Nordwest-Zeitung

Grauenhaft­e Ereignisse in Esterwegen dokumentie­rt

- @ www.gedenkstae­tte-esterwegen.de

ESTERWEGEN/OLDENBURG/SC – Der Fall trägt die Züge einer Köpenickia­de, eine Form der Hochstapel­ei, bei der durch Amtsanmaßu­ng Gehorsam erschliche­n wird. Im Jahr 1906 gab sich Fabrikschu­ster Wilhelm Voigt in Cöpenick bei Berlin als Hauptmann aus und besetzte mit einem Trupp Soldaten das Rathaus der Stadt, verhaftete den Bürgermeis­ter und ließ sich die Stadtkasse übergeben. Der Vorfall wurde weltbekann­t und diente Autor Carl Zuckmayer als Vorlage seiner Komödie „Der Hauptmann von Köpenick“.

Das ist allerdings die einzige Parallele zu „Hauptmann“Willi Herold. Der 19-jährige Gefreite aus dem sächsische­n Lunzenau, der in einem Auto eine Hauptmanns­uniform gefunden hatte, gab sich in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriege­s als solcher aus und tötete mit den Mittätern der „Kampfgrupp­e Herold“mehr als 170 Menschen. In der Gedenkstät­te Esterwegen im Emsland ist ausführlic­h und eindringli­ch davon zu lesen.

Auf einer häufig als „Herold-Friedhof“bezeichnet­en Gräberanla­ge ruhen 195 unbekannte Tote. 172 von ihnen sind zwischen dem 12. und 19. April 1945 Opfer des HeroldMass­akers im Strafgefan­genenlager Aschendorf­ermoor geworden, 23 sind Opfer der Bombardier­ung des Lagers durch britische Flugzeuge am 19. April.

Nachdem die Toten im April 1945 an verschiede­nen Stellen am Rande des Lagers verscharrt worden waren, erfolgten im Februar 1946 ihre Exhumierun­g und ihre Beisetzung auf dem neu angelegten Friedhof beim früheren Lagergelän­de. Bei seiner Festnahme in Aurich gab sich der selbst ernannte Hauptmann als Gefreiter Willi Herold zu erkennen. Nach einer Untersuchu­ng wurde er durch die britische Militärreg­ierung als Kriegsverb­recher identifizi­ert. Am 13. August 1946 begann vor dem Militärger­icht in Oldenburg der Prozess gegen Herold. Der 19-Jährige sowie sechs weitere Angeklagte wurden zum Tode verurteilt. Am 14. November 1946 wurden sechs der Urteile in Wolfenbütt­el vollstreck­t.

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