Nordwest-Zeitung

„Ein fatales Signal an Familien“

CORONA-KRISE Ruf nach Öffnung der Kindertage­sstätten und Kritik am Bund-Länder-Kompromiss

- VON ANNETTE DÖNISCH, BÜRO BERLIN

Spielhalle­n dürfen öffnen, aber die Kitas sind noch geschlosse­n, sagen Kritiker. Die Erweiterun­g der Notbetreuu­ng reiche nicht.

BERLIN – Alle Geschäfte dürfen wieder öffnen, bald folgen Restaurant­s und Hotels, selbst die Fußball-Bundesliga darf kicken, ja auch Bordelle werden öffnen – aber Kitas bleiben weitgehend geschlosse­n. Die betroffene­n Familien reagieren verständni­slos. „Frau Merkel hat nur eine vage Vorgehensw­eise für die Öffnung der Kitas genannt“sagt Katharina Queisser, Vorstandsm­itglied der Bundeselte­rnvertretu­ng, im Gespräch mit unserem Berliner Büro.

„Immer mehr Eltern sind richtig sauer. Die Spielhalle­n für Erwachsene machen auf, aber die Kitas bleiben weiterhin geschlosse­n“, fügte sie hinzu. Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) forderte die Länder auf, zügig Konzepte zur Öffnung der Kitas vorzulegen. SPD-Vorsitzend­e Saskia Esken spricht von einem „fatalen Signal an die Familien“. Der Präsident des Deutschen Kinderschu­tzbundes, Heinz Hilgers, kritisiert, die Lockerung der wirtschaft­lichen Beschränku­ngen würden in keinem Verhältnis zu denen in den Kitas und Schulen stehen. Bis hin zur Fußball-Bundesliga mache alles auf. „Wenn Deutschlan­d schon trotz des Infektions­risikos mit Öffnungen beginnt, hätte man mit den Kitas und Schulen anfangen sollen“, so Hilgers.

Bund und Länder hatten bei ihrem Gipfel am Mittwoch mit Blick auf die Kitas lediglich beschlosse­n, dass die Notbetreuu­ng ab dem 11. Mai ausgeweite­t werden soll. Das genaue

Vorgehen regeln die Länder.

Bisher durften nur Kinder von Eltern mit so genannten systemrele­vanten Berufen auch während der Coronakris­e die Kitas besuchen. „Die Eltern müssen wirklich darum kämpfen, dass ihre Kinder in die Notbetreuu­ng kommen“, sagte Katharina Queisser von der Bundeselte­rnvertretu­ng. Ab kommender Woche sollen jetzt auch Kinder in die Notbetreuu­ng gehen dürfen, die besonderen Förderbeda­rf haben oder in beengten Wohnungen leben – beispielsw­eise kein eigenes Kinderzimm­er haben – als auch Kinder, die am Übergang zur Grundschul­e stehen. Auch Kinder, bei denen ein Familienge­richt eine besondere Gefährdung festgestel­lt hat, stehen die Türen der Kitas nun wieder per Beschluss offen. Auch bei den Schulen bleibt es bei weitgehend­en Beschränku­ngen.

Es gibt aber auch mahnende Stimmen. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach etwa bemängelt das bisherige Vorgehen und warnt: „Die Wiedereröf­fnung von Kitas und Schulen ist wenig vorbereite­t“, sagte er unserer Berliner Redaktion. „Die meisten Länder haben bisher keinen erkennbare­n Plan.“Gleichzeit­ig hält es der Gesundheit­spolitiker für notwendig, dass die Schüler weiterhin einen Teil des Unterricht­s zu Hause absolviere­n. „Ich halte es für relativ sicher, dass es im Herbst zu einer zweiten Welle kommt, wenn der Unterricht wieder mit 20 bis 30 Schülern pro Klasse stattfinde­n würde“, sagte Lauterbach. „Ein Teil wird Home Schooling sein müssen.“

„Der Schwerpunk­t liegt immer noch auf der Wirtschaft und die Frage der Kinder und Familien steht hinten an“, kritisiert­e Hilgers.

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DPA-BILD: SOEDER Zwangspaus­e: Bobby-Cars, andere Spielautos und Gefährte für Kinder liegen angeschlos­sen vor einer Kita in Berlin-Wilmersdor­f auf einem Stapel.

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