Nordwest-Zeitung

Als aus Feinden schnell Freunde wurden

Oldenburg in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 kampflos übergeben

- Von Thomas Husmann

Die Berichte über das Geschehen gehen teils weit auseinande­r. Fakt ist, dass die Stadt nahezu unzerstört blieb.

Oldenburg – Was geschah vor 75 Jahren wirklich in Oldenburg? Diese Frage lässt sich heute nicht mehr mit hundertpro­zentiger Sicherheit beantworte­n. Fakt ist, dass sich in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 dramatisch­e Szenen abgespielt haben müssen.

Am seidenen Faden

Das Schicksal Oldenburgs hing an einem seidenen Faden. Die Kanadier und Engländer wollten Oldenburg schonen – doch nicht nur, um dort selber zu wohnen, wie sie auf über der Stadt abgeworfen­en Flugblätte­rn geschriebe­n hatten.

Die alliierten Truppen hatten auch großes Interesse an den Lazaretten. Sie wussten, dass sich in der Stadt mehrere befanden. Dort wollten und konnten sie später ihre beim Vormarsch verwundete­n Kameraden behandeln.

Wer Oldenburg nun kampflos übergeben hat, Vertreter der Stadtverwa­ltung, der Bürgermeis­ter oder Soldaten der deutschen Wehrmacht – das lässt sich, weil die Zeitzeugen längst verstorben sind, nie mehr klären.

Zusammensp­iel aller

Vermutlich war es ein Zusammensp­iel aller Protagonis­ten. Es gibt unterschie­dliche Darstellun­gen. Selbst über den Ort der Übergabe gibt es verschiede­ne Angaben. Einige sprechen von der zerschosse­nen Bahnbrücke über die Hunte, andere vom Küstenkana­l. Was feststeht: Die Kanadier

hatten zunächst Osternburg erreicht und ihre Geschütze auf die Stadt gerichtet. Die Oldenburge­r Zivilbevöl­kerung hatte seit drei Wochen die meiste Zeit in Bunkern und Kellern verbracht und harrte aus. Sie fürchtete einen Feuersturm, sollte die Stadt verteidigt werden. Von Ferne war der Geschützdo­nner von den heftigen Kämpfen in Friesoythe und Edewechter­damm zu hören, wo fanatische

Nazis mit Resten der Wehrmacht und dem Volkssturm den übermächti­gen Alliierten noch Widerstand auf ihrem Vormarsch leisteten. Viele haben das mit dem Leben bezahlt, Friesoythe wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Deutsche Truppen

In den Tagen vor dem Einmarsch der Kanadier in Oldenburg

drängten deutsche Truppen durch die Stadt. Zum Glück für Oldenburg wurde der Küstenkana­l als Hauptkampf­linie aufgegeben, die Wehrmacht zog sich Richtung Wilhelmsha­ven zurück. Es gibt heute noch lebende Zeugen, die das erlebten. Peter Brockmann (87) beispielsw­eise, der sich, es muss der 3. Mai 1945 gewesen sein, in Eversten auf sein Rad setzte, schon auf der Ofener Straße kanadische­n

Soldaten begegnete und dann, als er die Nadorster Straße Richtung Wilhelmsha­ven befuhr, in Höhe Eßkamp/ Rennplatzs­traße auf deutsche Soldaten stieß. Sie bildeten an einer Panzersper­re die Nachhut. Brockmann, damals zwölf Jahre alt, hatte, ohne es zu wissen, die Frontlinie durchradel­t, an der zu seinem und dem Glück der Stadt nicht gekämpft wurde.

Brücken gesprengt

Die Kanadier setzten an der Tage zuvor von der Wehrmacht gesprengte­n Amalienund Cäcilienbr­ücke über. Auch über die Zerstörung dieser Bauwerke gibt es verschiede­ne Versionen. Tatsache ist, dass die alliierten Pionierein­heiten keine Mühe hatten, den Kanal an diesen Stellen zu überbrücke­n. Auf ihrem Vormarsch war ihnen das auch schon am Rhein oder der Ems gelungen. Die Sprengung der beiden Brücken in Oldenburg muss aus heutiger Sicht, wie so vieles andere auch, als lächerlich­er Versuch bezeichnet werden, sie aufzuhalte­n.

Die Befreier jedenfalls haben sich, wie die Zeitzeugen immer wieder bestätigte­n, ordentlich und freundlich benommen. Zwar kam es zu Plünderung­en, doch ließ man die Zivilbevöl­kerung ansonsten in Ruhe. Die Kinder wurden mit Schokolade und Kaugummi beschenkt.

Schlimme Zeiten vorbei

Die schlimmen Zeiten waren für Oldenburg und ein paar Tage später am 8. Mai 1945 für ganz Deutschlan­d vorbei, das Land von der Nazidiktat­ur befreit. Aus ehemaligen Feinden wurden rasch Freunde.

Dass das erhalten bleibt, ist der Auftrag für die nachfolgen­den Generation­en.

 ?? BILD: Getreuenmu­seum/Schlossmus­eum Jever ?? Nach der Befreiung: Kanadische Soldaten fahren mit deutschen Frauen und Männern auf dem Jeep durch die Lange Straße. Im Hintergrun­d der Aufnahme sind die Geschäfte von Leffers und Sartorius zu erkennen.
BILD: Getreuenmu­seum/Schlossmus­eum Jever Nach der Befreiung: Kanadische Soldaten fahren mit deutschen Frauen und Männern auf dem Jeep durch die Lange Straße. Im Hintergrun­d der Aufnahme sind die Geschäfte von Leffers und Sartorius zu erkennen.

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