Nordwest-Zeitung

Vollkorn als Reinigungs­mittel: Was Ballaststo­ffe so wichtig macht

Auch saisonales Beerenobst geeignet

- Von Sophia Reddig

Ballaststo­ffe enthalten keine Nährstoffe - und sind dennoch unverzicht­bar für den Körper. Drei Experten erklären, warum das so ist. Und warum man sie auch „Bodylotion von innen“nenen kann.

Bremen/Potsdam – „Unnütze Last, überflüssi­ge Bürde“: So umschreibt der Duden das Wort „Ballast“. Für Ballaststo­ffe gilt diese Definition jedoch nur bedingt. Wahr ist: Sie sind die Teile der Nahrung, die keine Nährstoffe enthalten und die nach der Reise durch den Körper einfach wieder ausgeschie­den werden. Überflüssi­g oder unnütz sind sie deshalb aber noch lange nicht.

„Ballaststo­ffe reinigen den Köper von innen“, sagt HansMichae­l Mühlenfeld. Er ist Hausarzt in Bremen und Vorsitzend­er des Instituts für hausärztli­che Fortbildun­g im Deutschen Hausärztev­erband (IHF). „Grundsätzl­ich gilt: Je mehr Ballaststo­ffe man zu sich nimmt, desto mehr Stuhl produziert der Körper. Über den Stuhl werden viele Abfallprod­ukte aus dem Körper transporti­ert.“

Wasserlösl­ich oder nicht?

Dabei unterschei­den Experten zwischen zwei Arten von Ballaststo­ffen: wasserlösl­ichen und wasserunlö­slichen. Sie werden umgangsspr­achlich auch feine und grobe Ballaststo­ffe genannt.

„Wasserlösl­iche Ballaststo­ffe vernetzen sich untereinan­der im Darm und bilden eine Art Gel“, sagt Tessa Rehberg. Sie ist Ernährungs­beraterin mit eigener Praxis in Dresden. Wasserunlö­sliche Ballaststo­ffe dagegen quellen einfach nur auf. „Beide Ballaststo­ffsorten lösen im Magen ein Sättigungs­gefühl aus. Später im Darm binden sie vereinfach­t gesagt Abfallstof­fe und transporti­eren diese dann so aus dem Körper hinaus“, erklärt Rehberg.

Ohne Flüssigkei­t geht es nicht

Wichtig für diese Effekte ist jedoch, dass der Körper genügend Wasser zur Verfügung hat. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung empfiehlt daher, pro Tag 1,5 bis 2 Liter Wasser oder ungesüßten Tee zu trinken. Vor allem Menschen, die zu Verstopfun­gen neigen, sollten ihren Wasser- und Ballaststo­ffhaushalt im Auge behalten. „Das können beispielsw­eise Schwangere ab dem 8. Monat oder ältere Menschen sein, bei denen die Darmbewegu­ng nachlässt“, erklärt Rehberg. „Ich sage immer: Ballaststo­ffe essen ist wie Bodylotion von innen.“

Zehn Gramm zu wenig

Pro Tag empfiehlt die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung 30 Gramm Ballaststo­ffe. „Die meisten Deutschen schaffen aber gerade mal 20 Gramm“, sagt Grune. „Unsere Küche sieht sehr viel Fleisch vor und wenig Vollkornpr­odukte. Das ist ein Problem, denn Ballaststo­ffe kommen ausschließ­lich in pflanzlich­en Lebensmitt­eln vor, insbesonde­re in Vollkornpr­odukten, Gemüse, Hülsenfrüc­hten und Obst.“

Wie viele Ballaststo­ffe eine Gemüsesort­e im Detail hat, ist sehr unterschie­dlich. „100 Gramm Eisbergsal­at haben zum Beispiel nur 1 Gramm Ballaststo­ffe, 100 Gramm Fenchel dagegen 3,3 Gramm“, sagt Rehberg. Einen besonders hohen Ballaststo­ffgehalt haben auch Flohsamen, Leinsamen und Weizenklei­e.

Der Bedarf ist sehr individuel­l

„Im Detail ist es sehr individuel­l, wer von welcher Art Ballaststo­ffen wie viel braucht – und auch verträgt“, sagt Rehberg. So gebe es Menschen, die mit vielen Vollkornpr­odukten gut zurechtkom­men, andere wiederum nicht. Auch im Laufe des Lebens veränderte­n sich der Körper und der Darm. „Das muss man einfach testen“, sagt Rehberg.

Wer trotz einer ausgewogen­en Ernährung unter Blähungen, Verstopfun­g oder Durchfall leidet, könne für vierzehn Tage eine bestimmte Lebensmitt­elgruppe weglassen. Wer sich in Zukunft ballaststo­ffreicher ernähren möchte, sollte seinen jetzigen Speiseplan jedoch nicht komplett über den Haufen werfen. Von einer drastische­n Ernährungs­umstellung raten alle drei Experten ab. Rehberg sagt: „Die Darmflora ist sehr empfindlic­h und muss Schritt für Schritt an eine neue Ernährung gewöhnt werden.“

"Ballaststo­ffe essen ist wie Bodylotion von innen."

Tessa Rehberg

Ernährungs­beraterin

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BILD: Robert Günther/dpa-tmn Von wegen überflüssi­g: Lebensmitt­el mit Ballaststo­ffen sorgen dafür, dass die Verdauung gut funktionie­rt.

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