Nordwest-Zeitung

VOR 75 JAHREN ENDETE DER ZWEITE WELTKRIEG – LESEN SIE DAZU: LEITARTIKE­L, INTERVIEW, ANALYSEN

- VON ULRICH SCHÖNBORN

Die Corona-Krise trifft auch den Gedenktag zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Vor 75 Jahren wurde die Schreckens­herrschaft der Nazis durch den Sieg der Alliierten gebrochen. Die heutigen Gedenkvera­nstaltunge­n müssen unter Ausschluss der Öffentlich­keit und als virtuelle Begegnunge­n im Internet stattfinde­n.

Dabei wird die kollektive Erinnerung an dieses einschneid­endste Ereignis der deutschen Geschichte immer wichtiger, je länger es zurücklieg­t. Mit jedem Jahr gibt es weniger Zeitzeugen. Die persönlich­e Betroffenh­eit schwindet. Gleichzeit­ig neigen immer mehr Menschen dazu, die Schuld zu relativier­en und die Verantwort­ung der Deutschen für den skrupellos­en Angriffskr­ieg, den Holocaust, die unzähligen Toten, die Zerstörung, das Leid und Elend des Zweiten Weltkriegs infrage zu stellen.

Doch es gibt an dieser singulären Schuld und Verantwort­ung nichts zu rütteln, nicht 75 Jahre nach Kriegsende und auch nicht in Zukunft.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs war eine Befreiung von der unmenschli­chen Ideologie und dem Terror des Nationalso­zialismus. An dieser Tatsache ändern auch die damals für viele Deutsche schicksalh­aften Begleitums­tände wie Flucht, Vertreibun­g und Besatzung nichts. Auch an sie muss erinnert werden. Das eine gegen das andere aufzuwiege­n, wie es derzeit wieder versucht wird, verstellt dagegen den Blick auf Ursache und Wirkung.

Für diesen Blick ist auch die Tatsache wichtig, dass das Dritte Reich kein Unfall der Geschichte war und von vielen Menschen in Deutschlan­d mitgetrage­n wurde. Die Wurzeln liegen in historisch­en, politische­n und gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen lange vor 1933. Der einzige Schutz vor einer Wiederholu­ng ist das Wissen um diese Entwicklun­gen – und um die Mechanisme­n von Populismus, Nationalis­mus und Rassismus.

Seit 75 Jahren leben wir in Frieden und Freiheit. Garant dafür ist die demokratis­che Grundordnu­ng unserer Verfassung, die auch aus den Lehren des Zweiten Weltkriegs entstanden ist. Sie darf nie als garantiert hingenomme­n werden. Wir müssen uns aktiv für sie einsetzen. Dazu gehört die Erinnerung – heute mehr denn je.

@ Den Autor erreichen Sie unter Schoenborn@infoautor.de

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