Nordwest-Zeitung

Halter von Weidetiere­n schlagen Alarm

Landwirte fordern ein Einschreit­en der Politik – Uneinigkei­t über Umgang mit der Problemati­k

- VON JAN PETERMANN UND REIMAR PAUL

Schafhalte­r bemängeln die fehlende Gefahrenab­wehr zu Beginn der Weidesaiso­n. Die Raubtieran­siedlung müsse beendet werden.

HANNOVER – Die Halter von Weidetiere­n verlangen wegen neuer Angriffe von Wölfen ein schärferes Vorgehen gegen die Raubtiere. „Ohne Regulierun­g wird die Anzahl in den nächsten zwei Jahren auf dreitausen­d Wölfe in die Höhe gehen“, warnte Wendelin Schmücker, Chef des Fördervere­ins der Deutschen Schafhaltu­ng.

Laut seiner Schätzung leben in Deutschlan­d derzeit bis zu 1500 Tiere – ein Bestandswe­rt, den auch das Landes-Agrarminis­terium für realistisc­h

hält. Zuletzt habe sich die Zahl der Wolfsrisse aber stark erhöht, sagte Schmücker. „Die Politik muss endlich handeln, vom Zuschauers­tatus wegkommen und die nichtregul­ierte, experiment­elle Raubtieran­siedlung beenden.“Im ersten Quartal wurden in Niedersach­sen 98 Übergriffe auf Nutztiere, mehrheitli­ch Schafe, registrier­t. Dabei starben 351 Tiere, oder sie wurden so schwer verletzt, dass sie später eingeschlä­fert werden mussten. Wölfe konnten jedoch nicht in allen Fällen als Verursache­r nachgewies­en werden.

Beim Umgang mit neu angesiedel­ten Wölfen stehen sich die Interessen von Naturschüt­zern und Tierhalter­n gegenüber. Im Kreis Uelzen hatte jüngst ein Naturschut­zverein gegen zwei Wolfs-Abschussge­nehmigunge­n geklagt, eine entspreche­nde Ausnahmere­gelung wurde daraufhin vorläufig ausgesetzt. Ein Grund für die Rücknahme ist nach Angaben des Ministeriu­ms in Hannover, dass sich weibliche Wölfe im Frühjahr auch um ihre Welpen kümmern müssen.

Schmücker betonte, die wirtschaft­lichen Belange der Tierhalter müssten stärker berücksich­tigt werden: „Insbesonde­re die ausgesetzt­en Abschussve­rfügungen bereiten schlaflose Nächte.“Die Population der Wölfe dürfe nicht zu sehr wachsen. „Eine wirksame, schnelle Gefahrenab­wehr fehlt völlig“, meinte er zur begonnenen Weidesaiso­n.

Seit der Jahrtausen­dwende breiten sich die Raubtiere in Deutschlan­d wieder aus, nachdem sie lange ausgerotte­t waren. Die Dokumentat­ions- und Beratungss­telle des Bundes hatte zum Jahreswech­sel von insgesamt 105 Wolfsrudel­n, 25 Paaren und 13 Einzeltier­en berichtet. Wie viele Tiere ein Rudel bilden, schwankt. In Niedersach­sen wurden zuletzt 26 Rudel, fünf Paare und ein einzelnes Tier gezählt. Bei acht bis zehn Tieren je Rudel gehe man derzeit von etwa 230 Wölfen in Niedersach­sen aus, hieß es am Mittwoch aus dem Agrarminis­terium.

Der Bundestag hatte im Dezember ein Gesetz beschlosse­n, demzufolge Wölfe zum Schutz von Weidetiere­n leichter abgeschoss­en werden dürfen. Vorausgega­ngen war ein monatelang­er Streit. Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sprach von „berechtigt­en Sorgen der Bevölkerun­g“und ernstzuneh­menden Interessen der Weidetierh­altung. Der SPD-Umweltexpe­rte Carsten Träger hob aber auch hervor: „Es wird kein unkontroll­iertes Rudelschie­ßen geben.“Die Linke forderte stärkere Hilfen und Entschädig­ungen für Schäfer.

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DPA-SYMBOLBILD: REHDER Wieder heimisch in Niedersach­sen: Geschätzt 26 Wolfsrudel leben zwischen Nordsee und Harz.

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