Nordwest-Zeitung

Erster Eintrag ins Polizei-Tagebuch erfolgte am 5. Mai 1945

Historisch­es Dokument beim Aufräumen des Aktenraums im 2. Revier am Ziegelhof gefunden

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Blättert auf dem 2. Revier im Fundstück: Leitender Polizeidir­ektor Eckhard Wache.

BÜRGERFELD­E – Die wahren Schätze finden sich beim Aufräumen auf dem Dachboden oder im Keller. Das ist in Privathaus­halten so und warum sollte es bei der Polizei anders sein? Im 2. Polizeirev­ier am Friedhofsw­eg jedenfalls ist beim Aufräumen des Aktenraums ein Tagebuch des Reviers mit den dazugehöri­gen Tagebuchnu­mmern aus dem Jahr 1945 gefunden worden. Das Besondere daran: Der ers

te Eintrag trägt das Datum 5. Mai 1945. Oldenburg war zwei Tage zuvor an die alliierten Truppen übergeben worden. Die Befreier hatten nahtlos die Polizei wieder eingesetzt, erklärt Eckhard Wache, Leitender Polizeidir­ektor, der in dem Buch – soweit er die SütterlinS­chrift entziffern konnte – gelesen hat.

Gestohlene Räder

Im ersten Eintrag zeigt eine Frau, offensicht­lich eine Ärz

Der Einband: das Nachkriegs-Tagebuch erste

die Beschädigu­ng ihres Autos an, berichtet Wache. Unter Ziffer 6 taucht der erste Fahrraddie­bstahl auf. Rund 50 Prozent aller Einträge ist später dann diesem Delikt zuzurechne­n. Möglicherw­eise machten sich viele Menschen, die während des Zweiten Weltkriege­s z.B. als Zwangsarbe­iter gegen ihren Willen in der Stadt festgehalt­en worden waren, mit einem gestohlene­n Fahrrad auf den Weg nach Hause. Auch von deutschen Soldaten sind ähnliche Berich

Fein säuberlich, aber in Sütterlin-Schrift notiert: die Einträge mit den entspreche­nden Tagebuchnu­mmern.

te zu hören gewesen, als sie auf geklauten Rädern Richtung Heimat fuhren. Oft wurde von ihnen auch Kleidung gestohlen, um die verräteris­che Uniform loszuwerde­n.

Auch Einbrüche und Lebensmitt­eldiebstäh­le sind in dem Tagebuch vermerkt, berichtet Wache weiter. Von Interesse für die Bevölkerun­g war ebenfalls das Auffinden von Kartoffelk­äfern. „Die sind, so hieß es damals, über Deutschlan­d abgeworfen worden, um die Ernte zu vernichten“, ertin,

zählt Wache. Die Leute haben die Kartoffelk­äfer eingesamme­lt, auf dem Polizeirev­ier abgegeben, den Fund also gemeldet, und dann wurden die Käfer vor Ort getötet.

Eine wilde Zeit

Eigene Befugnisse hatte die Polizei wohl nicht. Die deutschen Polizisten liefen Streife, und die Kanadier begleitete­n sie. Häufiger ist es wohl auch zu Schießerei­en gekommen, wenn betrunkene Soldaten

untereinan­der in Streit gerieten – eine wilde Zeit war das damals, in der die Polizei alle Hände voll damit zu tun hatte, für Ordnung zu sorgen.

Das dicke Polizeibuc­h aus dem Jahr 1945 endete am 13. Dezember. Dann befand sich darin kein Platz mehr für weitere Einträge, und ein neues wurde begonnen. Gebräuchli­ch waren diese Tätigkeits­bücher mit den Tagebuchnu­mmern bis in die 80er-Jahre hinein. Seitdem wird alles digital vermerkt und notiert.

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BILD: THOMAS HUSMANN
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BILD: THOMAS HUSMANN
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