Starthilfe oder nur ein Strohfeuer?
Fragen und Antworten zur umstrittenen Autoprämie für Deutschlands Schlüsselindustrie
Die Autoindustrie ist der Jobmotor im Land. Doch braucht die Branche wegen der Corona-Krise Anschubhilfe aus Steuermitteln in Form von Kaufprämien?
München – Jahrelang hat die Autoindustrie hohe Gewinne gemacht, jetzt drohen rote Zahlen: Wegen der CoronaKrise standen die Bänder wochenlang still, die Nachfrage ist eingebrochen, VW, Daimler und BMW fahren Kurzarbeit. Wie kommt die wichtigste Branche der deutschen Industrie, die für 800 000 Arbeitsplätze und zehn Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung steht, wieder in Schwung? An diesem Dienstag will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Herstellern darüber beraten.
Was möchte die Autoindustrie ?
Vor allem schnell sollte es gehen, da ist sich die Branche einig. „So bald als möglich“brauche die Autoindustrie Klarheit, ob die Nachfrage mit staatlicher Hilfe angekurbelt werden kann, sagte VW-Chef Herbert Diess. Der Präsident des Zentralverbands des Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK), Jürgen Karpinski, erinnerte an die Hängepartie bei den 6000Euro-Kaufprämien für Elektroautos Anfang des Jahres: Die Interessenten hätten abgewartet und Käufe monatelang hinausgezögert. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh forderte eine Kaufprämie für Elektro-, Benzin- und Dieselautos. Und nicht nur für Neuwagen, sondern auch für junge Gebrauchte. Da ist er sich mit dem Autohandel einig, der fürchtet, dass sonst Zehntausende Fahrzeuge in seinen Höfen über Nacht wertlos werden. Eine Prämie sollte „auch moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor umfassen“, sagte VW-Vorstandsmitglied Ralf Brandstätter. Nur breit angelegte Hilfen stützten Nachfrage und Produktion, mahnte die Präsidentin des Autobranchenverbands VDA, Hildegard Müller. Und auch DaimlerChef Ola Källenius will eine pauschale Lösung, so einfach wie möglich und für alle Segmente.
Was sagen Wirtschaftsforscher ?
Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, sagte dem „Business Insider“, was er davon hält: „Nichts. Prämien für E-Autos gibt es schon. Autos mit Verbrennungsmotor zu fördern, hat im Sinne des Klimaschutzes keine Priorität.“Gegen unterbrochene Lieferketten helfe eine Kaufprämie auch nicht. Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) und das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) lehnen die Prämie ab. Professor Stefan Koorths vom IfW sagte in der ARD-„PhoenixRunde“, solche kleinteiligen Staatseingriffe seien auch ordnungspolitisch falsch. Es sei zudem obszön, Geld auszugeben, damit Güter vernichtet werden.
Wie waren die Erfahrungen mit der Abwrackprämie im Jahr 2009 ?
Die Bundesregierung hatte in der damaligen Wirtschaftskrise 2500 Euro Zuschuss beim Kauf eines Neuwagens gezahlt, wenn der alte verschrottet wurde. Das kostete den Steuerzahler fünf Milliarden Euro. Die Münchner Professorin und Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagte bei „Phoenix“: „Das war ein unglaublich teures Programm“und „völlig ineffektiv“. Der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte, die Prämie habe mutwillig ökonomische Werte vernichtet und vor allem ausländischen Herstellern von billigen Kleinwagen geholfen. Die Zulassungen in Deutschland stiegen von 3,1 Millionen Autos anno 2008 auf 3,8 Millionen 2009, fielen aber 2010 auf 2,9 Millionen Autos. Kritiker sprachen von einem Strohfeuer, weil Käufe nur vorgezogen wurden.
Was sagt die Politik ?
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine ökologisch gestaffelte „Innovationsprämie“, die bis Ende 2021 läuft. Für Elektroautos solle es 10 000 Euro Zuschuss geben. Auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) möchte mit einer Prämie den Umstieg zur E-Mobilität unterstützen, ebenso wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) fordert eine breiter angelegte Prämie nicht nur für teure E-Autos, sondern auch für emissionsarme Gebrauchte. Haushaltspolitiker im Bundestag warnen vor noch mehr Schulden.
Was denken die Bürger ?
Laut einer Umfrage des YouGov-Instituts im Auftrag der Verkaufsplattform „mobile.de“planen derzeit 14 Prozent der Deutschen, ein Auto zu kaufen. Grundsätzlich würden 47 Prozent eine Prämie befürworten. 38 Prozent wünschen sich Kaufprämien, ebenfalls 38 Prozent lehnen sie generell ab.