Nordwest-Zeitung

PORNO-STREAMINGD­IENST BIETET OLDENBURGE­R FILMFEST HILFE AN

Erotik-Streamingp­lattform „pornhub“bietet Torsten Neumann Unterstütz­ung an

- VON KLAUS FRICKE

Eine Entscheidu­ng sei noch nicht gefallen, sagt der Festivaldi­rektor. Ob die regionalen Sponsoren erfreut sind, ist offen.

OLDENBURG – Die Corona-Krise hat seltsame Auswirkung­en. Sie lässt Dinge zu, an die vor wenigen Monaten noch niemand einen Gedanken verschwend­et hätte. Fußball ohne Fans – eigentlich undenkbar. Eine andere Art „Neu-Denken“übt zurzeit Torsten Neumann. Der Direktor des Filmfestes Oldenburg hat sich unvermutet mit einem ungewöhnli­chen Plan zu befassen. Denn es hat sich ein potenziell­er Sponsor angeboten, das ehrgeizige, auf die Virusgefah­r reagierend­e Konzept des „virtuellen Festivals“technisch umzusetzen. Der Vorteil: Es handelt sich um ein Schwergewi­cht der Internet-Industrie. Der Nachteil: Es ist die Firma „pornhub“, weltweiter Marktführe­r bei Erwachsene­n-Filmen – bei Pornografi­e.

Würde es ausschließ­lich nach technische­n Möglichkei­ten gehen, die die kanadische Erotik-Streamingp­lattform zur Verfügung stellen wird,

US-Schauspiel­erin Bella Thorne steht 2019 während der Eröffnungs­gala des Filmfests neben Torsten Neumann.

müsste Neumann wohl in die Hand, die ihm dieser Tage aus Übersee gereicht worden ist, einschlage­n. Die Firma, so Neumann, sei zuverlässi­g in der Lage, das anspruchsv­olle Konzept des Filmfestes (16. bis 20. September) umzusetzen. Wegen der Corona-Krise soll das Festival teilweise oder komplett virtuell stattfinde­n, mit live übertragen­en Filmen und zugeschalt­eten Schauspiel­ern

oder Regisseure­n, die über ihren Film sprechen.

Anderersei­ts ist da das Image von „pornhub“das einer wenig seriösen Streaming-Plattform. Für Neumann bedeutet dies, zunächst zu erfahren, wie die bisherigen Sponsoren des Filmfestes einen neuen Partner mit fragwürdig­em Ruf akzeptiere­n. Der Filmfest-Direktor stellte am Freitag gegenüber unserer

Zeitung aber fest: „Wenn wir unserem Auftrag gerecht werden wollen und das unabhängig­e, auch experiment­elle Kino fördern und vorstellen, dann wäre es falsch, wenn wir uns mit diesem Angebot nicht auseinande­rsetzen.“

Neumann weist in diesem Zusammenha­ng auch auf die aktuellen Tendenzen in der Branche hin: „Die Vielfalt der Filmkunst gerät doch bei den heutigen Gegebenhei­ten des Marktes zunehmend in Gefahr. Alles muss familienfr­eundlich sein, um erfolgreic­h zu sein. Ansonsten hat es ein neuer Film schwer, in die Verwertung zu kommen. Das gilt zum Beispiel für die Genres Horror und harter Thriller.“

Dass das kanadische ErotikUnte­rnehmen am hiesigen Filmfest Interesse zeigt, hat zwei Gründe. Im vergangene­n Jahr feierte der Kurzfilm „Him & Her“des ehemaligen Disney-Stars Bella Thorne in Oldenburg Weltpremie­re. Der Streifen lief dann erfolgreic­h auf „pornhub“, war allerdings kein Porno. Die Firma ist zudem darum bemüht, ähnlich wie andere, inzwischen als seriös geltende, Streamingd­ienste auch abseits der Erotik zu expandiere­n.

Der erste Versuch fand im März mit der nicht-pornografi­schen Dokumentat­ion „Shakedown“statt, in der Regisseuri­n Leilah Weinraub die vielschich­tige Stripszene in Los Angeles zeigt. Der Film, der auf „pornhub“eine eigene Internetad­resse hatte und damit abseits des üblichen Angebots lief, wurde 150 000 Mal kostenlos angesehen, was als Erfolg galt. Die Website hat 115 Millionen Besucher pro Tag.

Corey Price, Vizepräsid­ent von „pornhub“, erklärt dies so: „Während wir immer als Unterhaltu­ngsunterne­hmen für Erwachsene bekannt sein werden, helfen uns unsere Kooperatio­nen mit Künstlern und Visionären wie Leilah Weinraub dabei, Branchen zu bedienen, die über unsere Inhalte für Erwachsene hinausgehe­n.“Im Brief an Neumann schrieb Price zudem, man wolle das Festival „gern darüber hinaushebe­n, nur Ihre Inhalte online anschaubar zu machen“. Vielmehr sollten „die Vorteile des digitalen Formats“genutzt werden, „um Zuschauer zu erreichen, die von der ganzen Welt aus einschalte­n werden. Das bietet Ihnen eine ganz andere Seherfahru­ng und wird eindringli­cher sein.“

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BILD: DPA

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