Trauma der Elterngeneration wirkt lange fort
Autoren beschäftigen sich verstärkt mit seelischen Kriegsfolgen
BONN – Lange haben sich die Deutschen nicht getraut, über ihre im Zweiten Weltkrieg erlittenen Kriegstraumata zu sprechen. Hatten sie damals nicht selbst den verheerenden Krieg angezettelt, der so viel Leid über Abermillionen Menschen in aller Welt brachte? Die damaligen Kriegskinder lernten, nach vorn zu blicken und ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Die Folgen: Die erlittenen seelischen Verletzungen wurden verdrängt, und das Unaufgearbeitete lebt in nachfolgenden Generationen bis heute fort.
Seit rund 20 Jahren rückt das Thema verstärkt ins Bewusstsein, auch durch zahlreiche Sachbücher. Allein Sabine
Bode hat mehrere Bücher über „Kriegskinder“und „Kriegsenkel“geschrieben. Immer mehr Menschen, die als Kind den Krieg erlebt haben, sterben inzwischen. Zunehmend erkennen deren Nachkommen, die sogenannten – etwa zwischen 1955 und 1980 geborenen – Kriegsenkel, dass sie eine traumatische Last mit sich herumtragen.
Ein Teil von ihnen leide „unter unerklärlichen Ängsten und einem unsicheren Lebensgefühl“, für das ihr bisheriges Leben gar keinen Grund biete, sagt Bode. Auch bei Neuanfängen seien sie „seltsam blockiert“, so die Kölner Journalistin und Expertin für das Thema seelische Kriegsfolgen. Zudem erklärten viele Kriegsenkel, dass sie ihre Eltern „emotional nicht erreichen können“.
Eine Beobachtung, die auch Matthias Lohre teilt. In seinem 2016 erschienenen Buch „Das
Erbe der Kriegsenkel“beschreibt er das diffuse Lebensgefühl, das diese Generation mit sich herumtrage: Heimatlosigkeit, Existenzangst, Selbstzweifel, Bindungsprobleme, ständige Anspannung, das Gefühl, bei den Eltern etwas wiedergutmachen zu müssen. Er zeigt darin anhand seiner eigenen Familiengeschichte die Zusammenhänge und Dynamiken auf, die traumatisierte Generationen miteinander verbinden.
Offenbar beschäftigt viele Menschen seiner Generation das Thema, beobachtet der Berliner Journalist. Bei allen vordergründigen Unterschieden gebe es offenbar „eine Gemeinsamkeit“– nämlich das Bewusstsein, „dass da etwas in der Familiengeschichte hakt“.
Mit dem Buch habe er wohl „vielen aus der Seele gesprochen – an dem Thema arbeiten sich gerade Millionen Menschen ab“. Der Autor wird häufig angefragt.
Einordnen, Spuren suchen, Verbindungen erkennen – damit beschäftigte sich auch Sebastian Heinzel über sechs Jahre lang. Er folgte den Spuren seines Großvaters, der als Wehrmachtssoldat in Weißrussland war. Ein Auslöser für seine Recherche waren immer wiederkehrende Albträume vom Krieg, die den Filmemacher (Jahrgang 1979) ab Mitte 20 verfolgten. Aus der Auseinandersetzung mit seiner Familiengeschichte entstanden der Kinofilm „Der Krieg in mir“und das ergänzende, gleichnamige Buch.