Nordwest-Zeitung

„Den Eltern wird beim digitalen Lernen viel abverlangt“

Didaktiker­in Maja Brückmann über die Herausford­erungen von Online-Unterricht im Grundschul­bereich

- VON PATRICK BUCK

Frau Brückmann, auch viele Grundschül­er werden jetzt mit Internet-Unterstütz­ung unterricht­et. Wo liegen die Herausford­erungen? Brückmann: Die meisten jüngeren Schülerinn­en und Schüler besitzen einfach noch nicht die Medienkomp­etenz, um digital sicher und selbstbest­immt mit Tablets, Smartphone­s und Co. umzugehen. Das ist natürlich eine Herausford­erung für jede Lehrperson, die jetzt Unterricht planen muss, ohne zu wissen, was bei den Schülerinn­en und Schülern zu Hause eigentlich ankommt. Das fängt schon bei der technische­n Ausstattun­g an, denn nicht jedes Elternhaus kann sich ein Tablet oder einen Computer leisten. Außerdem sind viele Kinder in dem Alter noch nicht so lesesicher. Sie brauchen Anleitung und Bezugspers­onen – und das sind in den meisten Fällen die Eltern.

Viele junge Schüler wissen also gar nicht, wie sie Computer als Arbeitsger­äte einsetzen? Brückmann: Das betrifft nicht nur die Schülerinn­en und Schüler, sondern auch manche Lehrperson­en und Eltern. Selbst wenn ich als Lehrkraft also sehr medienkomp­etent bin, weiß ich nicht, ob die Eltern ihren Kindern den Zugang zum digitalen Angebot ermögliche­n können, weil sie sich selbst damit nicht auskennen. Es gibt also ein Dreieck zwischen Lehrkräfte­n, Schülerinn­en und Schülern sowie den Eltern, in dem man die Probleme und Ängste rund um das Thema Technik und Schule untereinan­der besprechen muss.

Manche Lehrkräfte drehen jetzt Erklärvide­os. Ist das eine gute Methode? Brückmann: Da muss man natürlich verschiede­ne Dinge beachten: Einmal müssen die Kinder gezeigt bekommen, wie man die Medien benutzt. Der Clou bei den Erklärvide­os ist ja, dass man sie mehrmals anschauen kann, wenn man etwas nicht gleich verstanden hat. Das ist den jüngeren Kinabverla­ngt,

Maja Brückmann dern oft gar nicht bewusst und muss gelernt werden. Genauso wie sie mal gelernt haben, wie man mit einem Buch oder Arbeitshef­t umgeht. Wichtig ist zudem, dass man die Videos dazu nutzt, dass man das Analoge mit dem Digitalen verbindet. Die digitalen Angebote sollen dafür sorgen, dass die Kinder aktiv werden und nicht einfach nur Konsumente­n sind. Außerdem ist das Feedback entscheide­nd. Die Kinder müssen die Möglichkei­t haben, der Lehrperson mitzuteile­n, dass sie etwas nicht verstehen. Und auch andersheru­m sollte die Lehrkraft nach der Kontrolle der Ergebnisse ebenfalls eine Rückmeldun­g geben, ob etwas gut oder nicht so gut geklappt hat. Wenn man diese FeedbackKu­ltur etabliert, dann haben alle einen Mehrwert davon.

Welche Rolle fällt den Eltern in dieser Zeit zu? Brückmann: Sie ist immens wichtig, weil die Eltern den Zugang in die digitale Welt erst möglich machen müssen. Ihnen wird auch didaktisch viel

und sie müssen über lange Zeit die Motivation aufrechter­halten, obwohl sie ja eigentlich nicht vorrangig den Bildungs-, sondern den Erziehungs­auftrag haben. Die Eltern kennen ihr Kind ja auch gar nicht im schulische­n Bereich und wissen nicht, wie es eigentlich lernt. Dieses Kennenlern­en ist wichtig, und dem muss man Zeit geben. Das bedeutet für die Lehrperson­en, dass sie auch die Eltern nicht überforder­n dürfen und auch ihnen mal eine Hilfestell­ung zur Didaktik geben sollten, zum Beispiel über eine Videokonfe­renz oder ein Telefonat.

Sind digitale Angebote auch im Normalbetr­ieb etwas für die Grundschul­e? Brückmann: Ich glaube fest daran, weil das Digitale viele Chancen bietet. Die CoronaZeit wirkt gerade wie ein Beschleuni­ger, um herauszufi­nden, wo welche Bedürfniss­e und Möglichkei­ten liegen. Bei vielen kommt der Mut auf, einfach mal eine Videokonfe­renz oder ein Erklärvide­o zu machen. Diesen Schwung können wir jetzt mitnehmen. Ziel muss es sein, die digitalen Medien dafür zu nutzen, das Lernen aktiv zu gestalten, um das Analoge mit dem Digitalen zu verbinden. Wir hängen in Deutschlan­d bei vielen Dingen hinterher, nun können wir mal schauen, wie andere Länder das machen und die Erfahrungs­welt in die Klassenzim­mer holen. Es gibt viele Kinder, die es ganz toll finden, wenn sie mal mit einem Tablet ein digitales Buch gestalten können. Ich denke, da ist noch vieles möglich.

 ?? BILD: UNI OLDENBURG/KONTERFEI ?? wurde 2018 auf die Professur für Didaktik des Sachunterr­ichts am Institut für Pädagogik der Universitä­t Oldenburg berufen. Die 41-Jährige studierte Mathematik und Physik auf Lehramt in Oldenburg und promoviert­e an der Uni Potsdam. Einer ihrer Forschungs­schwerpunk­te ist die Digitalisi­erung und informatis­che Bildung im Sachunterr­icht.
BILD: UNI OLDENBURG/KONTERFEI wurde 2018 auf die Professur für Didaktik des Sachunterr­ichts am Institut für Pädagogik der Universitä­t Oldenburg berufen. Die 41-Jährige studierte Mathematik und Physik auf Lehramt in Oldenburg und promoviert­e an der Uni Potsdam. Einer ihrer Forschungs­schwerpunk­te ist die Digitalisi­erung und informatis­che Bildung im Sachunterr­icht.

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