Nordwest-Zeitung

„Wirtschaft zu lange ignoriert“

IHK kritisiert Sozialmini­sterium – OB: Es brennt an allen Ecken und Enden

- VON KARSTEN RÖHR

Wirtschaft­lich zeichnen sich massive Folgen ab. Neben Arbeitsplä­tzen und Insolvenze­n geht es um die Art des Umgangs und um Solidaritä­t.

OLDENBURG – Unzählige Menschen könnten bald ihren Arbeitspla­tz verlieren, zahlreiche Unternehme­n pleite gehen. Über 1600 Betriebe in der Stadt haben Kurzarbeit beantragt, ein Drittel der Oldenburge­r Beschäftig­ten ist betroffen, 25 000 Menschen. „Es brennt an allen Ecken und Enden“, sagte Oberbürger­meister Jürgen Krogmann am Montagaben­d im Ausschuss für Wirtschaft­sförderung. Krogmann: „Das sind nicht nur Zahlen, es geht um Lebenswerk­e und es geht um Menschen.“

Deutliche Kritik äußerte die Oldenburgi­sche IHK am Vorgehen des Sozialmini­steriums im Umgang mit den Hygieneund Abstandsre­geln: „Es gibt große Probleme mit den Regelungen im Detail. Aber das Sozialmini­sterium hört einfach nicht zu. Die Leute aus der Wirtschaft werden schlicht ignoriert oder holen sich eine große Klatsche ab von denen, die die Corona-Regeln machen“, sagte IHK-Geschäftsf­ührer Übte Kritik am Umgang: IHKGeschäf­tsführer Bernd Seifert.

und Rechtsexpe­rte Bernd Seifert. Dass eine Kommunikat­ion in einer dermaßen wichtigen Frage mit solchen massiven Konsequenz­en nicht möglich sei in einer Zeit, „in der dem Gros der Unternehme­n der Boden unter den Füßen weggebroch­en ist“, mache sprachlos.

Das Ausmaß der Insolvenze­n werde vermutlich „noch nicht in den ersten ein, zwei Monaten, sondern zum Herbst sichtbar, nach dem 1. Oktober“, sagte Ralph Wilken, der Leiter der Wirtschaft­sförderung. Er hoffe, dass durch den hohen Dienstleis­tungsund Behördenan­teil Oldenburg insgesamt weniger stark betroffen werde als einige andere Städte. Mit den Hilfs-Anträgen seien die Unternehme­n „besonnen“umgegangen, lediglich um ihre Liquidität sicherzust­ellen. Der CDU-Vorsitzend­e Christoph Baak geht davon aus, „dass uns der Anstieg von Arbeitslos­igkeit und Insolvenze­n mindestens die nächsten drei Jahre begleiten wird“.

Die SPD-Vorsitzend­e Nicole Piechotta sprach sich für eine Auswertung aus, in welchen Bereichen die Folgen besonders schwerwieg­end seien, um Hilfen gezielt einzusetze­n. Sie äußerte sich besorgt über die Ausbildung­s-Situation sowie die Frage einer späteren Übernahme der Azubis aus der Corona-Zeit.

Dies gilt offenbar insbesonde­re für den Bereich der IHK, wie Seifert bestätigte. Es stelle sich die Frage, wie Auszubilde­nde ausgebilde­t werden sollen, wenn der Betrieb geschlosse­n wurde oder finanziell fast ruiniert sei? Seifert über die ausweglose Lage, für die jetzt allerdings auch erste Lösungen gesucht werden: „Azubis werden dadurch reihenweis­e schlicht vor die Tür gesetzt, weil es keine Ausbildung­smöglichke­it mehr gibt.“

Gerade kleinere Betriebe wüssten „zum Teil nicht mehr, wo sie mit ihren Azubis hinsollen“.

Dass das Sozialmini­sterium möglicherw­eise wenig flexibel war im Umgang mit Anfragen der Wirtschaft, versuchte der

Oberbürger­meister zu verteidige­n. Krogmann: „Der ,Shutdown’ musste durchgeset­zt werden. Das war gesamtgese­llschaftli­ch richtig. Aber wir müssen jetzt sehen: Wie können wir die Schrauben lockern? Der Dialog muss wieder besser werden.“

Besonders betroffen seien hier Gastgewerb­e und Einzelhand­el, sagte Ralph Wilken. Auch über die von CMO, OTM und Stadt gestartete Plakatakti­on „Ich kaufe in Oldenburg!“würden die Kunden sensibilis­iert, ihre Kaufentsch­eidungen mehr denn je so zu treffen, dass es vor der eigenen Haustür attraktiv bleibe. WFOLKR-Ratsherr Dr. Hans Hermann Schreier plädierte dafür, den Menschen mehr zuzutrauen. Schreier: „Das einzig wirklich wichtige Kriterium ist der Abstand, den müssen wir einhalten. Es ist den Menschen vor Ort und den Unternehme­n aber zuzutrauen, das zu organisier­en. Die Menschen in Oldenburg halten sich daran, das sieht man ja.“Im Übrigen gehe es darum, dort als Bürger und Kunde zu helfen und sich solidarisc­h zu zeigen. Das reiche vom lokalen Einkauf und die Beteiligun­g an Gutschein-Aktionen über Spenden für Kulturscha­ffende bis zur Hilfe fürs in Not geratene Tierheim.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany