Der lange Weg zur Grundrente
Das sagen Gegner und Befürworter – Worum es geht und wo die Probleme liegen
Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist, sagte einst Peter Struck. Das könnte auch jetzt der Fall sein.
BERLIN – Nach langen Diskussionen ist die umstrittene Grundrente am Freitag im Bundestag auf den parlamentarischen Weg gebracht worden. Anlässlich der ersten Beratung des Gesetzes bezogen Befürworter und Gegner des Projekts noch einmal deutlich und mit zum Teil scharfen Worten Stellung.
SPD, Gewerkschaften und Sozialverbände forderten eine zügige Umsetzung. Die Wirtschaft würde das Vorhaben dagegen am liebsten versenkt sehen. Vom Regierungspartner Union kamen unterschiedliche Signale: Hessens Ministerpräsident und CDU-Bundesvize Volker Bouffier stellte die Grundrente ganz infrage, andere Unionspolitiker sicherten dem Koalitionspartner SPD Vertragstreue zu.
■ WORUM ES GEHT
Die Grundrente sollen Menschen bekommen, die jahrelang für wenig Geld gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben. Ihre rechnerische Rente fällt durch die geringen Beiträge, die eingezahlt wurden, sehr klein aus. Die Rente soll deshalb aufgestockt werden, laut Sozialministerium um durchschnittlich 75 Euro brutto im Monat. Maximal kann sich im Einzelfall sogar ein Zuschlag von gut 400 Euro brutto ergeben. Profitieren sollen im geplanten Startjahr 2021 rund 1,3 Millionen Menschen, davon 70 Prozent Frauen. Voraussetzung sind mindestens 33 Beitragsjahre.
■ FINANZIERUNG
Kosten soll die Grundrente laut Gesetzentwurf bis 2025 zwischen 1,3 und 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. In der Union sind einige der Meinung, dafür fehle jetzt das Geld angesichts der Milliardenausgaben für Rettungsmaßnahmen in der CoronaKrise. Klar ist: Die Grundrente soll aus Steuermitteln finanziert werden, nicht aus höheren Rentenbeiträgen. Dazu sollte eigentlich eine Finanztransaktionssteuer – eine Abgabe auf Finanzgeschäfte – eingeführt werden. Die gibt es bisher nicht.
■ BEDÜRFTIGKEIT
Ein anderer Streitpunkt war von Anfang an die sogenannte Bedürftigkeitsprüfung. Eine Berechnung, ob ein potenzieller Grundrentenbezieher den Rentenaufschlag auch wirklich braucht. Nach langem Kampf hatten Union und SPD sich geeinigt: Es soll nicht das Vermögen eines Rentners, aber sein mögliches Einkommen neben der Rente überprüft werden. Alleinstehende Rentner sollen 15000, Partner 23 400 Euro im Jahr dazuverdienen dürfen, ohne dass es auf die Grundrente angerechnet wird, heißt es im Gesetzentwurf.
■ PROBLEME
Die Rentenversicherung braucht für die Einkommensprüfung die Daten der Finanzämter, wo die Steuerbescheide der Betroffenen liegen. Dafür muss noch ein schneller automatischer Datenaustausch eingerichtet werden. Die Rentenversicherung hatte schon Ende 2019 vor einem hohen Verwaltungsaufwand gewarnt: „Angesichts mehrerer Millionen laufender Renten, die zu prüfen wären, ist der relativ kurze Zeitraum bis zum 1. Januar 2021 für Entwicklung und Einsatz einer voll automatisierten Lösung aus Sicht der Rentenversicherung problematisch“, so die Präsidentin Gundula Roßbach. Inzwischen ist die Rede davon, dass die Grundrente zwar am 1. Januar starten soll, die Auszahlung aber später und rückwirkend stattfinden könnte.
■ WIE ES WEITERGEHT
Der frühere SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte vor Jahren das berühmte „Strucksche Gesetz“geprägt: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingekommen ist. Das dürfte jetzt auch mit der Grundrente passieren. Die Fraktionen verhandeln nun in den Ausschüssen weiter. Zur Abstimmung kommt die Grundrente erst wieder auf die Tagesordnung, wenn ein Kompromiss gefunden ist. Die SPD fordert, dass das noch vor der Sommerpause passiert.