Schutzmasken sind für sie ein Problem
Gehörlose und Schwerhörige brauchen Blick auf Gesichter – Herausforderung Einkauf
Im Alltag begegnen uns Mund-Nase-Abdeckungen immer öfter. Während vielen vor allem das Atmen dadurch schwer fällt, stellt die Maskenpflicht andere vor viel größere Probleme. Doch es gibt Möglichkeiten, zu helfen.
OLDENBURG – „Ängste, großen Stress und viele Missverständnisse“: So beschreibt Ulla Bartels, 1. Vorsitzende des Allgemeinen Gehörlosenvereins Oldenburg, den aktuellen Alltag der rund 300 in Oldenburg lebenden Gehörlosen und Schwerhörigen. Der Grund: die Maskenpflicht.
Gesicht sagt viel aus
Denn durch die Maske werden große Teile des Gesichtes bedeckt. Doch Gehörlose und Schwerhörige benötigen diese Partien, um zu kommunizieren. „Auch wenn wir nur 30 Prozent der gesprochenen Sprache vom Mund absehen können, so brauchen wir doch das Mundbild und Gesicht, um davon Stimmungen des Gesprächspartners ableiten zu können“, sagt Bartels.
„Wir lesen jede Menge vom Mundbild ab“, fasst die elfjährige Renée Sophie Krause zusammen. Sie ist in der vierten Klasse des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte (LBZH) in Oldenburg. Wie schwierig die Verständigung mit einer Maske zum Beispiel beim Einkaufen ist, verdeutlicht ihre Klassenlehrerin Katrin Hoehne mit einem Spiel:
Maske auf und schon ist die Verständigung erschwert: Die Schüler des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte in Oldenburg haben Probleme mit den Masken.
Sie sagt zum Beispiel „Tomate“oder „Banane“, und einer der Schüler soll anhand des Mundbildes herausfinden, was sie gesagt hat. Das schaffen alle Schüler ohne Probleme. Nur mit einer Maske sieht das ganz anders aus. Plötzlich weiß niemand mehr, was die Lehrerin sagt.
Bartels hat bereits viele Schwierigkeiten beim Einkaufen erlebt: „Manchmal bekomme ich nicht mit, dass ein Verkäufer mich was gefragt hat und dann plötzlich böse und aggressiv reagiert, weil ich ihn so nicht verstehe“, schildert die Vorsitzende ihre Erlebnisse. Dass manche Kassenbereiche mit Blindfolie abgedeckt sind, verschlechtert die Lage ebenfalls: „Da sehe ich den Verkäufer nicht und versuche, durch das kleine Loch raus zu bekommen, wie viel ich bezahlen muss“, sagt Bartels.
Um diese Probleme zu umgehen, versuchen die Betroffenen verschiedene Möglichkeiten wie schriftliche Kommunikation mit dem Handy oder Tablet. Zudem wird darum gebeten, die Maske herunterzuziehen. „Oft wird das aber nicht verstanden, und die Gesprächspartner wollen das nicht, um sich selbst zu schützen“, sagt die Vorsitzende.
Bartels betont, dass ein Mundschutz durchaus wichtig ist und jeder das Recht hat, sich zu schützen. Aber es müsse für die Betroffenen mehr Verständnis und Geduld von den Guthörenden geben.
Hörgeräte und Masken
Ein weiteres Problem ist der Aufbau der Masken. In der Regel werden sie mit Schlaufen an den Ohren befestigt. Doch dort haben viele Betroffene
ihre Hörgeräte. Beim zehnjährigen Schüler des LBZH Leon Fromm sind dadurch schon die transparenten Schallschläuche, die ins Ohr geführt werden, herausgegangen, wie der Viertklässler berichtet. Deshalb ist er auf eine Maske umgestiegen, die mit einem Band um den Kopf gehalten wird.
Bartels spricht sich für das Tragen von Masken mit einem Sichtfenster oder transparenten Masken aus. Das würde allerdings nur helfen, wenn sie sowohl von Gehörlosen als auch Guthörenden getragen wird. „Damit würden Sie uns ganz viel helfen, wieder stressfrei kommunizieren zu können“, sagt Bartels.
Die Schüler der LBZH sind ebenfalls für diese Art von Schutzmasken. Es würde aber auch schon etwas bringen, wenn die Guthörenden langsamer
Ulla Bartels: Sie ist für transparente Masken.
und lauter reden, erklären die zehnjährige Marie Henze und der elfjährige SilasOrell Hoffmann. Damit sei ihnen schon etwas geholfen.
Ruth Krtschal
Lotta und Tilda
Uwe Hartz