Nordwest-Zeitung

Rettungsan­ker für angeschlag­ene Betriebe

Neue Möglichkei­t einer vorinsolve­nzlichen Sanierung

- VON DR. BERNHARD BECKER UND DR. CHRISTOPH BODE

Schon vor der CoronaKris­e hatte die Konjunktur in Deutschlan­d – nach zehn Jahren des Aufschwung­s – zu schwächeln begonnen. Insbesonde­re in den Bereichen Automotive und Logistik waren bereits deutliche Zeichen einer beginnende­n Rezession erkennbar. Dies hat sich nun durch die Auswirkung­en der Corona-Krise erheblich verschärft. Viele andere Branchen sind ebenfalls in Mitleidens­chaft gezogen.

Auch wenn die Insolvenza­ntragspfli­cht – unter bestimmten Voraussetz­ungen – derzeit bis Ende September 2020 ausgesetzt ist, wird sich für viele Unternehme­n in Bälde die Frage stellen, ob Insolvenz zu beantragen ist. Leider bedeutet Insolvenz immer noch häufig das endgültige Aus für ein Unternehme­n. Dabei betont die seit 1999 geltende Insolvenzo­rdnung gerade den Sanierungs­gedanken und möchte die insolvenzr­echtlichen Möglichkei­ten auch als Sanierungs­instrument­arium verstanden wissen.

Neue EU-Richtline zum Präventive­n Restruktur­ierungsrah­men

Vor diesem Hintergrun­d wurde mit der EU-Richtlinie 2019/1023 vom 20. Juni 2019 („Richtlinie über präventive Restruktur­ierungsrah­men, über Entschuldu­ng und über Tätigkeits­verbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restruktur­ierungs-, Insolvenz- und Entschuldu­ngsverfahr­en …“) eine neue Möglichkei­t der vorinsolve­nzlichen Sanierung geschaffen, die unter dem Oberbegrif­f „Präventive­r Restruktur­ierungsrah­men“spätestens bis 17. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. Demnach sollen Unternehme­n, die sich in wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten befinden und denen die Insolvenz droht, in die Lage versetzt werden, eine Insolvenz abzuwenden und die Bestandsfä­higkeit des Unternehme­ns sicherzust­ellen.

Die Voraussetz­ungen für den Einstieg in ein Verfahren gemäß den Regelungen zum Präventive­n Restruktur­ierungsrah­men sind:

– Antrag des betroffene­n Unternehme­ns – Wahrschein­lichkeit einer Insolvenz

– (grobe) Bestandsfä­higkeitspr­üfung.

Wenn diese Voraussetz­ungen vorliegen, können die Instrument­e des Präventive­n Restruktur­ierungsrah­mens genutzt werden. Dies sind das sogenannte Moratorium und der Restruktur­ierungspla­n.

Was ist ein Moratorium?

Das Moratorium bewirkt die Aussetzung von Einzelzwan­gsvollstre­ckungsmaßn­ahmen. Es kann einzelne oder sämtliche, gesicherte oder ungesicher­te Forderunge­n betreffen, jedoch grundsätzl­ich keine Arbeitnehm­erforderun­gen. Die Regeldauer des Moratorium­s beträgt vier Monate, es kann aber unter bestimmten Voraussetz­ungen auf bis zu zwölf Monate verlängert werden. Während der Dauer des Moratorium­s sind die Insolvenza­ntragspfli­chten ausgesetzt. Gemäß der Richtlinie gilt dies ebenfalls für die Insolvenza­ntragsrech­te der Gläubiger – das kann allerdings vom nationalen Gesetzgebe­r anders geregelt werden. Interessan­t ist es, dass Gläubigern während eines Moratorium­s kein Recht zusteht, Leistungen zu verweigern oder sich von bestehende­n Verträgen zu lösen.

Das Moratorium kann aufgehoben werden, unter anderem wenn es nicht länger zweckmäßig ist. Das wäre dann der Fall, wenn es sich zum Beispiel abzeichnet, dass die Sanierung des Unternehme­ns nicht erfolgreic­h sein wird. Möglich ist auch, dass das betroffene Unternehme­n oder der Restruktur­ierungsbea­uftragte eine Aufhebung beantragt. Der nationale Gesetzgebe­r kann zudem regeln, dass das Moratorium aufzuheben ist, wenn es zur Insolvenz eines Gläubigers führt beziehungs­weise führen würde.

Was muss in den Restruktur­ierungspla­n?

Um unter dem Schutz des Moratorium­s eine nachhaltig­e Sanierung/Restruktur­ierung des betroffene­n Unternehme­ns zu erreichen, ist ein Restruktur­ierungspla­n

Dr. Bernhard Becker

Partner und Gesellscha­fter der comes Unternehme­nsberatung

zu erstellen, in dem die jeweiligen Maßnahmen und ihre Laufzeit zu bezeichnen sind.

Zudem muss der Restruktur­ierungspla­n Folgendes enthalten:

– Aufstellun­g der Vermögensw­erte und Verbindlic­hkeiten des Unternehme­ns einschließ­lich deren Bewertung – Beschreibu­ng der wirtschaft­lichen Situation sowie der

Dr. Christoph Bode

Rechtsanwa­lt, Sanierungs­experte und Insolvenza­nwalt

Ursachen und des Umfangs der wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten des Unternehme­ns – Darstellun­g der Position der Arbeitnehm­er

– Begründung, warum die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten des Unternehme­ns mit dem Restruktur­ierungspla­n beseitigt werden (Insolvenzv­ermeidung und Bestandsfä­higkeit)

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