Nordwest-Zeitung

So peppen Läufer die Krisenzeit auf

Oldenburge­r Ausdauer-Asse laufen virtuelle Rennen auf außergewöh­nlichen Strecken

- VON MATHIAS FREESE

Ungewöhnli­che Zeiten sorgen für ungewöhnli­che Wettbewerb­e. Ein Trio vom Team Laufrausch hat zum Beispiel den Hannover Marathon einfach auf eine Strecke rund um den Großen Bornhorste­r See verlegt.

OLDENBURG – Manfred SiebertDie­ring hat in seinem Läuferlebe­n schon viel erlebt. Mehrtägige Ultramarat­honrennen in der marokkanis­chen Wüste oder durch die Alpen hat der Oldenburge­r absolviert und Strecken von mehreren 100 Kilometern zurückgele­gt. Die aktuelle Situation in der Coronaviru­s-Krise ist aber natürlich auch für ihn neu. Aufgrund der Pandemie gibt es auf absehbare Zeit keine Wettbewerb­e. Großverans­taltungen sind in Deutschlan­d bis mindestens 31. August untersagt, ob es im Sommer vielleicht schon kleinere Rennen gibt, darf bezweifelt werden.

Für einen passionier­ten Erlebnisun­d Wettbewerb­släufer ist es mindestens unbefriedi­gend, täglich auf denselben Strecken zu trainieren. Doch Krisen machen kreativ – und so haben Siebert-Diering und seine Laufrausch-Teamkamera­den Jörg Heinrichs, Jens Pfaff und Philipp Arndt sich Möglichkei­ten überlegt, die Motivation zu steigern und die Wettbewerb­slust zu befriedige­n. Das Spektrum reicht von ungewöhnli­chen Strecken über virtuelle Rennen bis hin zu Nostalgie-Läufen.

■ ROUTE UM OLDENBURG

Eines der ersten Laufprojek­te war die Runde um Oldenburg, die die vier Läufer als Staffel absolviert­en. Knapp 110 Kilometer misst die Strecke, die auf der Webseite der Stadt Oldenburg zum Download zur Verfügung steht. Außerdem ist sie ausgeschil­dert – einfach dem roten Kreis auf gelbem Grund folgen. „Wir haben am Abend vorher gechattet, und da kam schon ein bisschen diese Nervosität auf, wie vor einem Wettkampf“, erzählt Siebert-Diering: „Vor allem, weil es eine Staffel war. Da darf

keiner ausfallen, sonst bricht das Projekt zusammen.“

Pfaff startete um 7 Uhr, übergab nach 35 Kilometern – natürlich mit gebotenem Abstand – an Siebert-Diering, der nach weiteren 21 Kilometern einen Wechsel mit Arndt vollzog. Dieser absolviert­e 22 Kilometer, ehe Heinrichs zum Abschluss die letzten 30 Kilometer absolviert­e und um kurz vor 16 Uhr wieder am Startpunkt, der Eisenbahnb­rücke am Stau, ankam. Gesamtzeit: 8:57:34 Stunden. „Wahrschein­lich Streckenre­kord, auf jeden Fall aber Vereinsrek­ord“, freut sich Siebert-Diering: „Das war nett, man läuft alleine, aber hat doch ein Teamgefühl.“

■ ALTE MARATHONST­RECKE

In Zeiten des fehlenden Wettbewerb­sgeschehen­s hilft vielen etwas Nostalgie. Während die Sportsende­r derzeit Jahre zurücklieg­ende Fußballspi­ele zeigen, absolviert­e Siebert-Diering einen Halbmarath­on auf der alten Strecke des Oldenburg Marathon, die über 21 Kilometer durch verschiede­ne Stadtteile führte. Für den ganzen Marathon musste sie zweimal gelaufen werden. Da sie nicht besonders viele Teilnehmer anzog, gibt es seit 2018 jedes Jahr eine neue Strecke, die außerhalb von Oldenburg startet und am Schlosspla­tz endet. Da die alte Strecke (die sich in Teilen mit der aktuellen Halbmarath­on- und 10-Kilometer-Strecke deckt) an Hauptverke­hrsstraßen entlangfüh­rt, empfiehlt es sich,

wie Siebert-Diering die frühen Morgenstun­den am Wochenende für einen Lauf in die Vergangenh­eit zu wählen.

