„Wirtschaft zu lange ignoriert“
IHK kritisiert Sozialministerium – OB: Es brennt an allen Ecken und Enden
Wirtschaftlich zeichnen sich massive Folgen ab. Neben Arbeitsplätzen und Insolvenzen geht es um die Art des Umgangs und um Solidarität.
OLDENBURG – Unzählige Menschen könnten bald ihren Arbeitsplatz verlieren, zahlreiche Unternehmen pleite gehen. Über 1600 Betriebe in der Stadt haben Kurzarbeit beantragt, ein Drittel der Oldenburger Beschäftigten ist betroffen, 25 000 Menschen. „Es brennt an allen Ecken und Enden“, sagte Oberbürgermeister Jürgen Krogmann am Montagabend im Ausschuss für Wirtschaftsförderung. Krogmann: „Das sind nicht nur Zahlen, es geht um Lebenswerke und es geht um Menschen.“
Deutliche Kritik äußerte die Oldenburgische IHK am Vorgehen des Sozialministeriums im Umgang mit den Hygieneund Abstandsregeln: „Es gibt große Probleme mit den Regelungen im Detail. Aber das Sozialministerium hört einfach nicht zu. Die Leute aus der Wirtschaft werden schlicht ignoriert oder holen sich eine große Klatsche ab von denen, die die Corona-Regeln machen“, sagte IHK-Geschäftsführer Übte Kritik am Umgang: IHKGeschäftsführer Bernd Seifert.
und Rechtsexperte Bernd Seifert. Dass eine Kommunikation in einer dermaßen wichtigen Frage mit solchen massiven Konsequenzen nicht möglich sei in einer Zeit, „in der dem Gros der Unternehmen der Boden unter den Füßen weggebrochen ist“, mache sprachlos.
Das Ausmaß der Insolvenzen werde vermutlich „noch nicht in den ersten ein, zwei Monaten, sondern zum Herbst sichtbar, nach dem 1. Oktober“, sagte Ralph Wilken, der Leiter der Wirtschaftsförderung. Er hoffe, dass durch den hohen Dienstleistungsund Behördenanteil Oldenburg insgesamt weniger stark betroffen werde als einige andere Städte. Mit den Hilfs-Anträgen seien die Unternehmen „besonnen“umgegangen, lediglich um ihre Liquidität sicherzustellen. Der CDU-Vorsitzende Christoph Baak geht davon aus, „dass uns der Anstieg von Arbeitslosigkeit und Insolvenzen mindestens die nächsten drei Jahre begleiten wird“.
Die SPD-Vorsitzende Nicole Piechotta sprach sich für eine Auswertung aus, in welchen Bereichen die Folgen besonders schwerwiegend seien, um Hilfen gezielt einzusetzen. Sie äußerte sich besorgt über die Ausbildungs-Situation sowie die Frage einer späteren Übernahme der Azubis aus der Corona-Zeit.
Dies gilt offenbar insbesondere für den Bereich der IHK, wie Seifert bestätigte. Es stelle sich die Frage, wie Auszubildende ausgebildet werden sollen, wenn der Betrieb geschlossen wurde oder finanziell fast ruiniert sei? Seifert über die ausweglose Lage, für die jetzt allerdings auch erste Lösungen gesucht werden: „Azubis werden dadurch reihenweise schlicht vor die Tür gesetzt, weil es keine Ausbildungsmöglichkeit mehr gibt.“
Gerade kleinere Betriebe wüssten „zum Teil nicht mehr, wo sie mit ihren Azubis hinsollen“.
Dass das Sozialministerium möglicherweise wenig flexibel war im Umgang mit Anfragen der Wirtschaft, versuchte der
Oberbürgermeister zu verteidigen. Krogmann: „Der ,Shutdown’ musste durchgesetzt werden. Das war gesamtgesellschaftlich richtig. Aber wir müssen jetzt sehen: Wie können wir die Schrauben lockern? Der Dialog muss wieder besser werden.“
Besonders betroffen seien hier Gastgewerbe und Einzelhandel, sagte Ralph Wilken. Auch über die von CMO, OTM und Stadt gestartete Plakataktion „Ich kaufe in Oldenburg!“würden die Kunden sensibilisiert, ihre Kaufentscheidungen mehr denn je so zu treffen, dass es vor der eigenen Haustür attraktiv bleibe. WFOLKR-Ratsherr Dr. Hans Hermann Schreier plädierte dafür, den Menschen mehr zuzutrauen. Schreier: „Das einzig wirklich wichtige Kriterium ist der Abstand, den müssen wir einhalten. Es ist den Menschen vor Ort und den Unternehmen aber zuzutrauen, das zu organisieren. Die Menschen in Oldenburg halten sich daran, das sieht man ja.“Im Übrigen gehe es darum, dort als Bürger und Kunde zu helfen und sich solidarisch zu zeigen. Das reiche vom lokalen Einkauf und die Beteiligung an Gutschein-Aktionen über Spenden für Kulturschaffende bis zur Hilfe fürs in Not geratene Tierheim.