Neues Tempo in Corona-Debatte
Wer Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil in den vergangenen Wochen beobachtete, konnte bemerken, dass er bei Fragen nach der Einhaltung der Bund-LänderAbsprachen zur Corona-Krise zunehmend den diplomatischen Tonfall ablegte. Ertrug er den Überbietungswettbewerb von NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) und Bayerns Regierungschef Söder (CSU) noch eher amüsiert, wurde Weil deutlicher, als benachbarte Bundesländer schon nach wenigen Tagen Absprachen über Bord warfen. So preschte Sachsen-Anhalt vor und erlaubte sogar Gruppen von bis zu fünf Personen. Weil sprach am Montag Klartext: Die Debatte um Lockerungen habe dem Ansehen der Politik nicht gut getan.
Doch nicht allein das Handeln der übrigen Bundesländer setzte die niedersächsische Landesregierung unter Handlungszwang. Der Druck kommt auch aus den eigenen Reihen: So erarbeitete Wirtschaftsminister Althusmann gemeinsam mit seinen Amtskollegen in NRW und Baden-Württemberg ein Konzept für Lockerungen in der Gastronomie und im Tourismus. Ohnehin trägt die gesamte Wirtschaft schwer an den Auflagen. Der Umsatzausfall liegt bundesweit täglich bei einer Milliarde Euro. Zu Recht mahnt Althusmann, es müsse eine Balance „zwischen Gesundheitsschutz und Sicherung unserer wirtschaftlichen Existenz“her.
Der Zeitpunkt zur Präsentation des Fünf-Punkte-Plans unmittelbar vor der Video-Schalte mit der Kanzlerin ist geschickt gewählt. Während die übrigen Länder noch an einzelnen Schrauben stellen, macht Niedersachsen Tempo mit einem Gesamtkonzept. Zugleich nimmt die Regierung Weil der heimischen Opposition etwas Wind aus den Segeln. Sie hatte stets den Strategiewechsel gefordert. Es gilt aber auch: Rot/Schwarz kann sich nicht mehr hinter Berlin verstecken.
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