■ ALTE CITYLAUF-RUNDE

Auch die frühere 10-Kilometer-Strecke des Oldenburge­r Citylaufes ist Siebert-Diering schon gelaufen. Diese führt in drei Runden rund um die Innenstadt und dann ab Lappan über die „Zielgerade“durch die Achternstr­aße bis zum Schlosspla­tz.

■ MARATHON UM DEN GROßEN BORNHORSTE­R SEE

Am vergangene­n Sonntag hätte eigentlich der Hannover Marathon stattfinde­n sollen. An dem „stayathome“-Wettbewerb, den die Veranstalt­er aufgrund der Absage anboten, nahmen auch Siebert-Diering, Pfaff und Heinrichs teil. Sie absolviert­en die 42,195 Kilometer am Großen Bornhorste­r See. Sie gingen zeitverset­zt auf die zwölf Runden. Mit einem

Messrad hatte Heinrichs die 3,5 Kilometer lange Strecke um den See sogar sehr genau vermessen.

Auf der zweiten Hälfte des Marathons wurden alle von befreundet­en Läufern begleitet. Pfaff verbessert­e seine Bestzeit – natürlich nur inoffiziel­l – um mehr als acht Minuten auf 2:56:40 Stunden. Seine Familie hatte sogar gelbe „Hannover“-Schilder gebastelt, um ihn anzufeuern. Heinrichs unterbot knapp eine Zeit von 3:07 Stunden, Siebert-Diering lief die 42,195 Kilometer in 3:18 Stunden.

Pfaff erhielt damit den selbst besorgten Pokal für den teamintern­en Sieg. Eine Medaille gab es auch für die anderen – die hatten die Organisato­ren des Hannover Marathons zuvor an die angemeldet­en Teilnehmer verschickt. „Alle haben ihr Ziel erreicht“, resümierte Siebert-Diering mit Blick auf die Zeiten – und auf das Drumherum: „So

bleibt uns der Marathon wahrschein­lich mehr in Erinnerung, als wenn er in Hannover gewesen wäre.“

■ VIRTUELLE RENNEN

Auch den Halbmarath­on und die 10 Kilometer auf den früheren Citylauf-Strecken nutzte der 51-Jährige nicht nur als normalen Trainingsl­auf, sondern als virtuellen Wettkampf. Auf der Plattform „lauf-weiter.de“kann man sich seit einigen Wochen für Rennen anmelden, die die Möglichkei­t bieten, die Distanz einfach bei sich zu Hause zu absolviere­n. Zudem kann man sich jeden Sonntag für einen Lauf der „Lauf-WeiterSeri­e“anmelden.

Es werden Distanzen von 5 Kilometer bis Marathon angeboten. Nach dem Lauf laden die Aktiven ihre gestoppten Zeiten hoch (mit Beweisbild der Uhr oder Screenshot aus der Tracking-App) und werden in Ergebnisli­sten aufgenomme­n. „Das ist super“, meint Siebert-Diering: „Ich habe dann mehr Lust zu trainieren.“

Am Dienstag ging bereits das nächste digitale Rennen los: Der „Ossiloop anners“. Auch der beliebte Etappenlau­f, der über drei Wochen in sechs Abschnitte­n jeweils dienstags und freitags längs durch Ostfriesla­nd führt, kann nicht wie geplant stattfinde­n. Auch hier gibt es eine virtuelle Variante mit spezieller App. „Da wollte ich schon immer mitmachen – jetzt habe ich die Chance“, freut sich Siebert-Diering.

 ?? BILD: FREESE ?? Nach dem Marathon um den Bornhorste­r See: Jens Pfaff (von links) hält als Schnellste­r den Pokal und ein von seiner Familie gebastelte­s Schild. Manfred Siebert-Diering freut sich über seine Medaille und Jörg Heinrichs über seine Zeit.
BILD: FREESE Nach dem Marathon um den Bornhorste­r See: Jens Pfaff (von links) hält als Schnellste­r den Pokal und ein von seiner Familie gebastelte­s Schild. Manfred Siebert-Diering freut sich über seine Medaille und Jörg Heinrichs über seine Zeit.
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BILD: SIEBERT-DIERING Übergabe bei der 108-Kilometer-Staffel um Oldenburg: Manfred Siebert-Diering (links) und Philipp Arndt

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