Reisebüros fordern Hilfe
60 Inhaber und Mitarbeiter von Reisebüros fordern staatliche Hilfe – Viel Arbeit, aber keine Einnahmen
Durch die unzähligen Stornierungen haben Reisebüros derzeit viel zu tun. Auf dem Schlossplatz in Oldenburg wird demonstriert: Die Reisebüro-Mitarbeiter fordern staatliche Hilfe
Durch die unzähligen Stornierungen haben die Reisebüros derzeit viel zu tun. Der Lohn dafür: null Euro.
OLDENBURG – Reisekoffer, Sonnenhüte und Liegestühle: Urlaubsgefühle auf dem Schlossplatz. Obwohl – irgendwie doch nicht. Denn die Koffer sind genauso leer wie die Kassen der Reisebüros. Deren Inhaber und Mitarbeiter stehen am Mittwochmittag auf dem Schlossplatz, um auf ihre prekäre Lage in der CoronaKrise hinzuweisen.
Wobei Demo-Organisator Andreas Jänisch vom Oldenburger Reisebüro HorizontReisen in seiner Rede lieber das Wort „katastrophal“verwendet. In rund 20 Städten finden zeitgleich ähnliche Aktionen statt. Nachdem die Vertreter der Reisebüros aus dem Nordwesten vergangene Woche noch in Bremen demonstriert haben, ist diesmal auch Oldenburg dabei.
Bis zu 80 Teilnehmer wurden von der Stadt für den Schlossplatz zugelassen. Rund 60 sind gekommen. „Wer beantwortet die Telefonanrufe der Kunden?“, ruft Jänisch ihnen zu. „Wir“, schallt es zurück. „Wer macht kostenloses Krisenmanagement?“– „Wir“. „Und wer bekommt dafür keinen Lohn?“– „Wir“.
Doch nicht nur, dass die Reisebüros derzeit alle Hände voll zu tun haben mit Kundenanfragen und Stornierungen, ohne dass sie jemand dafür entlohnt. Nun müssen sie auch noch die bereits erhaltenen Provisionen an die Reiseveranstalter zurückzahlen. Aussicht auf Stundungen oder Ratenzahlungen habe sie nicht, berichtet Lydia Beck.
Die Inhaberin des Reisebüros im Kaufpark Kreyenbrück erinnert sich mit Grauen an den Tag, als sie ihr Büro im Einkaufszentrum vorerst schließen musste. „Mir liefen die Tränen“, berichtet sie. „Seitdem kämpfen wir.“Gegen die drohende Pleite. Gegen den Berg von Stornierungen. Und gegen einige namhafte Reiseveranstalter, die jede Kommunikation verweigern, weil sie alle Hotlines und selbst die Handynummern der persönlichen Ansprechpartner abgeschaltet haben.
Doch auch von der Politik fühlen sich die Reisebüros und Kleinstreiseveranstalter im Stich gelassen. So sehr sie sich über Lockerungen für den Tourismus-Bereich freuen, so vehement weisen darauf hin, dass ihre Branche davon kaum bis gar nicht profitieren werde. Denn während Restaurants und Hotels vom Tag der Wiedereröffnung an zumindest wieder Einnahmen generieren können, gehen die Reisebüros nicht davon aus, dass in absehbarer Zeit bei ihnen wieder größere Reisen gebucht werden.
„Wir haben keinen Tag X“, sagt Inka Gerdes von Touristik-Reisen in Wiefelstede und meint einen Zeitpunkt, an dem das Geschäft definitiv wieder losgeht. Denn wenn Auslandsreisen, die das Hauptgeschäft der Reisebüros sind, wieder möglich sein werden, weiß derzeit noch niemand. „Und selbst wenn die Reisewarnung aufgehoben wird“, ergänzt Sabrina Kahler von Avedi Travel in Rastede, „heißt das nicht, dass die anderen Länder auch ihre Grenzen für Touristen öffnen.“Und wer weiß schon, wie zurückhaltend die Kunden sein werden, wenn über zweite und dritte Wellen des Coronavirus gesprochen wird und jede Reise gefühlt auf der Kippe steht.
Aus diesen Gründen fordert die Branche Hilfe vom Staat. Während über Milliardenpakete für die Autoindustrie diskutiert wird, fühlen sich die Reisebüros vergessen. „Denkbar wäre zum Beispiel ein Hilfsfonds, mit dem unsere jetzt geleistete Arbeit entlohnt wird“, schlägt Gerdes vor.
Damit das klappt, haben die vielen kleinen Unternehmen, die im Alltag auch Konkurrenten sind, schon mal eines geschafft: eine gemeinsame Stimme entwickelt. „Jeder kämpft zwar auch für sich, aber nur gemeinsam haben wir eine Chance“, ist Anna Maria Wieting von der Travelstar Reiselounge in Oldenburg überzeugt. Sie habe es sehr positiv aufgenommen, was sich zuletzt in der Branche entwickelt habe. „Alle agieren vereint, jeder teilt seine Infos mit jedem.“
Die aus diesem Antrieb entstandenen Demonstrationen sorgen offenbar für Aufmerksamkeit. Laut Jänisch gab es Kontakt zu Bundestagsabgeordneten. Bei ihm selbst habe sich der Vertreter für Oldenburg und das Ammerland, Dennis Rohde (SPD), gemeldet. Doch noch warten die Reisebüros auf tatsächliche Zusagen, dass etwas passieren wird. Daher wollen sie weiter demonstrieren. Der nächste deutschlandweite Aktionstag am kommenden Mittwoch ist bereits in Planung. Auch in Oldenburg soll aller Voraussicht nach wieder eine Demo stattfinden.