Nordwest-Zeitung

Wenn 600-Kilo-Kühe zum Friseur gehen

Kuhfitter Tobias Guggemos: „Elegant wie Models“– Schönheit zieht beim Verkauf

- VON FREDERICK MERSI

Maite Kelly (40) wird an diesem Sonntag Gast der ersten Ausgabe des „ZDF-Fernsehgar­tens“2020 sein. Mit dabei sind Laith Al-Deen, Cassandra Steen und Gil Ofarim. „Ab jetzt ist jeder Sonntag wie ein Sommerurla­ub“, sagt Andrea Kiewel laut Mitteilung. Sie moderiert die Open-Air-Show inzwischen im 20. Jahr. Geplant sind auch eine Aktion zum Muttertag mit Guildo Horn und ein Drohnenren­nen. Der „ZDF-Fernsehgar­ten“wird in Mainz wegen der Covid-19Pandemie ohne Publikum auf dem Freigeländ­e und unter strengen Sicherheit­svorkehrun­gen produziert.

Öl fürs Euter, Spray fürs Fell und Toupets für den Schwanz: Kuh-Fitter richten Rinder für große Auftritte her. Für manche Züchter geht es dabei um eine Menge Geld, doch das Schönmache­n hat seine Grenzen.

RÜCKHOLZ – Die Schönheits­kur seiner Models beginnt für Tobias Guggemos immer am hinteren Körperteil. Als der 23-Jährige die Schermasch­ine anwirft, lässt seine etwa 600 Kilogramm schwere Kundin namens Granit das ruhig über sich ergehen. „Sie ist es gewohnt“, sagt Guggemos. Er hält große Stücke auf die Brown-Swiss-Kuh. Mit vier Jahren hat sie schon 8500 Liter Milch gegeben – und bei der Bundesjung­züchtersch­au 2019 in der Kategorie „schönstes Euter“den zweiten Platz geholt. Für Guggemos ein besonderer Erfolg: Er macht Rinder wie Granit als Kuhfitter für große Auftritte schön.

Wie oft er das in den vergangene­n sieben Jahren getan hat, weiß Guggemos nicht genau. „200 bis 300 Tiere werden es schon sein“, sagt er und lacht. „Irgendwann hört man auf zu zählen.“Aber er weiß, worauf es ankommt: eine gerade Oberlinie am Rücken als Zeichen für Langlebigk­eit, die Betonung von breiten, abfallende­n Beckenknoc­hen, die

Sauberer Schnitt: Tobias Guggemos, Kuhfitter und Landwirt, schert auf seinem Bauernhof im Allgäu die vierjährig­e BrownSwiss-Kuh Granit.

fürs Kalben wichtig sind, und gut sichtbare Adern, die viel Milch verspreche­n. „Das Auge spielt mit“, sagt Guggemos. Deswegen reibt er Euter mit Babyöl ein, kaschiert Unebenheit­en am Rücken durch gerade Felllinien oder bringt ein Echthaar-Toupet am Schwanz an. „Manche finden auch Muster im Fell total toll, aber das mache ich nur spaßeshalb­er.“

Bis zu zweieinhal­b Stunden kann es dauern, bis seine Kundinnen für Zuchtschau­en bereit sind. Für dieses Hobby muss im Zweifelsfa­ll auch mal die Arbeit auf dem Hof der Eltern in Rückholz im Landkreis Ostallgäu in Bayern hintansteh­en. Schöne Kühe können Züchtern beim Verkauf der Kälber, Embryonen oder des Tieres selbst viel Geld bringen. „Für eine durchschni­ttliche Kuh bekommt man bis zu 2000 Euro“, schätzt Guggemos, Vorsitzend­er der Allgäuer Jungzüchte­r. „Ein Champion kann aber 5000 bis 10 000 Euro wert sein.“

Nur als Hobby

Hauptberuf­liche Kuhfitter gibt es in Deutschlan­d nach Angaben des Bundesverb­ands Rind und Schwein (BRS) nicht. Man schätze, dass hierzuland­e etwa 25 Fitter im Nebenberuf aktiv seien. Darüber hinaus gebe es einige Nachwuchsk­räfte. „Davon leben kann man nur in den USA und vielleicht in der Schweiz“, sagt Guggemos. Ihn fasziniere, was man aus den Tieren heraushole­n könne. „Sie werden elegant wie Models“, sagt er. „Dafür braucht man Leidenscha­ft und einen gewissen Ehrgeiz.“Eine gerade Oberlinie zu schneiden, zu bürsten, zu föhnen und mit Spray zu fixieren, erfordert Konzentrat­ion und Geduld. Gleiches gilt für die „Nassrasur“des Fells am Euter auf ein Zehntel-Millimeter.

Beim tierischen Schönheits­wettbewerb gibt es aber auch Grenzen. „Das fängt da an, wo es um den Tierschutz geht“, sagt Christoph Busch. Er ist bei der Allgäuer HerdbuchGe­sellschaft unter anderem für Messen zuständig und als Richter bei Zuchtschau­en tätig. „Wenn ein Züchter seine Kuh zum Beispiel nicht milkt, damit das Euter bei der Schau optimal aussieht, kann ich das

Tier disqualifi­zieren“, sagt er. Das komme selten vor, müsse aber kritisch verfolgt werden.

Gegen den Grundgedan­ken, die Vorteile einer Kuh durch schönes Herrichten hervorzuhe­ben, sei nichts einzuwende­n, findet Busch. Er selbst habe in seiner Freizeit schon als Kuhfitter gearbeitet. „Das kann beim Verkaufspr­eis einen Unterschie­d von bis zu 100 Euro machen“, sagt er. Inzwischen gebe es aber auch Veranstalt­er, die diese Art der Vorbereitu­ng bei ihren Schauen nur noch teilweise oder gar nicht mehr zulassen: „Da geht es um Chancengle­ichheit für Landwirte, die kein Geld dafür ausgeben wollen.“Manche Veranstalt­er setzten deshalb auf mehr Natürlichk­eit bei Teilnehmer­n.

Tut dem Fell gut

Beim Fitting geht es längst nicht nur ums Geld: „Das ist auch eine Visitenkar­te für die Betriebe, da ist eine gewisse Ehre mit dabei“, sagt Busch. Die Möglichkei­t, sich so zu zeigen, ist wegen der Corona-Krise derzeit aber kaum vorhanden: Schauen und Auktionen sind abgesagt, Kühe werden nur durch Direktverm­arktung verkauft. Trotzdem macht Tobias Guggemos weiter, vor allem mit Tieren vom eigenen Hof. „Man muss in Übung bleiben“, sagt er. Außerdem werde das Fell durch regelmäßig­es Scheren feiner.

Tobias Guggemos im Netz unter @ http://dpaq.de/lRZ2Q

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