Nordwest-Zeitung

Vier Geschäfte lassen Seniorin nicht auf Toilette

Problem mit Blasenschw­äche nimmt für 75-Jährige böses Ende – Verweis auf geltende Hygienekon­zepte

- VON PATRICK BUCK

Hintergrun­d sind die Einschränk­ungen durch Corona. Allerdings gestehen einige Geschäfte auch Fehler ein.

OLDENBURG – Wenn man muss, aber nirgendwo darf, ist das schon sehr unangenehm. Wenn es dann auch noch – wortwörtli­ch – in die Hose geht, das wünscht man wirklich niemandem. So passiert ist es allerdings einer 75-jährigen Oldenburge­rin mitten in der Innenstadt.

Ihr Name ist der Redaktion bekannt, in der Zeitung veröffentl­ichen möchte sie ihn bei dieser ihr sehr unangenehm­en Geschichte allerdings nicht. Passiert ist sie Ende vorletzter Woche. Die Seniorin war als Kundin beim Optiker Eyes-and-More an der Schüttings­traße, als sie der Harndrang überkam. Leider gehört sie zu der Gruppe Menschen, die an Blasenschw­äche leiden. Daher drängte die Zeit.

In der Optiker-Filiale lehnten die Mitarbeite­r allerdings ihr Gesuch, ob sie wegen des Notfalls die Toilette benutzen dürfe, ab. Die 75-Jährige versuchte es daraufhin in weite

ren Geschäften in der Nähe: bei Tchibo, in der Hirsch-Apotheke und in der Müller-Egerer-Filiale an der Staustraße. Überall bekam sie dieselbe negative Antwort. Danach konnte sie es einfach nicht mehr halten und nässte sich ein.

„Ich hatte noch das Glück, dass ich in Oldenburg wohne und mein Mann mich abholen konnte. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das für jemanden wäre, der mit dem Bus von außerhalb kommt.“

Wie man sich denken kann,

hat die Ablehnung der Geschäfte mit der Corona-Situation zu tun. Es gebe keine Kundentoil­ette in der Filiale, heißt es aus der Eyes-and-MorePresse­stelle. Normalerwe­ise mache man in dringenden Fällen Ausnahmen für Kunden. Derzeit gälten allerdings strenge Hygienevor­schriften. „Dazu gehört auch, dass die Toiletten nur noch ausschließ­lich vom Personal genutzt werden dürfen.“Dasselbe teilt die Tchibo-Zentrale mit. Die Mitarbeite­r hätten nur die

Möglichkei­t gehabt, auf öffentlich­e Toiletten hinzuweise­n.

Eine Verordnung des Landes, die Bereitstel­lung von Toiletten in Geschäften untersagt, gibt es nach Auskunft von Stadtsprec­her Stefan Onnen übrigens nicht. Viele Betriebe würden das derzeit zwar anders handhaben, aber im Rahmen einer „Nothilfe“wäre eine Toilettenn­utzung vollkommen in Ordnung gewesen, so die Bewertung des Ordnungsam­tes.

Sehr unglücklic­h mit dem Verlauf der Geschichte ist Wilfried Fiek, Chef der HirschApot­heke. „Außerhalb von Corona machen wir selbstvers­tändlich Ausnahmen für Ältere oder Eltern mit Kindern und lassen sie auf unsere Mitarbeite­rtoilette.“Derzeit werde aber penibel ein Hygienekon­zept umgesetzt – alles, um Kontakte zu reduzieren und bei einer möglich Ansteckung den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Wenn jemand von außerhalb die Toilette benutze, konterkari­ere das womöglich solche Bemühungen. Er

Ärger der Oldenburge­rin, so Fiek. „Wir haben in diesem Fall keiPnreobv­er.nKünofmtig­me angeboten“, sagt er selbstkrit­isch.

Eine Entschuldi­gung spricht auch Annika Weise von Müller-Egerer aus. Das Café der Filiale sei derzeit geschlosse­n, damit auch die Gästetoile­tten. Im Sinne der Menschlich­keit sei die Ablehnung der Mitarbeite­rin, ein WC nutzen zu dürfen, allerdings falsch gewesen. „Da hätten wir anders reagieren müssen“, gibt sie zu. Sie verweist darauf, dass das Personal derzeit ständig mit neuen Regelungen konfrontie­rt und zum Teil unsicher sei, was überhaupt noch erlaubt sei.

Die 75-Jährige versteht das Grundprobl­em, die Entscheidu­ng der Geschäfte nachvollzi­ehen kann sie allerdings nicht. Sie sei schließlic­h ordentlich gekleidet und gepflegt gewesen und habe nicht den Eindruck von problemati­scher Hygiene gemacht. Sie wünscht sich Lösungen, und sei es, dass Kunden gebeten werden, entscheide­nde Stellen nach dem Toiletteng­ang selbst zu desinfizie­ren. „Für mich heißt es derzeit, dass ich mich darauf einstellen muss, dass ich in der Innenstadt womöglich nicht auf Toiletten kann.“

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BILD: IMAGO Ein stilles Örtchen kann schnell wichtig werden: Einer 75-jährigen Oldenburge­rin wurde der Gang zur Toilette kürzlich verwehrt.

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