Theater macht hier keiner mehr
Verein Jugendkulturarbeit streicht geplante Projekte – Sanierte Räume stehen leer
Themen gibt es viele. Nur derzeit dürfen die Jugendlichen damit auf keine Bühne. Auch das Geld wird knapp.
DONNERSCHWEE – Es geht voran. Zumindest auf der Baustelle, die Domizil des Vereins Jugendkulturarbeit werden soll. Im September war die offizielle Eröffnung nach der gut einjährigen Renovierung an der Weißen Rose 1 geplant. Selbst, wenn Gäste kämen, gäbe es wenig zu feiern.
Kurzarbeit angemeldet
„Wenn wir das Jahr überleben wollen, bräuchten wir rund 150 000 Euro“, sagt Gina Schumm. Tatenlos sitzt die Leiterin für politische Bildung der Jugendkulturarbeit nicht in ihrem Büro, einem ausgedienten Zirkuswagen, der seit Frühjahr neben zwei weiteren Bauwagen dem sechsköpfigen Team als Arbeitsstätte dient, bis die Räumlichkeiten im Hauptgebäude hergerichtet sind. Wie ihre Kollegen ist Gina Schumm in Kurzarbeit – und bemüht, bisher Aufgebautes nicht in sich zusammenfallen zu lassen. Mindestens sieben geplante Jugendtheaterstücke werden es in diesem Jahr nicht mehr auf die Bühne schaffen, rund 20 offene Seminartage muss Gina Schumm ausfallen lassen, die drei fest gebuchten deutsch-polnischen Sommeraustauschprogramme sind abgesagt. Normalerweise finden an 15 bis 20 Tagen internationale Begegnungen statt, jede Woche proben sonst vier Gruppen. Die Rose 1 ist längst zum kulturellen Zentrum und Anlaufpunkt verschiedenster Menschen geworden.
„Seit Mitte März kommt kein Geld mehr rein“, sagt Gina
Blick ins Ungewisse: Als Leiterin für politische Bildung der Jugendkulturarbeit freut sich Gina Schumm über die fortschreitenden Bauarbeiten im Projektehaus – in ihrem Bauwagen-Büro versucht sie Alternativen und Geldgeber zu finden.
Schumm. Ein Großteil der Projekte des Vereins werden durch Förderfonds vom Land, Bund oder der EU finanziert. Geld gibt es nur für das, was auch stattfindet. Eine Ausnahmesituation wie die CoronaPandemie ist nirgendwo einkalkuliert. „Dafür wird auf verschiedenen Ebenen jetzt gekämpft“, sagt Gina Schumm, die im engen Austausch mit bundesweit ähnlichen Einrichtungen ist. Die „Aktion Mensch“etwa wird als Unterstützer ihr Konzept überarbeiten. Zuschüsse gibt es zwar von der Stadt, doch die decken weder Betriebs- noch Personalkosten.
Erschaffenes bewahren
Geldsorgen sind das eine – der Verlust von Erreichtem das andere. Die Arbeit mit den Jugendlichen ist Gina
Schumm, deren Schwerpunkt die Erinnerungskultur ist, eine Herzensangelegenheit. Bisher aufgebautes Vertrauen und gemeinsam Erschaffenes bemüht sie sich über OnlinePortale aufrecht zu erhalten. Jeden Donnerstag trifft sie sich virtuell mit 18 jungen Menschen, um am Textbuch eines Stückes zu arbeiten und szenische Proben zu ermöglichen. Sie hofft, das Kooperationsprojekt mit der Berufsbildenden Schule Ehnernstraße noch mit Besuchen in der Klasse fortsetzen zu können.
Im Gespräch mit den jungen Leuten entgeht Gina Schumm nicht, „wie schwer das gerade ist – zwischen 16 und 22 lebt man von Kontakten.“In einem der laufenden Projekte geht es um die Erschaffung einer positiven Utopie. In diesen Zeiten sei es wichtig, über Grundrechte zu
sprechen, sagt Gina Schumm – „es gibt eine Menge wichtiger Themen“. Und die Voraussetzung, die zur Sprache zu bringen, wären eigentlich ideal. Rund 600 000 Euro hat das Land für das Internationale Jugendprojektehaus auf dem Gelände der ehemaligen Donnerschwee-Kaserne locker gemacht. Die Kernsanierung der knapp 2000 Quadratmeter lief zwar nicht ganz im Zeitplan, aber das Gästehaus mit rund 60 Betten, in dem einst das Offizierskasino war, ist quasi bezugsfertig. „Und keiner kommt“, sagt Gina Schumm. Mit einer Öffnung europäischer Grenzen für Jugendliche aus den Nachbarländern rechnet sie dieses Jahr nicht mehr.
Räume vermieten
„Eigentlich könnten wir die Räume vermieten – an Mütter
mit Kindern, für Geflüchtete, als zusätzlichen Raum. Oder wir stellen das Haus als Quarantänestation zur Verfügung.“Ganz so abwegig sind diese Gedanken nicht – in anderen Bundesländern gibt es solche Raumumnutzungsmodelle bereits. Nebenbei wäre es eine Einnahmequelle für den Verein.
Die Köpfe des Leitungsteams aus Gina Schumm, Dettmar Koch und Jörg Kowollik dampfen. Überlegt wird auch, wie es einzelne Stücke oder Teile daraus doch noch auf mögliche Freilichtbühnen bringen. „Wenn wir jetzt nicht kämpfen, brauchen wir im Herbst mit nichts weiter zu machen“, sagt Gina Schumm und lässt ihren Blick über die Baustelle schweifen. Es geht voran, man darf nur nicht lockerlassen.
@ www.jugendkulturarbeit.eu