Nordwest-Zeitung

Er machte Cewe zu Europas Nummer 1

Heinz Neumüller wurde vor 100 Jahren geboren – Heute 2,4 Milliarden Fotos

- VON KARSTEN RÖHR

Ravioli mit Tomatensau­ce als Tagesgeric­ht, Obstdesser­t im Glas und Schokolade aus dem Automaten: Schnappsch­uss aus der Kantine, die Cewe 1965 einrichtet­e.

Carl und Helene Wöltje legten den Grundstein, Heinz Neumüller prägte die Geschichte fünf Jahrzehnte. Wie schufen der Cewe-Gründer und die Wöltje-Tochter Sigrid Neumüller die Basis für den heutigen Erfolg?

OLDENBURG – Hochzeitsf­otos im Schlossgar­ten, die Familie am Strand in Sizilien, auf Borkum, erste Bilder vom Baby, ewige Erinnerung­en – alle dank Cewe. 2,4 Milliarden Bilder hat Europas führender Fotoservic­e im vergangene­n Jahr über seine 20 000 Handelspar­tner ausgeliefe­rt. 4200 Cewe-Mitarbeite­r in 21 Ländern haben sich darum gekümmert. Zum dritten Mal hintereina­nder hat das Unternehme­n gerade den globalen Preis „Best Photo Service Worldwide“erhalten für das Cewe Fotobuch. 6,62 Millionen davon wurden 2019 in Auftrag gegeben.

Wem diese Erfolgsges­chichte wesentlich zu verdanken ist? Für Cewe ist das keine Frage: „Im Mittelpunk­t der Historie steht ein Mann, der das Unternehme­n wie kein anderer geprägt hat: Firmengrün­der Senator h.c. Heinz Neumüller. Er führte den Fotodienst­leister vom kleinen Laborund Handelsbet­rieb in Oldenburg zu einem europaweit agierenden Spitzen-Unternehme­n“, sagt der Cewe-Vorstand.

Über 50 Jahre hat Neumüller, der am 1. Mai „100“geworden wäre, bei Foto Wöltje und dem 1961 gegründete­n „Cewe Color“das Fotofinish­ing-Geschäft aufgebaut. Mit seiner ersten Frau Sigrid – jüngere Tochter von Carl und Helene Wöltje – und loyalen Partnern hat Neumüller Cewe (aus den Initialen des Wöltje-Gründers) groß gemacht. Bis 1992 war er

Cewe-Geschäftsf­ührer, dann Aufsichtsr­atsvorsitz­ender bis kurz vor seinem Tod 1998, den er selbst bestimmte.

Den Grundstein für die heutige Cewe-Gruppe, die Hubert Rothärmel 1993 an die Börse gebracht hat, bildete in den 60ern das erste Cewe Color Großlabor am Meerweg, das mit dem Umstieg auf die Farbfotogr­afie für einen Quantenspr­ung sorgte.

Heinz Neumüller unternimmt alles, um Cewe weiter gedeihen zu lassen. Mit Sigrid bildet er ein eingespiel­tes Team. Sie beobachten ihre Branche und Kundenwüns­che genau, reisen von der Photokina in Köln zur Weltausste­llung in Osaka und haben den Mut, neue Ideen auszuprobi­eren. Die Farbfotogr­afie wird so ihr großes Geschäftsf­eld. Besonders Heinz Neumüller brennt für die farbige Welt. Um 1960 reift der Plan für einen Fotofinish­ing-Betrieb im industriel­len Maßstab. Es ist der Startschus­s für eine ungeahnte Entwicklun­g. Sie machen ihr Labor zum modernsten des

Die 50er-Jahre: der Katalog von Photo-Wöltje

Landes, fertigen lukrativ in Lizenz für Agfa – und wachsen und wachsen. Die Menschen fotografie­ren auch immer mehr: Familienfe­iern, Sonntagsau­sflüge, Urlaubsrei­sen. 1968 macht Cewe Color schon 330 Millionen Fotos, zwei Jahre später 500 Millionen.

Der Sprung ins Heute gelang später unter neuer Ägide mit der Transforma­tion von Analog- zu Digitalfot­o-Produkten

Reiseerinn­erungen – müssen in Farbe sein.

im Fotofinish­ing und dem Online-Druck von Geschäftsd­rucksachen. Cewe, im SDAX gelistet, erzielte 2019 einen Konzernums­atz von 714,9 Mio. Euro.

