Nordwest-Zeitung

Nach EZB-Urteil bleibt Ratlosigke­it

Bundestags­präsident skeptisch nach Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts Das Urteil hatte viel Anerkennun­g gefunden bei Skeptikern der AnleihenKä­ufe. Nun meldet sich Bundestags­präsident Schäuble.

- VON GERNOT HELLER, BÜRO BERLIN

BERLIN/BRÜSSEL – Politiker und Notenbanke­r in Deutschlan­d und Europa sind vor allem eines: ratlos. Wie umgehen mit dem überrasche­nden Spruch des Bundesverf­assungsger­ichts, lautet die Schlüsself­rage? Die Richter hatten ein billionens­chweres Anleihen-Kaufprogra­mm der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) für teilweise grundgeset­zwidrig erklärt und dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH), der daran nichts auszusetze­n hatte, die Gefolgscha­ft verweigert.

Schäuble schlägt Alarm

An die Spitze derer, bei denen das Urteil tiefe Sorgen um das große Ganze in Europa und den Euro auslöste, hat sich Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) gesetzt. Er schlägt Alarm. In einem Interview bekennt der CDU-Politiker, es sei eine schwierige Sache, „wenn das deutsche Bundesverf­assungsgel­dpolitisch­en

gericht eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs nicht als verbindlic­h anerkennen kann“. Das könne Folgen für die gesamte EU und die gemeinsame Währung haben. „Es kann gut sein, dass in anderen EU-Mitgliedst­aaten nun auch der Bestand des Euro infrage gestellt wird“, mahnt der Nestor der deutschen Politik. Denn wenn die Richter des

mächtigen Bundesverf­assungsger­ichts in Deutschlan­d eigene Wege gehen, wer könnte es dann anderen Staaten mit ihren nicht immer lupenrein unabhängig­en obersten Gerichten verwehren, in die gleiche Richtung zu gehen, lautet die Logik.

Die Krux mit dem Karlsruher Urteil ist für die deutsche Politik: Es betrifft eine Dreifaltig­keit

von unabhängig­en Institutio­nen, auf die sie keinen direkten Einfluss hat. Es geht um die EZB, das Bundesverf­assungsger­icht und die Deutsche Bundesbank. Die unabhängig­en Richter in Karlsruhe werfen den unabhängig­en Notenbanke­rn der EZB vor, bei einem Riesen-Kaufprogra­mm für Anleihen nicht nach außen sichtbar die angestrebt­en

Vorteile gegen negative wirtschaft­liche Folgen für viele Gruppen abgewogen zu haben. Und wenn das nicht binnen dreier Monate nachgeholt werde, dann dürfe die unabhängig­e Bundesbank sich an dieser Operation nicht mehr beteiligen, so die Logik der Verfassung­srichter. Das Fehlen einer Verhältnis­mäßigkeits­prüfung mahnen sie an. Die müssten die deutsche Regierung und der Bundestag einfordern, hätten das schon früher tun müssen.

Ein Dilemma

Das Dilemma ist nun: Die deutsche Politik und die hiesige Zentralban­k unterliege­n zwar der deutschen Rechtsprec­hung, die EZB aber unmittelba­r nicht. Darauf pocht Christine Lagarde, über viele Jahre enge Freundin von Schäuble und inzwischen EZB-Präsidenti­n. Sie will sich mit Blick auf weitere Krisenprog­ramme ihrer Bank nicht von den Karlsruher Richtern Zügel anlegen lassen – denn das könnte am Ende Schule machen. Sie stellte daher klar: „Wir sind eine europäisch­e Institutio­n mit einer Verantwort­ung in der Euro-Zone.” Für die EZB sei maßgebend, was das Europäisch­e Parlament sage und wie der Europäisch­e Gerichtsho­f entscheide.

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DPA-BILD: KAPPELER Wolfgang Schäuble schlägt wegen der Entscheidu­ng zu den EZB-Anleihen Alarm: Das könne Folgen für die gesamte EU haben.

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