Halter von Weidetieren schlagen Alarm
Landwirte fordern ein Einschreiten der Politik – Uneinigkeit über Umgang mit der Problematik
Schafhalter bemängeln die fehlende Gefahrenabwehr zu Beginn der Weidesaison. Die Raubtieransiedlung müsse beendet werden.
HANNOVER – Die Halter von Weidetieren verlangen wegen neuer Angriffe von Wölfen ein schärferes Vorgehen gegen die Raubtiere. „Ohne Regulierung wird die Anzahl in den nächsten zwei Jahren auf dreitausend Wölfe in die Höhe gehen“, warnte Wendelin Schmücker, Chef des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung.
Laut seiner Schätzung leben in Deutschland derzeit bis zu 1500 Tiere – ein Bestandswert, den auch das Landes-Agrarministerium für realistisch
hält. Zuletzt habe sich die Zahl der Wolfsrisse aber stark erhöht, sagte Schmücker. „Die Politik muss endlich handeln, vom Zuschauerstatus wegkommen und die nichtregulierte, experimentelle Raubtieransiedlung beenden.“Im ersten Quartal wurden in Niedersachsen 98 Übergriffe auf Nutztiere, mehrheitlich Schafe, registriert. Dabei starben 351 Tiere, oder sie wurden so schwer verletzt, dass sie später eingeschläfert werden mussten. Wölfe konnten jedoch nicht in allen Fällen als Verursacher nachgewiesen werden.
Beim Umgang mit neu angesiedelten Wölfen stehen sich die Interessen von Naturschützern und Tierhaltern gegenüber. Im Kreis Uelzen hatte jüngst ein Naturschutzverein gegen zwei Wolfs-Abschussgenehmigungen geklagt, eine entsprechende Ausnahmeregelung wurde daraufhin vorläufig ausgesetzt. Ein Grund für die Rücknahme ist nach Angaben des Ministeriums in Hannover, dass sich weibliche Wölfe im Frühjahr auch um ihre Welpen kümmern müssen.
Schmücker betonte, die wirtschaftlichen Belange der Tierhalter müssten stärker berücksichtigt werden: „Insbesondere die ausgesetzten Abschussverfügungen bereiten schlaflose Nächte.“Die Population der Wölfe dürfe nicht zu sehr wachsen. „Eine wirksame, schnelle Gefahrenabwehr fehlt völlig“, meinte er zur begonnenen Weidesaison.
Seit der Jahrtausendwende breiten sich die Raubtiere in Deutschland wieder aus, nachdem sie lange ausgerottet waren. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes hatte zum Jahreswechsel von insgesamt 105 Wolfsrudeln, 25 Paaren und 13 Einzeltieren berichtet. Wie viele Tiere ein Rudel bilden, schwankt. In Niedersachsen wurden zuletzt 26 Rudel, fünf Paare und ein einzelnes Tier gezählt. Bei acht bis zehn Tieren je Rudel gehe man derzeit von etwa 230 Wölfen in Niedersachsen aus, hieß es am Mittwoch aus dem Agrarministerium.
Der Bundestag hatte im Dezember ein Gesetz beschlossen, demzufolge Wölfe zum Schutz von Weidetieren leichter abgeschossen werden dürfen. Vorausgegangen war ein monatelanger Streit. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von „berechtigten Sorgen der Bevölkerung“und ernstzunehmenden Interessen der Weidetierhaltung. Der SPD-Umweltexperte Carsten Träger hob aber auch hervor: „Es wird kein unkontrolliertes Rudelschießen geben.“Die Linke forderte stärkere Hilfen und Entschädigungen für Schäfer.