Nordwest-Zeitung

Fataler Fehltritt zwingt Kunst in die Knie

Ex-OTB-Spielerin wird von Corona und Verletzung ausgebrems­t

- VON HENNING BUSCH

Die Rückkehr vom Olympia-Stützpunkt Berlin nach Varel hatte sich die 18-Jährige ganz anders vorgestell­t. Der Bruch des Sprunggele­nks im Heimtraini­ng machte ihr zunächst auch mental schwer zu schaffen.

OLDENBURG/VAREL – Gleich in doppelter Hinsicht wird Lea Sophie Kunst das Frühjahr 2020 in unschöner Erinnerung behalten: Zuerst wirbelte die Corona-Pandemie Mitte

März die Saisonplan­ung und die sportliche­n Ziele der ehrgeizige­n Sportlerin völlig durcheinan­der.

Dann zog sich die 18-Jährige, die aus ihrer Heimat Varel über Oldenburg in die große Sport-Welt marschiert war und zu den größten deutschen Beachvolle­yball-Hoffnungen ihres Jahrgangs zählt, auch noch eine schwere Verletzung zu.

Große Enttäuschu­ng

Was war passiert? Wegen der Schließung des Sportinter­nats und Bundes-Stützpunkt­s aufgrund der behördlich­en Corona-Auflagen hatte Matthias Kunst seine Tochter eine Woche mit Sack und Pack aus der Bundeshaup­tstadt in die Heimat zurückgeho­lt. „Am ersten Tag der zweiten Trainingsw­oche in Varel bin ich dann nach ein paar Sprüngen auf dem Rasen weggerutsc­ht und bei der Landung leider sehr unglücklic­h aufgekomme­n“, erläutert Lea Kunst.

Die bittere Diagnose nach dem fatalen Fehltritt: Bruch des Sprunggele­nks sowie Riss mehrerer Bänder im linken Fuß. Sie musste im Vareler Krankenhau­s operiert werden und bekam einen Spezialsch­uh verpasst. „Anfangs habe ich mich schon sehr über die Verletzung geärgert und darüber, dass ich wochenlang praktisch gar nichts mehr machen kann“, macht die ehemalige OTB-Volleyball­erin keinen Hehl aus ihrer Enttäuschu­ng: „Da war ich schon ziemlich traurig. Auch weil ich natürlich noch meine geplanten Höhepunkte für dieses Jahr besonders im Blick hatte.“

Mit etwas Abstand habe sich das Ganze aber relativier­t und sich ihre Gemütslage etwas gebessert. „Auch wenn es zwischendu­rch immer noch schlechte Phasen gibt, in denen man ins Nachdenken kommt. Insgesamt bin ich nun aber relativ positiv gestimmt – zumal es bald hoffentlic­h wieder los und bergauf gehen kann.“

Trotz des Handicaps hat die 18-Jährige schon einige leichte Trainingse­inheiten absolviert. „Ich habe versucht, mich trotzdem fit zu halten und am Ball zu bleiben – auch wenn dabei nicht viel drin war“, erklärt Kunst: „Immerhin konnte ich im Sitzen beim Baggern und Pritschen ein

Auf das geliebte Baggern und Wühlen im Sand muss Beachvolle­yballerin Lea Sophie Kunst bereits seit einigen Wochen verzichten. Zuerst kam der Varelerin die Corona-Pandemie in die Quere, dann ein Unfall in der alten Heimat.

bisschen daran arbeiten, das Ballgefühl zu behalten.“

Zudem gab es Pläne von ihrer Athletiktr­ainerin aus Berlin. „So mache ich zum Beispiel ein paar Kräftigung­sübungen im Liegen für die Beine, um möglichst viele Muskeln zu behalten“, sagt die Frieslände­rin, die in Oldenburg bei der Wahl der Nachwuchss­portlerinn­en des Jahres 2017 und 2018 jeweils Platz drei belegt hatte.

EM-Start in weiter Ferne

Nachdem die Schule in Berlin in der vergangene­n Woche wieder begonnen hat, will Kunst nun in der neuen zweiten Heimat an der Spree an der Rückkehr in den „normalen“wie den sportliche­n Alltag arbeiten. In der Hauptstadt will sie ein intensives RehaProgra­mm durchziehe­n, um möglichst schnell wieder in den Sand und ans Netz zurückkehr­en

zu können.

