Flüchtlinge klagen gegen Handy-Auswertungen
Bundesamt griff auf rund 12 000 Geräte zu – In 4000 Fällen Daten analysiert
BRAUNSCHWEIG/HANNOVER – Mehrere Flüchtlinge klagen gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen Handy-Auswertungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). An den Verwaltungsgerichten in Hannover, Berlin und Stuttgart haben Anwälte im Namen einer 37-jährigen Afghanin, einer 25-jährigen Frau aus Kamerun und eines 29-jährigen Syrers gegen das Auslesen der Daten von Mobiltelefonen eingereicht, teilte die Gesellschaft mit.
„Gegen die Verletzung des Grundrechts auf digitale Privatsphäre klagen wir mit drei Personen – stellvertretend für Tausende Betroffene und durch alle Instanzen“, erklärte Lea Beckmann, Juristin von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Das Bundesamt missachte die hohen verfassungs
rechtlichen Vorgaben, an die der Staat beim Zugriff auf persönliche Daten gebunden sei. Die Handy-Auslesung sei „extrem fehleranfällig“. Nur etwa 35 Prozent der Ergebnisse seien brauchbar.
Das Bundesamt habe zwischen Anfang 2019 und Ende April 2020 rund 11 756 Datenträger von Asylantragstellern ausgelesen und in einem sogenannten Datentresor gespeichert, berichten Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
In gut 4000 Fällen habe die Behörde die Daten tatsächlich ausgewertet. In 60 Prozent der Fälle hätten sich „keine zusätzlichen Erkenntnisse“ergeben, die für das Asylverfahren relevant waren.
In 38 Prozent der Fälle hätten die ausgewerteten Daten die Angaben der Geflüchteten bestätigt. Nur bei zwei Prozent hätten die Analysen die Aussagen widerlegt. 2020 seien die nicht verwertbaren Ergebnisse der Daten-Analyse sogar auf 67 Prozent gestiegen.
Beckmann kritisierte: „Die Auswertung der Handys durch das Bamf lässt sehr umfassende Schlüsse über das Nutzungsverhalten eines Geflüchteten zu. Das private Leben kann ausgeleuchtet werden.“Das Bundesinnenministerium hingegen sagte den Funke-Zeitungen, durch enge Vorgaben werde die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Asylsuchenden gewahrt.
Der 29-jährige Kläger aus Syrien wurde der Gesellschaft zufolge 2015 als Flüchtling in Deutschland anerkannt. 2019 habe das Bundesamt seine Asylentscheidung erneut überprüft und routinemäßig auch das Smartphone des Syrers ausgewertet. Aus Angst abgeschoben zu werden habe er das Handy ausgehändigt. „Ich wusste überhaupt nicht, was da genau passiert, man hat mir nichts erklärt“, zitiert die Gesellschaft den Kläger.