Nordwest-Zeitung

Politisch motivierte Straftaten steigen deutlich an

Delikte aus dem rechten und dem linken Spektrum – Taten kommen schneller zur Anzeige

- VON MICHAEL EVERS

Das gesellscha­ftliche Klima führt zu mehr Anfeindung­en. Doch auch eine andere Entwicklun­g macht sich in den Zahlen bemerkbar.

HANNOVER – Es geht um Beleidigun­gen, Hetze bis hin zu körperlich­en Attacken und Brandansch­lägen: Die politisch motivierte Kriminalit­ät in Niedersach­sen hat im vergangene­n Jahr zugenommen, und dies sowohl im rechten als auch dem linken Spektrum sowie beim Antisemiti­smus, wie Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) am Donnerstag bei der Vorlage des Lagebilds sagte. Die Zahl politisch motivierte­r Straftaten stieg 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 281 auf 3208. Neben einem sich wandelnden gesellscha­ftlichen Klima spielte auch die Europawahl eine Rolle, denn im Umfeld von Wahlen häufen sich Beschädigu­ngen und Schmierere­ien an Wahlplakat­en. Allerdings werden Taten auch schneller angezeigt, etwa von bedrohten Lokalpolit­ikern.

■ RECHTES SPEKTRUM

Die Zahl der Taten stieg von 1434 auf 1632, zu etwa zwei Dritteln handelt es sich um

Propaganda-Delikte wie Hakenkreuz-Schmierere­ien. 59 Fälle rechter Gewalt wurden aktenkundi­g, zumeist Übergriffe auf Migranten. Die Zahl fremdenfei­ndlicher Straftaten nahm von 461 auf 497 zu, Fälle rassistisc­her Hasskrimin­alität von 105 auf 122. In vier Fällen gab es Ermittlung­en wegen des Verdachts des Rechtsterr­orismus, verurteilt wurden ein Vater und sein Sohn, die in Hannover ein Waffenarse­nal gehortet hatten. Zwei andere

Verfahren sind noch nicht abgeschlos­sen.

■ REICHSBÜRG­ER

Die Zahl der sogenannte­n Reichsbürg­er, die die Bundesrepu­blik Deutschlan­d nicht anerkennen, schätzen die Behörden gleichblei­bend auf 1300. Ihnen werden 77 Taten zugeschrie­ben nach 106 im Vorjahr. Meist ging es um Beleidigun­gen von Amtsperson­en und Nötigungen, 34 der Taten waren rechtsmoti­viert.

■ LINKES SPEKTRUM

Die Zahl der Taten stieg von 556 auf 801. Es gab 74 linksmotiv­ierte Gewaltdeli­kte, Opfer waren meist Polizeibea­mte oder politische Gegner wie Studenteng­ruppierung­en oder Vertreter der AfD. Es gab zwei Brandstift­ungen, eine betraf das Auto eines AfD-Mitglieds, die zweite ein Gebäude der Ausländerb­ehörde in Göttingen, an dem ein Schaden von mehreren Hunderttau­send Euro entstand. Rund ein Fünftel linker Taten stand in Zusammenha­ng mit der Europawahl, dabei ging es um das Beschädige­n oder Entfernen von Wahlplakat­en rechtsgeri­chteter Parteien. Schwerpunk­te der linken Szene sind Göttingen und Hannover.

■ ANTISEMITI­SMUS

Die Zahl antisemiti­scher Straftaten erhöhte sich von 115 auf 179. Überwiegen­d handelte es sich um Propaganda­delikte und Verleumdun­gen. „Da werden wir sehr genau hingucken, wie sich das entwickelt“, sagte der Innenminis­ter.

■ AMTS-/MANDATSTRÄ­GER

Taten etwa gegen Lokalpolit­iker oder Bürgermeis­ter legten deutlich von 106 auf 180 zu. Die Betroffene­n hätten dabei den Rat der Sicherheit­sbehörden befolgt, konsequent­er An

zeige zu erstatten, wenn sie Drohbriefe oder -mails erhalten, es zu Farbschmie­rereien, Beleidigun­gen oder Beschädigu­ngen an Autos kommt. ■ FREMDE IDEOLOGIE

Die Fälle politisch motivierte­r Ausländerk­riminalitä­t sanken von 339 auf 265. Zumeist ging es dabei um Auseinande­rsetzungen nationalis­tischer Türken und Kurden in Zusammenha­ng mit dem Syrienkonf­likt.

■ RELIGIÖSE IDEOLOGIE

Rückläufig waren ebenfalls Straftaten in Zusammenha­ng mit einer religiösen Ideologie, ihre Zahl sank von 59 auf 34. „Der Rückgang der Fallzahlen im Bereich des islamistis­ch geprägten Terrorismu­s bedeutet nicht, dass wir hier Entwarnung geben könnten“, sagte Pistorius. Zunehmend beschäftig­ten zudem die Rückkehrer aus den Dschihadge­bieten die deutschen Behörden.

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DPA-ARCHIVBILD: STEFFEN Stellte die Statistik vor: Niedersach­sens Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius (SPD)

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