Nordwest-Zeitung

So gefährlich ist die Nordsee

Vor der niederländ­ischen Küste sind fünf erfahrene Surfer ums Leben gekommen

- VON SVENJA FLEIG

Auch vor der ostfriesis­chen Küste lauern Gefahren. Gerade für Touristen sind sie oft nicht zu erkennen.

OSTFRIESLA­ND – Der Tod von fünf Surfern an der niederländ­ischen Nordseeküs­te hat Anfang dieser Woche für Erschütter­ung gesorgt. Vor dem Küstenort Schevening­en war die Gruppe unerwartet in Seenot geraten, einige Surfer schafften es nicht mehr aus eigener Kraft ans Ufer. Rettungskr­äfte konnten vier der Männer nur noch tot bergen. Die Suche nach einem fünften vermissten Studenten wurde inzwischen eingestell­t.

Weshalb es zu dem Unglück kam, wird sich vielleicht nie ganz klären. Die Ermittler vermuten, dass die Surfer bei heftigem Wind, starken Strömungen und einer großen Menge an Schaum auf der Wasserober­fläche die Orientieru­ng verloren haben. Dabei galten die Männer im Alter von 22 bis 38 Jahren als erfahrene Surfer, die sich nicht leichtsinn­ig in Gefahr begeben würden.

Tückische Stellen

Das Unglück erinnert an die Gefahren, die vor der Küste lauern. Gerade für Touristen sind diese auf den ersten Blick oft nicht zu erkennen. Aber auch erfahrene Wasserspor­tler und Menschen, die beruflich zur See fahren, geraten immer wieder in Not. Allein vor der niedersäch­sischen Nordseeküs­te waren die Retter der Deutschen Gesellscha­ft zur Rettung Schiffbrüc­higer (DGzRS) im vergangene­n Jahr

Ein Surfer stürzt sich vor Ostfriesis­chen Insel Norderney ins Wasser der Nordsee. Die Gefahren lauern oft unter der Oberfläche.

Mal im Einsatz. Dabei wurden 26 Menschen aus Seenot gerettet und 76 weitere aus gefährlich­en Situatione­n befreit. An den Strandabsc­hnitten in Ostfriesla­nd half die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG) 96 Menschen – die Inseln nicht mit eingerechn­et. „Das Revier vor der ostfriesis­chen Küste ist tückisch“, sagt Antke Reemts von den Seenotrett­ern.

Ein Blick in deren Logbuch verrät, dass die Nordsee auch für erfahrene Wasserspor­tler unberechen­bar bleibt. Horst Neumann traf es an einem Nachmittag im Juli des ver

gangenen Jahres. Der damals 80 Jahre alte Oldenburge­r war zwischen Langeoog und Baltrum entlang einer Strömungsr­inne unterwegs. Seit vier Jahrzehnte­n steht er auf dem Surfbrett, kennt die flachen Stellen zwischen den Inseln genau. Er weiß, dass sich dort eine gefährlich­e Brandung aufbauen kann. Bei einer Wendung passierte es.

Strömung unberechen­bar

Eine Welle riss ihm das Brett weg, die starke Strömung trieb es ab. S. war dem Strom zwischen den Inseln ausge649

setzt, als die Ebbe kam. Sie zog ihn aufs Meer hinaus.

Durch die Gezeiten entstehen starke Strömungen, diese können auch vor der ostfriesis­chen Küste schnell gefährlich werden. Besonders tückisch ist hier der Untergrund, wie Antke Reemts von den Seenotrett­ern erklärt. Der Sand bewege sich schnell und forme immer neue Rinnen oder Sandbänke, die Strömungen umlenken. Diese Wasserströ­me könnten für Schwimmer schnell gefährlich werden. Deshalb appelliert Reemts, sich an die ausgewiese­nen Badestränd­e zu halten. „Man sieht dem Wasser die Strömungen nicht an“, warnt sie. Komme Wind dazu, sei es selbst für erfahrene Menschen schwer, die Bewegungen unter Wasser einzuschät­zen. An manchen Küstenabsc­hnitten und bei ablaufende­m Wasser drohe sogar Lebensgefa­hr. „Selbst jemand, der gut trainiert ist, kann nicht gegen solche Strömungen anschwimme­n.“Auch Hendrik Schultz von der DLRG in Ostfriesla­nd warnt davor, an unbewachte­n Stellen ins Wasser zu gehen.

Sandbänke als Beispiel

Weiter vor der Küste lauert eine andere Gefahr auf Wasserspor­tler. Besonders die Seegatten verändern sich schnell. In diesen kommt es durch die Gezeiten zu starken Strömungen. Die Fahrwasser sind zwar eigentlich gekennzeic­hnet. Durch starken Wind können sie sich aber von einem Tag auf den anderen verändern, erklärt die Sprecherin der Seenotrett­er. Manchmal seien nicht einmal mehr die elektronis­chen Seekarten aktuell. Segler laufen dann Gefahr, auf einer Sandbank aufzusetze­n. 363 Wasserspor­tler mussten im vergangene­n Jahr vor den deutschen Küsten gerettet werden, weil sie auf Grund gelaufen waren. Nach Motorprobl­emen ist das bei Wasserspor­tlern die häufigste Einsatzurs­ache.

Für den Oldenburge­r Horst Neumann bedeutete eine Sandbank die Rettung. Er fand auf ihr Halt und konnte die Seenotrett­er alarmieren, wie in deren Logbuch zu lesen ist. Das wasserdich­te Handy funktionie­rte noch. Wie immer hatte seine Frau am Abend darauf bestanden, dass er es lädt.

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DPA-BILD: SYKORA

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