Therapiemaßnahmen in Zeiten von Corona
Die Corona-Krise führt neben den für alle sichtbaren Einschränkungen zu weiteren medizinischen Problemen. Auch wenn die Möglichkeiten der ärztlichen und pflegerischen Betreuung in Deutschland – im Vergleich zu vielen anderen Ländern – besser organisiert sind, so wird aus Kliniken und Praxen berichtet, dass Termine zu Untersuchungen und bereits fest verabredete Operationen abgesagt werden – und dass offenbar Patienten mit ernsten Erkrankungen auf Behandlungsmaßnahmen verzichten. So ist die Zahl der nicht versorgten Herzinfarkte oder auch Schlaganfälle gestiegen, mit zum Teil ernsten Konsequenzen.
Patienten mit Hochdruckkrankheiten oder einem Diabetes verzichten auf notwendige Kontrollen und Beratungen. Während manche niemandem den Behandlungsplatz „wegnehmen“möchten, haben manche die Sorge, man könne sich in den Einrichtungen mit dem Coronavirus infizieren. Tatsache ist aber vielmehr, dass alle Praxen und Kliniken sehr exakt auf die notwendigen Schutzmaßnahmen eingerichtet sind. Auch wenn in den Kliniken Stationen für eventuelle Coronafälle umgewidmet worden sind, können akut Erkrankte wie bisher gut versorgt werden. Niemand sollte sich also scheuen, den Arzt oder die Klinik aufzusuchen.
Ein jetzt sehr häufig diskutiertes und ernstes Problem ist die medizinische Betreuung sehr alter Menschen. Hier empfehle ich sehr, sich mit dem Thema Patientenverfügung auseinanderzusetzen. Oft liegt diese nicht vor. Es ist aber eminent wichtig, dass die Angehörigen und die behandelnden Ärzte wissen, was im Sinne des Patienten ist und was eben nicht. Nur so kann vermieden werden, dass Behandlungen eingeleitet werden, die der Betroffene nicht wünscht oder gar ablehnt.
Ein grundsätzliches medizinisch-soziales Problem ist die
Frage der Verhältnismäßigkeit der von der Politik beschlossenen Verordnungen. Das Infektionsschutzgesetz ist zu einem sehr scharfen Schwert geworden, mit hohen Strafen bei Zuwiderhandlungen. Augenfällig wird auch die mangelhafte Plausibilität mancher Regelungen von Bundesland zu Bundesland. Vor allem das Kontaktverbot in Pflegeheimen, das jahrzehntelange Ehepartner voneinander trennt, zeigt ein ernstes Dilemma staatlichen Handelns auf. Zum einen verfolgt der Staat das berechtigte Ziel, besonders gefährdete Menschen zu schützen. Zum anderen birgt dies die Gefahr der sozialen Vereinsamung, die ebenso gefährlich sein kann. Studien belegen: Wer einsam ist, stirbt früher. Gerade hier muss auch jetzt die Fürsorgepflicht des Staates gelten.
Durchaus mit gewissem Verdruss nimmt man gelegentlich zur Kenntnis, dass auch die Experten (Virologen, Epidemiologen, Hygienewissenschaftler und Infektiologen) recht unterschiedliche Einschätzungen treffen. Es bleibt zu hoffen, dass die Parlamente immer wieder durch die richtigen Fragen herausfordern und durch eine intensive Befassung kritisch begleiten. Dies gilt meines Erachtens vor allem für die Kernbereiche von Schule, Kitas und Pflege, denn hier werden nicht nur soziale und wirtschaftliche, sondern eben auch medizinische Fragen verhandelt. Bleiben Sie gesund!