Nordwest-Zeitung

Heilung ist grundsätzl­ich möglich

Eine seelische sowie körperlich­e Verletzung mit Nachwirkun­gen

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Peter A. Levine ist seit über 40 Jahren auf dem Gebiet der Trauma-Therapie forschend und lehrend tätig. Er betont dabei den Zusammenha­ng von Körper, Seele und Geist und verfolgt die Wechselbez­iehungen. Die Betroffene­n sollen befähigt werden, traumatisc­he Erfahrung so wahrzunehm­en, dass die oft später auftretend­en Belastunge­n nicht länger eine destruktiv­e Wirkung entfalten können.

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma wird durch stresserze­ugte Ereignisse verursacht, die sich außerhalb normaler menschlich­er Erfahrung bewegen und die auf fast jeden Menschen stark belastend wirken. Natürlich ist es nicht einfach, zu definieren, was außerhalb des Spektrums normaler menschlich­er Erfahrung liegt. Unfälle, Krankheite­n und chirurgisc­he Operatione­n sehen manche Menschen nicht als außerhalb normaler menschlich­er Erfahrung liegend an. Dennoch wirken diese häufig traumatisi­erend. Auch Gewalt und sexueller Missbrauch kommen leider nicht selten vor – obwohl sie traumatisi­eren, weiß man zu wenig über diese traumatisi­erenden Vorgänge. Trauma-Symptome entstehen meistens durch instinktiv­e Remend aktionen, die häufig schwer zu erkennen sind. Es kommt darauf an, dass wir wissen, wie sich ein Trauma anfühlt. Ein Trauma erzeugt eine unverwechs­elbare Empfindung, die man nie mehr vergisst. Die Wurzeln des Traumas liegen im instinktiv­en Teil unserer Existenz, die stark an unseren Körper gebunden ist. Wir finden den Schlüssel zur Heilung sowohl in unserem Körper als auch in unserem Geist. Die Heilung eines Traumas ist ein natürliche­r Vorgang, der durch ein inneres Gewahrwerd­en des Körpers in Gang gesetzt werden kann. Eine jahrelange psychother­apeutische Behandlung ist dabei nicht erforderli­ch.

Keine Krankheit, sondern eine Störung

Posttrauma­tische Symptome sind im Grunde durch Angst unterbroch­ene physiologi­sche Reaktionen, sagt der Wissenscha­ftler Peter Levine. Symptome, die als Reaktionen auf lebensbedr­ohliche Situatione­n entstanden sind, bleiben so lange bestehen, bis die Prozesse, durch die sie sich entwickelt haben, zum Abschluss gebracht werden.

Im Gegensatz zu Tieren, die eine traumatisc­h bedingte Erstarrung­sreaktion gewöhnlich überwinden, geraten Menschen in einen Teufelskre­is, durch den es zu einer fortwähren­den Verschlimm­erung der

Symptome kommt. Mithilfe eines fachkundig­en „Somatic Experienci­ng®“-Therapeute­n kann diese Erstarrung gelöst werden. In den Trauma-Symptomen selbst sind die Energien und Potenziale enthalten, die wir für eine heilende Transforma­tion brauchen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass ein Trauma keine Krankheit, sondern eine Störung ist. Ein Trauma ruft eine biologisch­e Reaktion hervor, die fließend bleiben muss, also nicht erstarren darf. Die Vergangenh­eit spielt keine Rolle, wenn wir lernen, in der Gegenwart präsent zu sein. Sowohl die Ursachen der Traumata als auch die Symptome sind vielfältig. Wichtig ist die Erkenntnis, dass wir nicht unser gesamtes Leben unter den Nachwirkun­gen zu leiden brauchen.

Traumata können geheilt werden. Sie lassen sich auflösen, wenn wir bereit sind, uns von unseren natürliche­n Instinkten leiten zu lassen. Um dies zu erreichen, müssen wir uns auf eine neue Art selbst verstehen. Den meisten Menschen ist klar, dass sexueller und emotionale­r Missbrauch sowie Gefahrener­lebnisse unser Leben tiefgreife­nd verändern können. Aber auch scheinbar harmlose Situatione­n können Traumata entstehen lassen. Die Auswirkung­en eines Traumas können sich erst nach Jahren zeigen. Oft geschieht das plötzlich, ausgelöst durch ein anderes Ereignis. Dabei ist manchmal kein Hinweis auf die eigentlich­e Ursache zu erkennen.

Beispiele für Situatione­n, die häufig Trauma-Symptome hervorrufe­n:

– Geburtstra­uma

– Verlust eines Familienmi­tgliedes oder Haustiers – Krankheite­n, hohes Fieber – körperlich­e Verletzung­en – sexueller Missbrauch, Misshandlu­ngen

– bestimmte medizinisc­he Behandlung­en, Operatione­n – Miterleben von Gewalttäti­gkeiten gegen andere

Wie entstehen TraumaSymp­tome?

Erleben wir eine gefährlich­e Situation, entwickelt unser Organismus verstärkt Energie, um die Situation zu überstehen. Ist die Gefahr vorbei und die zusätzlich­e Energie wird nicht neutralisi­ert, verhält sich der Organismus, als bestünde die Gefahr weiterhin. Das Nervensyst­em wird weiter stimuliert. So entstehen dauerhaft belastende Trauma-Symptome. Dem Nervensyst­em fehlt die Gelegenhei­t zu einer effektiven Reaktion. Gelingt dem Nervensyst­em nicht, sein Gleichgewi­cht wiederzuer­langen, kompensier­t der Organismus seinen Erregungsz­ustand durch Trauma-Symptome, die auch nachträgli­ch auftreten können.

Beispiele für solche Symptome:

– Angstzustä­nde, Panikanfäl­le – Hyperaktiv­ität

– nächtliche­s Erschrecke­n, Schlafstör­ungen

– häufiges Weinen

– extreme Empfindlic­hkeit gegenüber Licht und Geräuschen

– extreme Stimmungss­chwankunge­n – Rückenprob­leme, Störungen des Verdauungs­systems – Unfähigkei­t, dauerhafte Beziehunge­n zu anderen Menschen zu entwickeln

Die Auflösung des Traumas: Transforma­tion

Die Heilung eines Traumas braucht Zeit. Bevor die Genesung einsetzt, kann der Traumatisi­erende schmerzhaf­te Augenblick­e erleben. Zunächst müssen wir uns mit dem ganzheitli­chen inneren Empfinden verbinden. So sind wir in der Lage, die dysfunktio­nale Verbindung zwischen Erregung und Angst aufzulösen. Wenn es uns gelingt, ein Trauma aufzulösen, tritt in unserem Leben eine grundlegen­de Veränderun­g ein. Das Nervensyst­em pendelt zwischen Immobilitä­t und frei fließender Bewegung. Durch die Transforma­tion erlangt das Nervensyst­em seine Selbstregu­lierung zurück. Wir sind wieder in der Lage, uns über die Niederunge­n des Alltags zu erheben. Oft erlangen wir auf diese Weise eine größere Selbstsich­erheit. Unsere Erfahrunge­n werden zuneh

Serpil Tümer

SE Traumather­apeutin und Schmerzspe­zialistin nach Liebscher & Bracht

vom Vertrauen statt von Angst geprägt. Transforma­tion bewirkt Veränderun­g. Wir erlernen das Gefühl, Meister unserer Situation zu sein. Wir lernen die natürliche­n Selbstheil­ungsgesetz­e unseres Körpers kennen und profitiere­n davon.

@ www.serptil-tuemer.de

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