„Den Eltern wird beim digitalen Lernen viel abverlangt“
Didaktikerin Maja Brückmann über die Herausforderungen von Online-Unterricht im Grundschulbereich
Frau Brückmann, auch viele Grundschüler werden jetzt mit Internet-Unterstützung unterrichtet. Wo liegen die Herausforderungen? Brückmann: Die meisten jüngeren Schülerinnen und Schüler besitzen einfach noch nicht die Medienkompetenz, um digital sicher und selbstbestimmt mit Tablets, Smartphones und Co. umzugehen. Das ist natürlich eine Herausforderung für jede Lehrperson, die jetzt Unterricht planen muss, ohne zu wissen, was bei den Schülerinnen und Schülern zu Hause eigentlich ankommt. Das fängt schon bei der technischen Ausstattung an, denn nicht jedes Elternhaus kann sich ein Tablet oder einen Computer leisten. Außerdem sind viele Kinder in dem Alter noch nicht so lesesicher. Sie brauchen Anleitung und Bezugspersonen – und das sind in den meisten Fällen die Eltern.
Viele junge Schüler wissen also gar nicht, wie sie Computer als Arbeitsgeräte einsetzen? Brückmann: Das betrifft nicht nur die Schülerinnen und Schüler, sondern auch manche Lehrpersonen und Eltern. Selbst wenn ich als Lehrkraft also sehr medienkompetent bin, weiß ich nicht, ob die Eltern ihren Kindern den Zugang zum digitalen Angebot ermöglichen können, weil sie sich selbst damit nicht auskennen. Es gibt also ein Dreieck zwischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern, in dem man die Probleme und Ängste rund um das Thema Technik und Schule untereinander besprechen muss.
Manche Lehrkräfte drehen jetzt Erklärvideos. Ist das eine gute Methode? Brückmann: Da muss man natürlich verschiedene Dinge beachten: Einmal müssen die Kinder gezeigt bekommen, wie man die Medien benutzt. Der Clou bei den Erklärvideos ist ja, dass man sie mehrmals anschauen kann, wenn man etwas nicht gleich verstanden hat. Das ist den jüngeren Kinabverlangt,
Maja Brückmann dern oft gar nicht bewusst und muss gelernt werden. Genauso wie sie mal gelernt haben, wie man mit einem Buch oder Arbeitsheft umgeht. Wichtig ist zudem, dass man die Videos dazu nutzt, dass man das Analoge mit dem Digitalen verbindet. Die digitalen Angebote sollen dafür sorgen, dass die Kinder aktiv werden und nicht einfach nur Konsumenten sind. Außerdem ist das Feedback entscheidend. Die Kinder müssen die Möglichkeit haben, der Lehrperson mitzuteilen, dass sie etwas nicht verstehen. Und auch andersherum sollte die Lehrkraft nach der Kontrolle der Ergebnisse ebenfalls eine Rückmeldung geben, ob etwas gut oder nicht so gut geklappt hat. Wenn man diese FeedbackKultur etabliert, dann haben alle einen Mehrwert davon.
Welche Rolle fällt den Eltern in dieser Zeit zu? Brückmann: Sie ist immens wichtig, weil die Eltern den Zugang in die digitale Welt erst möglich machen müssen. Ihnen wird auch didaktisch viel
und sie müssen über lange Zeit die Motivation aufrechterhalten, obwohl sie ja eigentlich nicht vorrangig den Bildungs-, sondern den Erziehungsauftrag haben. Die Eltern kennen ihr Kind ja auch gar nicht im schulischen Bereich und wissen nicht, wie es eigentlich lernt. Dieses Kennenlernen ist wichtig, und dem muss man Zeit geben. Das bedeutet für die Lehrpersonen, dass sie auch die Eltern nicht überfordern dürfen und auch ihnen mal eine Hilfestellung zur Didaktik geben sollten, zum Beispiel über eine Videokonferenz oder ein Telefonat.
Sind digitale Angebote auch im Normalbetrieb etwas für die Grundschule? Brückmann: Ich glaube fest daran, weil das Digitale viele Chancen bietet. Die CoronaZeit wirkt gerade wie ein Beschleuniger, um herauszufinden, wo welche Bedürfnisse und Möglichkeiten liegen. Bei vielen kommt der Mut auf, einfach mal eine Videokonferenz oder ein Erklärvideo zu machen. Diesen Schwung können wir jetzt mitnehmen. Ziel muss es sein, die digitalen Medien dafür zu nutzen, das Lernen aktiv zu gestalten, um das Analoge mit dem Digitalen zu verbinden. Wir hängen in Deutschland bei vielen Dingen hinterher, nun können wir mal schauen, wie andere Länder das machen und die Erfahrungswelt in die Klassenzimmer holen. Es gibt viele Kinder, die es ganz toll finden, wenn sie mal mit einem Tablet ein digitales Buch gestalten können. Ich denke, da ist noch vieles möglich.