Vom Ausschlachten der Seuche
Polit-Aktivisten aller Art kochen in der Corona-Krise ihr Süppchen
Jede Krise ist wie ein kräftiges Feuer, an dem so mancher politische Küchenmeister versucht, sein Süppchen zu kochen. Das gilt auch für die Corona-Krise. Da geht es darum, Weltbilder zu zementieren und Propaganda zu platzieren. Aktivisten quer durch die politische Landschaft versuchen, ihre Narrative und politischen Programme unter die Leute zu bringen – vor allem mit „Argumenten“, die – flankiert von einem donnernden „Wir haben es schon immer gewusst!“– die Seuche nahtlos in das eigene Weltbild einbauen.
Fast schon kurios beginnt die Tour durch die heiße Küche bei Abstinenzlern verschiedener Couleur. Während in Südafrika die Regierung die Gelegenheit nutzt, den Verkauf von Alkohol als volkspädagogische Maßnahme zu untersagen, forderte in Deutschland die Organisation Pro Rauchfrei, den Verkauf von Tabakwaren zu verbieten. Damit würden alle „effektiven Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus“ausgeschöpft. Da ist auch die sogenannte „Tierrechtsorganisation“Peta nicht weit, die im März mit der steilen These an die Öffentlichkeit ging, nur der Veganismus sei in der Lage, Erkrankungen wie Covid-19 zu verhindern.
Vulgärmarxismus
Während Peta das Verspeisen von Tieren für die Ursache allen Übels hält, ist es bei der Linkspartei, anderen roten und grünen „Progressiven“aber auch antiliberalen Rechtsauslegern natürlich der böse „Kapitalismus“. Ja, es war der schreckliche US-Imperialismus, der das Virus gezielt gezüchtet hat! Das meint jedenfalls Mehmet Yildiz (Linkspartei), Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft. Er ist sich ganz sicher:
„Corona ist ein Labor Virus und dient den Imperialisten dazu, China aufzuhalten und den Klassenkampf von oben zu verschärfen.“Für die linke Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic ist klar: „Die CoronaKrise wurde durch den Kapitalismus verursacht.“
Weil man den Kapitalismus aber realistisch betrachtet doch nicht ganz so schnell los wird, soll es wenigstens ein Vorsüppchen zum sozialistischen Paradies sein, das da am Corona-Feuerchen bereitet wird. Die Zutaten sind bunt gemischt und reichen vom „bedingungslosen Grundeinkommen“und jeder Menge sozialer Wohltaten auf Kosten anderer über Enteignungen und das kräftige Anziehen der Steuerschraube bis hin zum Flugverkehr, den der LinkenPolitiker Michael Neuhaus
gern unter „demokratische Kontrolle“stellen möchte. Im Klartext bedeutet das, eine linientreue Nomenklatura soll entscheiden, wer noch in ein Flugzeug steigen darf.
Das alles ist in Wirklichkeit nur aufgewärmte Kohlsuppe von vorgestern, aber es wäre sicher interessant, wie sich ein sozialistisches Paradies wie die DDR, in der es dies fast alles in der einen oder anderen Form gab, in Corona-Zeiten geschlagen hätte – angesichts des völlig maroden Gesundheitssystems, überall fehlender Ressourcen und Waren sowie einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf Drittweltniveau.
Die Ironie solcher „Kapitalismuskritik“offenbart sich auch darin, dass ausgerechnet die in antikapitalistischen
Kreisen am meisten verhasste Industrie – die Pharmaindustrie – nun der Welt Erlösung vom Virus bescheren soll. Der platte Vulgärmarxismus enttarnt sich zudem, da ausgerechnet erzkapitalistische Länder wie Korea, Taiwan oder Singapur die China-Seuche am besten in den Griff bekommen und weil Corona eben aus China stammt, wo sozialistische Repressionstechniken noch immer in Reinform zu besichtigen sind.
Wieder andere kochen am grünlackierten Autoritarismus. Hier ist die Hauptzutat die Mär vom Planeten Erde, der sich angeblich „wehrt“. Gegen den Menschen natürlich. Unfug dieses Kalibers verbreiten sowohl Leute, die es besser wissen sollten, als auch solche, von denen man das nicht annehmen darf. Zu ersteren zählen etwa der Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin und die beiden Direktoren des Potsdamer Institutes für Klimafolgenforschung.
Zur zweiten Kategorie mag man den deutschen FußballÜbungsleiter Joachim Löw rechnen, der zu Protokoll gab, die Welt „scheine sich ein bisschen zu wehren gegen den Menschen“sowie den Regisseur Detlev Buck, der glaubt, „die Erde will ihre Ruhe haben. Das entnehme ich dieser Krise ganz deutlich.“
Natürlich „wehrt“sich da niemand. Ein Planet hat kein Bewusstsein, und Seuchen sind nicht seine Waffen. Weder mit den Pestpandemien des Mittelalters noch mit den Cholera-Ausbrüchen im 19. und der Grippe-Katastrophe zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Erde „gewehrt“. Da wurden – wie heute auch – schlicht vernünftige Hygiene- und Ernährungsregeln missachtet, oder die Menschen kannten diese Zusammenhänge noch nicht.
Seuchen gab es immer und wird es immer geben, solange Leben existiert. Viren und Bakterien haben Artgrenzen übersprungen und werden das weiter. Wer da von „Gegenwehr des Planeten“spricht, bewegt sich auf dem gleichen Niveau wie jene religiösen Fanatiker, die Corona als „Strafe Gottes“interpretieren.
Asketische Prediger
Für Adepten solcher Lehren kann die Konsequenz nur darin bestehen, dass die Menschen – um wahlweise der Strafe Gottes, der Strafe des Planeten oder der Strafe des Spaghetti-Monsters zu entgehen – nie wieder so leben dürfen, wie sie es vor der Seuche taten. So etwas gefällt besonders missionarischen Asketen, und Predigten dieser Art kennt man schon aus den verheerenden Pestepochen der Frühen Neuzeit.
400 Jahre später haben sie es von den Kanzeln der Kirchen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschafft. ARD-Chefredakteur Rainald Becker formulierte das in seinem Tagesthemen-Kommentar vom 6. Mai so: „All diesen Spinnern und Corona-Kritikern sei gesagt, es wird keine Normalität mehr geben wie vorher!“.
Große Krisen sind also immer auch große Stunden für politische Sudel-Köche. Niemand kann verhindern, dass sie auf mehr oder weniger offensichtliche Art versuchen, toxisches politisches Gebräu aller Art dem Publikum aufzuschwatzen. Da lohnt immer die nüchterne Frage: Wer kocht da eigentlich mit welchen Zutaten nach wessen Rezept?
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