„In jeder Krise steckt eine Chance“
Was CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz der Bundesregierung rät
Die Pandemie hat die Wirtschaft in eine Rezession gestürzt. Von Kaufanreizen, Konjunkturprogrammen oder gar Steuererhöhungen hält CDU-Wirtschaftsexperte Merz jedoch wenig.
Herr Merz, laut Schätzung der Experten werden dem Staat in diesem Jahr knapp 100 Milliarden Steuereinnahmen fehlen. Wie lassen sich solche gewaltigen Lücken schließen? Merz: Langfristig wird das nur mit einer Stabilisierung der Wirtschaft gehen, mit Umsatz und Ertrag. Wir müssen alles dafür tun, dass die Unternehmen wieder funktions- und wettbewerbsfähig werden. Kaufanreize und Konjunkturprogramme zum jetzigen Zeitpunkt bergen die große Gefahr, dass sie verpuffen.
Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal um 2,2 Prozent geschrumpft. Wie kann die Wirtschaft wieder angekurbelt werden?
Merz: Natürlich wird jetzt Wirtschaftspolitik auch aus Nachfragelementen bestehen müssen. Aber wir haben nicht in erster Linie ein Nachfrageproblem. Wir haben es mit
Merz: Wir sollten nach der akuten Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen. Das gilt für Subventionen ebenso wie für soziale Transferleistungen. Nach der Krise werden wir sehen, wie sich die Spielräume für unsere Volkswirtschaft und unsere Sozialsysteme verengt haben. Das gibt uns aber auch die Möglichkeit, uns auf das Wichtige und das Wesentliche zu konzentrieren. In jeder Krise steckt so auch eine Chance.
Die SPD fordert Steuererhöhungen, um die notwendigen Corona-Hilfen zu finanzieren. Wäre das ein sinnvoller Schritt aus der Krise?
Merz: Wer in dieser Situation Steuererhöhungen fordert, schlägt einen weiteren Sargnagel in die Zukunftsfähigkeit der deutschen Unternehmen.
Sie wollen CDU-Bundesvorsitzender werden. Wie geht es – mitten in der Corona-Krise – im Rennen um den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur weiter?
Merz: Wir sind jetzt – um in diesem Bild zu bleiben – in der Safety-Car-Phase, die sicher bis in den Herbst andauern wird. Die Entscheidung wird auf dem regulären Bundesparteitag in Stuttgart im Dezember fallen. Davor wird es noch einmal eine Präsentation der Kandidaten geben. Jetzt in der Corona-Krise ist das aber noch kein Thema. Und der Kanzlerkandidat von CDU und CSU wird durch eine gemeinsame Entscheidung der beiden Parteiführungen nach dem Parteitag bestimmt.
Sie sehen in einer möglichen Kanzlerkandidatur von CSUChef Markus Söder ein Risiko. Warum?
Merz: Weil die CSU damit immer einen Teil ihrer bayerischen Eigenständigkeit aufgibt. Das war bei Franz-Josef Strauß so und auch bei Edmund Stoiber. Deshalb verstehe ich die Entscheidung von Markus Söder, dass er es ausschließt, der Kanzlerkandidat der Union zu sein.
Es gibt Spekulationen über eine weitere Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sollte sie noch einmal antreten? Merz: Mein Eindruck ist, dass die Entscheidung gefallen ist. Wir sollten sie auch respektieren.
Beratungen über Lohnfortzahlung für Eltern:
Eltern kleiner Kinder müssen in der Corona-Krise noch auf eine Entscheidung zur Lohnfortzahlung warten – Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) will sich aber für eine Anschlussregelung einsetzen. Bisher gilt der Anspruch für Eltern, die wegen geschlossener Kitas und Schulen ihre Kinder betreuen müssen und nicht arbeiten können, nur für sechs Wochen pro Elternteil. Am Montag wird über eine Verlängerung im Kanzleramt beraten.
Quarantäne-Regeln im Reiseverkehr vor Aufhebung:
Die Bundesländer wollen in den nächsten Tagen ihre allgemeinen Quarantäne-Regeln für Einreisende aus den Nachbarstaaten aufheben. Das Bundesinnenministerium arbeite derzeit an einer neuen Musterverordnung für die Länder, hieß es am Freitag. Derzeit gilt in vielen Bundesländern, dass jeder, der aus einem europäischen Nachbarland nach Deutschland einreist, für 14 Tage in Quarantäne gehen muss. Am Dienstag hatte Niedersachsens Oberverwaltungsgericht die Quarantäne-Pflicht gekippt und so die Diskussion angeheizt.
Streit um Herdenimmunität in Schweden:
Im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn ringt Schweden mit hohen Infektions- und Todesfallzahlen. Das Land hält dennoch weiter an seiner von vergleichsweise freizügigen Maßnahmen geprägten Corona-Strategie fest. Dagegen sträubt sich im Land eine Reihe von Wissenschaftlern, die nun Kritik an der Hoffnung auf Herdenimmunität übt, die sich in Stockholm breitgemacht hat. „Anstatt Menschen sterben zu lassen, sollten wir Menschen am Leben erhalten, bis wirksame Behandlungen und Impfstoffe eingesetzt werden können“, erklärten 22 Forscher, darunter Virologen, Infektionsärzte und Lungenmediziner in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Dagens Nyheter“.
Alarm nach Corona-Fall in Rohingya-Camp:
Die Vereinten Nationen sind alarmiert über das Auftauchen des Coronavirus in einem Rohingya-Flüchtlingslager in Bangladesch. Im Camp Kutapalong sei der erste Flüchtling positiv auf das Virus getestet worden, teilte ein Sprecher des Hilfswerks UNHCR am Freitag mit. Kutapalong gilt als größtes Flüchtlingslager der Welt, 2019 lebten dort rund 630 000 Kinder, Frauen und Männer.