Dieser Umstieg allerdings war etwas, über das auch Heinz Neumüller erstmal eine Nacht schlafen musste. CewePresse­sprecher Christian Stamerjoha­nns sagt: „Legendär bei uns ist seine erste Reaktion

auf die Präsentati­on der ersten digitalen Fotoannahm­estation: ,Sie zerstören mein Lebenswerk!’ – nur, um am nächsten Tag die unternehme­rischen Chancen zu ergreifen.“

Dieser Unternehme­rgeist zieht sich durch, von Carl Wöltje bis heute. Stamerjoha­nns sagt: „Heinz Neumüller wollte technisch und in den Arbeitspro­zessen immer Vorreiter sein. Dafür durften seine Führungskr­äfte sehr selbststän­dig arbeiten und Neues ausprobier­en.“Und auch wenn er im Alltag nicht immer ein einfaches Gegenüber gewesen sei, habe er seine Mitarbeite­r sehr geschätzt und „in Notlagen persönlich für Unterstütz­ung gesorgt“.

Cewe habe sich Werte wie diese und den Blick für Neues immer bewahrt, unter Einbeziehu­ng des gesamten Teams, sagt Christian Friege, Vorstandsv­orsitzende­r der Neumüller Cewe Color Stiftung, über das Geheimnis der Fortführun­g von Neumüllers Erfolg: „Unsere Innovation­sabteilung hat 4200 Mitarbeite­r.“

Nach Ende des Kriegs

macht er ein Volontaria­t bei der Schiffbau Unterweser AG und lernt 1946 in Sigrid Wöltje kennen – als er sich von ihr porträtier­en lässt. Ein Jahr später heiraten sie. Das Paar adoptiert zwei Kinder, Tim und Christiane Neumüller. Ab 1961 baut er extrem erfolgreic­h das von ihm gegründete Cewe Color zu Europas führendem FotoServic­e auf. Nachdem sich Sigrid Neumüller 1971 das Leben genommen hat, heiratet Heinz Neumüller seine zweite Frau Ute. Nach der Scheidung heiratet er 1977 zum dritten Mal: Mit seiner Ehefrau Petra hat er zwei Kinder, Alexander und Caroline Neumüller. Auch diese Ehe wird geschieden.

In seiner Freizeit

segelt Heinz Neumüller viel, auch mit der Familie, er jagt und spielt Tennis. Neben dem Oldenburge­r Land wird Kalifornie­n zu einem Lebensmitt­elpunkt: Mit seiner Frau Petra überwinter­t er in Los Angeles.

Neumüller ist in 17 Ehrenämter­n

aktiv (u.a. Arbeitgebe­rverband und IHK). Er ist Ehrensenat­or der Universitä­t Oldenburg. Seine Stiftung fördert dort – bis heute – Promoviere­nde (im Bereich Technik, Informatik, Wirtschaft­s-, Rechts- und Naturwisse­nschaften. Für seine Verdienste erhält er Heinz Neumüller höchste Auszeichnu­ngen.

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(1. Mai 1920 - 22. November 1998) stammte aus Merseburg (Saale), der Vater war Generalsta­bsarzt beim Militär. Während eines U-Boot-Einsatzes wird Neumüller 1943, inzwischen Oberleutna­nt zur See, schwer verwundet und verliert ein Bein. Die starken Schmerzen aus der Amputation werden ihn zeitlebens körperlich und seelisch belasten.
BILD: CEWE Führten das Unternehme­n über viele Jahre: Heinz und (links neben ihm) Sigrid Neumüller. (1. Mai 1920 - 22. November 1998) stammte aus Merseburg (Saale), der Vater war Generalsta­bsarzt beim Militär. Während eines U-Boot-Einsatzes wird Neumüller 1943, inzwischen Oberleutna­nt zur See, schwer verwundet und verliert ein Bein. Die starken Schmerzen aus der Amputation werden ihn zeitlebens körperlich und seelisch belasten.
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BILD: CEWE
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BILD: CEWE
 ?? BILD: CEWE ?? So sah es aus: Während im hinteren Bereich entwickelt und vergrößert wird, ist vorne die Domäne der Verkäufer.
BILD: CEWE So sah es aus: Während im hinteren Bereich entwickelt und vergrößert wird, ist vorne die Domäne der Verkäufer.
 ?? BILD: CEWE ?? Farbige Welt von Cewe und Ende der Einzel-Dunkelkamm­er: Rollen-Positivent­wicklungsm­aschinen am Meerweg.
BILD: CEWE Farbige Welt von Cewe und Ende der Einzel-Dunkelkamm­er: Rollen-Positivent­wicklungsm­aschinen am Meerweg.
 ?? BILD: CEWE ?? Vielen noch in Erinnerung: Ein Geschäftse­ingang, wie er sich in der Heiligenge­iststraße bot.
BILD: CEWE Vielen noch in Erinnerung: Ein Geschäftse­ingang, wie er sich in der Heiligenge­iststraße bot.
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BILD: CEWE
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BILD: CEWE

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