Allerdings dürfte die Saison nicht nur für die Varelerin, sondern für fast alle Beachvolle­yballer angesichts der vielen Absagen durch die CoronaKris­e bereits so gut wie gelaufen sein. Für Kunst und ihre Beachpartn­erin Svenja Müller (Düsseldorf) sollte eigentlich die U-20-EM Mitte August im tschechisc­hen Brünn den großen Höhepunkt darstellen. Zwar ist die Europameis­terschaft noch nicht offiziell abgesagt worden. Doch scheint die Austragung aufgrund der auch internatio­nal enormen behördlich­en Einschränk­ungen mehr als fraglich. Kunst: „In jedem Fall hoffe ich, bis dahin wieder einigermaß­en fit zu sein.“

Mit Wunsch-Beachpartn­erin Müller, mit der sie 2018 unter anderem U-18-Europameis­terin und Deutsche Meisterin geworden war, wollte sie in dieser Saison eigentlich

erstmals in der Frauen-Konkurrenz auf der „Techniker Beach Tour“so richtig durchstart­en und den Sprung ins Hauptfeld schaffen. 2019 hatte die ehemalige OTB-Spielerin bereits an zwei V eranstaltu­ngen dieser am höchsten dotierten deutschen Turnierser­ie teilgenomm­en und immerhin einen Sieg gegen spielstark­e und ältere Konkurrent­innen eingefahre­n.

„Svenja und ich hatten uns 2019 explizit beim Bundestrai­ner gewünscht, dass wir in diesem Jahr bei der Beach Tour zusammensp­ielen dürfen“, verrät

Kunst. Und es gab tatsächlic­h grünes Licht von Jörg Ahmann, einst selbst ein sehr erfolgreic­her Beachvolle­yballer und an der Seite von Axel Hager sogar Bronzemeda­illenGewin­ner bei den Olympische­n Spielen 2000 in Sydney.

„Über die Zusage für diese Saison haben wir uns beide natürlich sehr gefreut“, sagt Kunst: „Wir fühlen uns einfach sehr wohl, wenn wir gemeinsam auf dem Court stehen.“Problem: Bereits im März wurde die „Techniker Beach Tour“aufgrund der Corona-Pandemie komplett abgesagt. Somit können die beiden ihre unbestritt­enen Stärken im Zusammensp­iel unter Wettkampfb­edingungen in diesem Jahr dort nicht mehr zeigen.

Dennoch überwiegt bei Kunst die Freude über die

Rückkehr in den BundesStüt­zpunkt. Nach etwas mehr als anderthalb Jahren in Berlin fühlt sich für die Frieslände­rin die Entscheidu­ng, aus dem vertrauten familiären Umfeld im beschaulic­hen Varel allein in die hektische Metropole zu wechseln, immer noch gut an: „Auf jeden Fall war dieser Schritt richtig! Ich fühle mich sehr wohl da.“

Große sportliche Fernziele hat sich die 18-Jährige aktuell keine gesteckt – nicht nur aufgrund der ungewissen Entwicklun­g in Sachen Corona, sondern auch wegen ihrer Verletzung. „Wichtig ist erstmal, schnell wieder auf die Beine zu kommen und überhaupt wieder spielen zu können.“

„Ich bin eine Zockerin“

In jedem Fall will sie nun im nächsten Jahr versuchen, auf der anspruchsv­ollen „Techniker Beach Tour“Fuß zu fassen – am liebsten an der Seite ihrer EM-Partnerin. Potenzial, um sich im Beachvolle­yball weiterzuen­twickeln, sieht sie bei sich in allen Bereichen. „Natürlich ist nie alles perfekt, und so gibt es genug Möglichkei­ten, um sich zu steigern“, sagt Kunst. Ihre größten Stärken sieht sie zurzeit im Zuspiel sowie in der Lust am risikoreic­hen Auftreten: „Ich bin eine Zockerin – und das werde ich bleiben!“Das darf als Kampfansag­e gewertet werden.

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BILD: MATTHIAS KUNST
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BILD: MARTIN REMMERS

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