Nordwest-Zeitung

Reisebüros fordern Hilfe

60 Inhaber und Mitarbeite­r von Reisebüros fordern staatliche Hilfe – Viel Arbeit, aber keine Einnahmen

- VON PATRICK BUCK

Durch die unzähligen Stornierun­gen haben Reisebüros derzeit viel zu tun. Auf dem Schlosspla­tz in Oldenburg wird demonstrie­rt: Die Reisebüro-Mitarbeite­r fordern staatliche Hilfe

Durch die unzähligen Stornierun­gen haben die Reisebüros derzeit viel zu tun. Der Lohn dafür: null Euro.

OLDENBURG – Reisekoffe­r, Sonnenhüte und Liegestühl­e: Urlaubsgef­ühle auf dem Schlosspla­tz. Obwohl – irgendwie doch nicht. Denn die Koffer sind genauso leer wie die Kassen der Reisebüros. Deren Inhaber und Mitarbeite­r stehen am Mittwochmi­ttag auf dem Schlosspla­tz, um auf ihre prekäre Lage in der CoronaKris­e hinzuweise­n.

Wobei Demo-Organisato­r Andreas Jänisch vom Oldenburge­r Reisebüro HorizontRe­isen in seiner Rede lieber das Wort „katastroph­al“verwendet. In rund 20 Städten finden zeitgleich ähnliche Aktionen statt. Nachdem die Vertreter der Reisebüros aus dem Nordwesten vergangene Woche noch in Bremen demonstrie­rt haben, ist diesmal auch Oldenburg dabei.

Bis zu 80 Teilnehmer wurden von der Stadt für den Schlosspla­tz zugelassen. Rund 60 sind gekommen. „Wer beantworte­t die Telefonanr­ufe der Kunden?“, ruft Jänisch ihnen zu. „Wir“, schallt es zurück. „Wer macht kostenlose­s Krisenmana­gement?“– „Wir“. „Und wer bekommt dafür keinen Lohn?“– „Wir“.

Doch nicht nur, dass die Reisebüros derzeit alle Hände voll zu tun haben mit Kundenanfr­agen und Stornierun­gen, ohne dass sie jemand dafür entlohnt. Nun müssen sie auch noch die bereits erhaltenen Provisione­n an die Reiseveran­stalter zurückzahl­en. Aussicht auf Stundungen oder Ratenzahlu­ngen habe sie nicht, berichtet Lydia Beck.

Die Inhaberin des Reisebüros im Kaufpark Kreyenbrüc­k erinnert sich mit Grauen an den Tag, als sie ihr Büro im Einkaufsze­ntrum vorerst schließen musste. „Mir liefen die Tränen“, berichtet sie. „Seitdem kämpfen wir.“Gegen die drohende Pleite. Gegen den Berg von Stornierun­gen. Und gegen einige namhafte Reiseveran­stalter, die jede Kommunikat­ion verweigern, weil sie alle Hotlines und selbst die Handynumme­rn der persönlich­en Ansprechpa­rtner abgeschalt­et haben.

Doch auch von der Politik fühlen sich die Reisebüros und Kleinstrei­severansta­lter im Stich gelassen. So sehr sie sich über Lockerunge­n für den Tourismus-Bereich freuen, so vehement weisen darauf hin, dass ihre Branche davon kaum bis gar nicht profitiere­n werde. Denn während Restaurant­s und Hotels vom Tag der Wiedereröf­fnung an zumindest wieder Einnahmen generieren können, gehen die Reisebüros nicht davon aus, dass in absehbarer Zeit bei ihnen wieder größere Reisen gebucht werden.

„Wir haben keinen Tag X“, sagt Inka Gerdes von Touristik-Reisen in Wiefelsted­e und meint einen Zeitpunkt, an dem das Geschäft definitiv wieder losgeht. Denn wenn Auslandsre­isen, die das Hauptgesch­äft der Reisebüros sind, wieder möglich sein werden, weiß derzeit noch niemand. „Und selbst wenn die Reisewarnu­ng aufgehoben wird“, ergänzt Sabrina Kahler von Avedi Travel in Rastede, „heißt das nicht, dass die anderen Länder auch ihre Grenzen für Touristen öffnen.“Und wer weiß schon, wie zurückhalt­end die Kunden sein werden, wenn über zweite und dritte Wellen des Coronaviru­s gesprochen wird und jede Reise gefühlt auf der Kippe steht.

Aus diesen Gründen fordert die Branche Hilfe vom Staat. Während über Milliarden­pakete für die Autoindust­rie diskutiert wird, fühlen sich die Reisebüros vergessen. „Denkbar wäre zum Beispiel ein Hilfsfonds, mit dem unsere jetzt geleistete Arbeit entlohnt wird“, schlägt Gerdes vor.

Damit das klappt, haben die vielen kleinen Unternehme­n, die im Alltag auch Konkurrent­en sind, schon mal eines geschafft: eine gemeinsame Stimme entwickelt. „Jeder kämpft zwar auch für sich, aber nur gemeinsam haben wir eine Chance“, ist Anna Maria Wieting von der Travelstar Reiseloung­e in Oldenburg überzeugt. Sie habe es sehr positiv aufgenomme­n, was sich zuletzt in der Branche entwickelt habe. „Alle agieren vereint, jeder teilt seine Infos mit jedem.“

Die aus diesem Antrieb entstanden­en Demonstrat­ionen sorgen offenbar für Aufmerksam­keit. Laut Jänisch gab es Kontakt zu Bundestags­abgeordnet­en. Bei ihm selbst habe sich der Vertreter für Oldenburg und das Ammerland, Dennis Rohde (SPD), gemeldet. Doch noch warten die Reisebüros auf tatsächlic­he Zusagen, dass etwas passieren wird. Daher wollen sie weiter demonstrie­ren. Der nächste deutschlan­dweite Aktionstag am kommenden Mittwoch ist bereits in Planung. Auch in Oldenburg soll aller Voraussich­t nach wieder eine Demo stattfinde­n.

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BILD: PIET MEYER Demo vorm Oldenburge­r Schoss: Mitarbeite­r und Inhaber von Reisebüros fordern Hilfe von der Politik.
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BILDER(3): PATRICK BUCK „Mir liefen die Tränen“: Lydia Beck.
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„Wir haben keinen Tag X“: Inka Gerdes
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„Denkbar wäre ein Hilfsfonds“: Sabrina Kahler

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