Vier Geschäfte lassen Seniorin nicht auf Toilette
Problem mit Blasenschwäche nimmt für 75-Jährige böses Ende – Verweis auf geltende Hygienekonzepte
Hintergrund sind die Einschränkungen durch Corona. Allerdings gestehen einige Geschäfte auch Fehler ein.
OLDENBURG – Wenn man muss, aber nirgendwo darf, ist das schon sehr unangenehm. Wenn es dann auch noch – wortwörtlich – in die Hose geht, das wünscht man wirklich niemandem. So passiert ist es allerdings einer 75-jährigen Oldenburgerin mitten in der Innenstadt.
Ihr Name ist der Redaktion bekannt, in der Zeitung veröffentlichen möchte sie ihn bei dieser ihr sehr unangenehmen Geschichte allerdings nicht. Passiert ist sie Ende vorletzter Woche. Die Seniorin war als Kundin beim Optiker Eyes-and-More an der Schüttingstraße, als sie der Harndrang überkam. Leider gehört sie zu der Gruppe Menschen, die an Blasenschwäche leiden. Daher drängte die Zeit.
In der Optiker-Filiale lehnten die Mitarbeiter allerdings ihr Gesuch, ob sie wegen des Notfalls die Toilette benutzen dürfe, ab. Die 75-Jährige versuchte es daraufhin in weite
ren Geschäften in der Nähe: bei Tchibo, in der Hirsch-Apotheke und in der Müller-Egerer-Filiale an der Staustraße. Überall bekam sie dieselbe negative Antwort. Danach konnte sie es einfach nicht mehr halten und nässte sich ein.
„Ich hatte noch das Glück, dass ich in Oldenburg wohne und mein Mann mich abholen konnte. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das für jemanden wäre, der mit dem Bus von außerhalb kommt.“
Wie man sich denken kann,
hat die Ablehnung der Geschäfte mit der Corona-Situation zu tun. Es gebe keine Kundentoilette in der Filiale, heißt es aus der Eyes-and-MorePressestelle. Normalerweise mache man in dringenden Fällen Ausnahmen für Kunden. Derzeit gälten allerdings strenge Hygienevorschriften. „Dazu gehört auch, dass die Toiletten nur noch ausschließlich vom Personal genutzt werden dürfen.“Dasselbe teilt die Tchibo-Zentrale mit. Die Mitarbeiter hätten nur die
Möglichkeit gehabt, auf öffentliche Toiletten hinzuweisen.
Eine Verordnung des Landes, die Bereitstellung von Toiletten in Geschäften untersagt, gibt es nach Auskunft von Stadtsprecher Stefan Onnen übrigens nicht. Viele Betriebe würden das derzeit zwar anders handhaben, aber im Rahmen einer „Nothilfe“wäre eine Toilettennutzung vollkommen in Ordnung gewesen, so die Bewertung des Ordnungsamtes.
Sehr unglücklich mit dem Verlauf der Geschichte ist Wilfried Fiek, Chef der HirschApotheke. „Außerhalb von Corona machen wir selbstverständlich Ausnahmen für Ältere oder Eltern mit Kindern und lassen sie auf unsere Mitarbeitertoilette.“Derzeit werde aber penibel ein Hygienekonzept umgesetzt – alles, um Kontakte zu reduzieren und bei einer möglich Ansteckung den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Wenn jemand von außerhalb die Toilette benutze, konterkariere das womöglich solche Bemühungen. Er
Ärger der Oldenburgerin, so Fiek. „Wir haben in diesem Fall keiPnreobver.nKünofmtigme angeboten“, sagt er selbstkritisch.
Eine Entschuldigung spricht auch Annika Weise von Müller-Egerer aus. Das Café der Filiale sei derzeit geschlossen, damit auch die Gästetoiletten. Im Sinne der Menschlichkeit sei die Ablehnung der Mitarbeiterin, ein WC nutzen zu dürfen, allerdings falsch gewesen. „Da hätten wir anders reagieren müssen“, gibt sie zu. Sie verweist darauf, dass das Personal derzeit ständig mit neuen Regelungen konfrontiert und zum Teil unsicher sei, was überhaupt noch erlaubt sei.
Die 75-Jährige versteht das Grundproblem, die Entscheidung der Geschäfte nachvollziehen kann sie allerdings nicht. Sie sei schließlich ordentlich gekleidet und gepflegt gewesen und habe nicht den Eindruck von problematischer Hygiene gemacht. Sie wünscht sich Lösungen, und sei es, dass Kunden gebeten werden, entscheidende Stellen nach dem Toilettengang selbst zu desinfizieren. „Für mich heißt es derzeit, dass ich mich darauf einstellen muss, dass ich in der Innenstadt womöglich nicht auf Toiletten kann.“