Caterer stürzt von 3000 auf 60 Essen
Schul- und Kita-Schließungen treffen Mensabetreiber hart – Zahlreiche Verträge gekündigt
Die Schulen laufen wieder an, aber sie lassen die Caterer nicht herein. Denen fehlen Einnahmen und Perspektiven. Von elf Schulen ziehen sie sich zurück.
OLDENBURG – Es war Freitag, der 13. März, als Werner Dormann für lange Zeit zum letzten Mal groß einkaufen fuhr: für Kartoffelpuffer mit Apfelmus, Bratfisch, Spanisches Omelette, Hackbraten, Gefüllte Paprika – Gerichte, die ab nächstem Montag auf dem Wochenplan der IGS Flötenteich standen, einem der größten Kunden.
Mehr als 3000 frische Essen ohne Zusätze und ohne Convenience macht die Zitronengras Kochhaus GmbH von Werner und Gudrun Dormann mit 46 Mitarbeitern in zwei EU-zertifizierten Großküchen im ehemaligen „Landhaus Kracke“und in Wardenburg jeden Tag für Krippen, Kitas, Horte und Schulen in Oldenburg und Umgebung – oder besser: Sie hat sie gemacht.
Denn seit dem 16. März ist auch für die Mensa-Betreiber nichts mehr, wie es war. Die Schulen und Kitas wurden geschlossen – und „Zitronengras“stürzte von 3000 Essen über Nacht auf 60 ab – für die wenigen Kinder in den Notbetreuungen der Schulen.
Totalflaute hat Folgen
Das kleine Unternehmen musste reagieren. 42 Mitarbeiter mussten in Kurzarbeit gehen, sieben der acht Lieferfahrzeuge wurden abgemeldet, die Großküche in Wardenburg wurde vorübergehend geschlossen, die Verträge mit all jenen Schulen, in denen Aufwand und Ertrag ohnehin schon in einem schlechten Verhältnis standen, gekündigt, die anderen behalten. Werner Dormann beschreibt die Lage so: „Das Wasser steht uns bis zum Hals, allerdings gleichzeitig auch nicht bis zur Unterlippe, weil wir immer zurückhaltend gewirtschaftet haben.
Alle Stühle hoch: In der Mensa der IGS Flötenteich sieht es so aus, wie an allen anderen Schulen der Stadt – hier wird es spätestens zum neuen Schuljahr aber – anders als in anderen Mensen – mit dem gewohnten Caterer weitergehen.
Wir müssen uns jetzt aber konsolidieren.“Zumal zahlreiche Kosten weiterliefen.
„Zitronengras“ist ein Beispiel für viele in Oldenburg. Wie eine Anfrage der CDU im Schulausschuss ergab, haben Caterer die Verträge mit sieben Schulen in der Stadt gekündigt, vier weitere Verträge enden ebenfalls im August, weil Caterer sie auslaufen lassen. Das entspricht 44 Prozent aller 25 Mensa-Verträge für allgemeinbildende Schulen.
Gekündigt wurde die Versorgung der Grundschulen Bloherfelde, Krusenbusch, Nadorst und Staakenweg (alle Schulküchen Bremen), Ofenerdiek (Zitronengras) und Ohmstede (Ev. Krankenhaus Service) sowie der Oberschule Ofenerdiek (Zitronengras).
Auslaufen lassen die Caterer die Verträge für die Oberschulen Eversten (Zitronengras) und Osternburg (Vita Catering) sowie die Gymnasien Eversten und Herbartgymnasium (beide Zitronengras).
Schulamtsleiter Matthias Welp sagte, die Gründe seien
„vielfältig und nicht immer direkt durch die aktuelle Ausnahmesituation bedingt“. So löse sich etwa „der Mensabetreiber Bremer Schulküchenverein in der bisherigen Form auf“. Für alle betroffenen Mensen werde „aktuell nach einer neuen Lösung gesucht“. Dabei solle – sofern möglich – auf Folgeorganisationen der jetzigen Betreiber zurückgegriffen werden (Beispiel Bremer Schulküchenverein). Welp: „Das Ziel ist eine möglichst große Kontinuität.“
Im Ungewissen gelassen
Angestrebt würden „aufgrund des kurzen Vorlaufs zunächst kurzfristige Direktverträge“. Auf Dauer würden die Leistungen ausgeschrieben und es finde „eine Auswahl gemeinsam mit der Schule statt“. Gespräche mit bisherigen Betreibern auch über finanzielle Fragen liefen, er hoffe „dass alle Mensabetreiber gut über die Krise kommen“, sagte Welp.
Was die Caterer in besonderer Weise trifft, ist die fehlende
Perspektive. Werner Dormann sagt: „Das Schlimmste ist die Ungewissheit. Früher gab es eine gute Verständigung mit der Stadt und den Schulen. Mit der Stadt ist das immer noch so, aber von den Schulen fühlen wir uns schon ganz schön allein gelassen. Sie sind wegen Corona sehr mit sich selbst beschäftigt. Treffen sind nicht möglich.“
Denn liefern können die Caterer zurzeit „nur mit Zustimmung der Schule – und das macht noch keine“, sagte Schulamtsleiter Matthias Welp. Dabei wären kleinere Schritte durchaus denkbar, sagen die Caterer, etwa „eine überlegte Öffnung des Schulkiosks, auch möglich mit einem Fahrzeug-Stand mit Imbiss-Paketen mitten auf dem Schulhof, das wäre organisierbar“, sagt Werner Dormann. Die Kompetenzen der Caterer in der Frage, was verantwortlich auf die Beine gestellt werden könne, seien gerade aber nicht gefragt. Und selbst für die Zeit des neuen Schuljahres gebe es keine konkrete Hoffnung:
„Wir können frühestens ab dem 2. September weitermachen. Dann sind wir sechs Monate ohne Einkommen. Und selbst dann weiß keiner, wie viele Kinder kommen, vielleicht ein Viertel?“
Neue Türen öffnen sich
Werner und Gudrun Dormann resignieren trotzdem in keiner Weise. Kooperationen mit Schulen wie der IGS Flötenteich werden sie behalten. Auch einige andere bleiben. Inzwischen ist die Zahl der Notbetreuungskinder in den Zitronengras-Verpflegungsstellen auf 200 gestiegen, auch wenn sie sich auf zahlreiche Stationen verteilen. Parallel wird das Erwachsenen-Catering für Unternehmen ausgebaut. Werner Dormann sagt: „Wir machen das aktuelle Geschäft zurzeit mit vier Mitarbeitern vom Wildenloh aus. Parallel sind wir sehr aktiv und sehen schon jetzt, dass sich neue Türen öffnen. Momentan versuchen wir, alle Arbeitsplätze zu retten.“