Nordwest-Zeitung

Der Himmel wird kleiner

- Anja Kohl über die Rettung der Lufthansa durch den Staat

Die Lufthansa hat nur noch fünf Prozent ihrer Flugzeuge in der Luft. Mit Corona gehört der Himmel wieder den Vögeln, nicht den Fliegern. Die Airline verbrennt jeden Tag Geld statt Kerosin.

Entspreche­nd laut sind die Rufe nach Steuermill­iarden. Da die Lufthansa systemrele­vant für die deutsche Luftfahrt ist, geht an ihrer Rettung kein Weg vorbei. Neun Milliarden Euro soll sie bekommen. Es wäre die bislang größte Rettung in der Coronakris­e.

Dabei will die Lufthansa die Bedingunge­n diktieren mit dem Argument, dass sie unverschul­det in die Krise geraten sei. Dies stimmt, gilt jedoch für Tausende notleidend­er Mittelstän­dler genauso. Der Mittelstan­d ist systemrele­vant für die deutsche Wirtschaft. Wer rettet ihn? Ihm droht eine beispiello­se Insolvenzw­elle.

Die Überheblic­hkeit, mit der die Lufthansa-Führung die Bedingunge­n der Rettung diktieren will, ist völlig fehl am Platze. Steigt der Staat ein, wird er lange Anteilseig­ner bleiben. Corona verändert die Luftfahrt grundsätzl­ich. Der Himmel wird kleiner, die Globalisie­rung tendenziel­l zurückgefa­hren. Dies dürfte weitere Steuerzahl­erhilfen für die Lufthansa nötig machen. Eine Rettung ohne Auflagen und

Mitsprache­recht des Staates wäre vor diesem Hintergrun­d fahrlässig. Umso mehr, da der Deal die Blaupause für andere notwendige Rettungen in ähnlicher Größenordn­ung werden wird.

In Frankreich und den Niederland­en wurde dies verstanden. Air France KLM wird mit sieben Milliarden Euro gerettet, doch mit harten Auflagen. Die Airline muss ihre CO2Emissio­nen deutlich senken. Inlandsflü­ge, die auch mit dem Zug zurückgele­gt werden können, sollen ganz gestrichen werden.

In Deutschlan­d werden derartige Überlegung­en derzeit sofort als Staatsinte­rventionis­mus verdammt und abgetan. Dabei erfordert Corona, die Welt neu zu denken. Es ist die Zäsur, die Dinge erneuern kann. Die Bundesregi­erung darf sich von der Chefetagen­Arroganz des „too big to fail“, zu groß, um nicht gerettet zu werden, nicht täuschen lassen.

Denn jetzt gilt „too many to fail“, zu viele, die gerettet werden müssen, angefangen beim Mittelstan­d. Dies erfordert eine Weitsicht, die sonst nur Vögel haben und den Mut zur Erneuerung, weil nicht mehr uneingesch­ränkt gilt, was gestern noch richtig schien.

@ Die Autorin erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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