Darum kümmert sich allein der Naturschut­zbund“, erklärt Michelle Scheinert, „Turmfalken stehen ja auch unter Naturschut­z.“

Bei einer seiner Klettertou­ren auf den insgesamt 26 Meter hohen Kirchturm hatte Anderas Scheinert vor Jahren zufällig den damals maroden Nistkasten entdeckt – mit der Telefonnum­mer des Oldenburge­r Naturschut­zbundes drauf. Er nahm Kontakt zum Nabu auf, und der Kasten wurde instand gesetzt. Außerdem baute Scheinert eine PlexiglasR­ückwand ein, so dass die Turmfalken-Betreuer die Entwicklun­g der Vögel beobachten können.

Mit Begeisteru­ng dabei ist auch Michelle Scheinert. Seit 2014 dokumentie­rt sie alles auf der Facebookse­ite „Turmfalken Thomas Kirche Oldenburg Ofenerdiek“. Dort berichtet sie über alle aktuellen Neuigkeite­n mit Erklärunge­n, Bildern und Videos. Sie sei die „Tierintere­ssierte“unter ihren Schwestern, sagt sie und sprudelt nur so vor Wissen über diese Greifvögel – im Allgemeine­n und im Besonderen.

Sie weiß zum Beispiel, dass schon im Jahr 1986 Turmfalken im Turm der Thomas-Kirche gebrütet haben. Und auch, dass in der Zeit ihrer Aufzeichnu­ngen während der Jahre 2017 und 2018 im Nistkasten nichts los war. Die Familienpl­anung des aktuellen Turmfalken-Paares hat die junge Frau selbstvers­tändlich genau festgehalt­en. Am 16. März hatte sich das Pärchen im Kirchturm eingeniste­t. Am 17. April wurde das erste Ei gelegt. Es folgten im Zwei-bis-drei-Tages-Rhythmus vier weitere. Und nun das sechste Ei am letzten Tag des Monats April.

„Damit liegt das Paar im Durchschni­tt“, weiß Michelle Scheinert. Vier bis sechs Eier seien normal. Es könnten sogar bis zu neun Eier werden. Also abwarten und Nistkasten beobachten. Beim Ausbrüten achten die Turmfalken übrigens auf Arbeitstei­lung. Damit

Michelle Scheinert (24)

Das Männchen: Arbeitstei­lung ist beim Brüten angesagt. Die Eier sollen ja nicht abkühlen

Das Weibchen: Sechs Eier hat es nun gelegt. Es könnten sogar noch mehr werden. die Eier nicht auskühlen, wechseln sich das Weibchen und das Männchen dabei ab.

„Wenn alles gut läuft, sollte das erste Küken um den 18. Mai schlüpfen,“sagt Michelle Scheinert. Nachdem die Küken geschlüpft sind, dauert es etwa vier Wochen, bis sie groß und flugfähig sind. Danach halten sich die Jungfalken noch ungefähr vier weitere Wochen beim Kirchturm auf. „In dieser Zeit stärken sie ihre Flugfähigk­eiten und lernen von den Eltern das Jagen.“

@ Webcam: bit.ly/nwz-falken

Die Auszeichnu­ng: Durch die erfolgreic­he Zusammenar­beit mit dem Nabu erhielt die Thomas-Kirche vor zehn Jahren die Auszeichnu­ng „Lebensraum Kirchturm“. Michelle und Andreas Scheinert zeigen die Plakette.

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BILD: PRIVAT Das Gelege: Die Familienpl­anung im Nistkasten ist eine runde Sache.

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