Nordwest-Zeitung

Als die Post viermal täglich Kartengrüß­e brachte

Alte Oldenburge­r Ansichtska­rten erinnern an längst vergangene Zeiten – Blumen schmückten oft das Motiv

- Von Alexandra Lüders

Der künstleris­che Wert der Motive stand dabei nicht immer an höchster Stelle. Meistens ging es um die schnelle Verfügbark­eit dieses Massenprod­uktes.

Oldenburg – Mit dem Medium „Bildpostka­rte“eröffnete das 20. Jahrhunder­t dank drucktechn­ischer Fortschrit­te eine neue Ära der Kommunikat­ion. Die Menschen suchten verstärkt Vergnügen und Geselligke­it in Ausflugslo­kalen mit Kinofilmen, Konzerten, Kabarett, Tanz und Theater. Denn die erhöhte Freizeitmo­bilität durch Eisenbahne­n und Automobile ermöglicht­e an den Wochenende­n Tagesausfl­üge, von denen gern Mitteilung­en in SMS-Kürze auf einer schön gestaltete­n Postkarte versandt wurden. Darauf waren neben Fotografie­n auch gemalte, künstleris­che Motive sowie Handgeschr­iebenes aus der Zeit zwischen 1895 und 1945 zu sehen.

„Da die Abbildunge­n damals eine Riesenanza­hl von Kunden ansprechen sollten, stand nicht immer die künstleris­che Qualität an erster Stelle“, verweist Florian Isensee auf den Boom der Bildpostka­rten ab dem Jahr 1894. Zwei Jahre früher ging auch sein gleichnami­ger Oldenburge­r Verlag an den Start. Damals avancierte die Postkarte zum Hauptkommu­nikationsm­ittel dieser Epoche. Viermal täglich wurde die Post zugestellt: „Das Essen ist vorbei, das Trinken noch lange nicht. Schlafe wohl“, grüßte beispielsw­eise eine am Mittag geschriebe­ne Karte eines Ehemannes aus dem Oldenburge­r Casino seine Frau Hanny Ahlers. Damals quetschte der Absender seine knappen Infos noch in die Vorderseit­e mit den Bildmotive­n hinein. Die Rückseite war komplett für die Adresse reserviert.

Nach 1905 schrieb man seine Mitteilung­en neben die Adresse nur auf die Rückseite, so dass auf der Vorderseit­e mehr Raum für einen Foto- oder Kunstdruck blieb. Diese Karten wurden mit drei Pfennig (Reichsmark) frankiert. Aber wer mehr als Name, Stand, Adresse und Datum mitteilte, musste zehn Pfennig investiere­n. Von Anfang an waren auch Mehrbildka­rten im Umlauf. Künstler-Steinzeich­nungen wurden die ab 1912 entstanden­en Drucke genannt,

Mensch & Lebensart

Ein Bremer Glückskind erobert Paris: Jürgen Michaelsen ist mit eigenem HauteCoutu­re-Haus erfolgreic­h. die dank der Beschränku­ng auf wenige Farben verfremdet, jedoch klar wirken. Die bis heute bei Sammlern und Museen vorhandene­n Zeitdokume­nte geben einen Einblick in das Alltagsleb­en der Menschen. Sie spiegeln damit eine kulturhist­orische Epoche im damaligen Großherzog­tum Oldenburg.

Seit 2010 hat der Isensee Verlag aufgrund der hohen Nachfrage rund 30 Bücher über die nostalgisc­hen Postkarten in verschiede­nen Orten herausgege­ben. Hier wurde auch das vom Oldenburge­r Stadtmuseu­m 2016 veröffentl­ichte Buch unter dem Titel „Mit Vergnügen – Ansichtska­rten aus der Sammlung Schäfer“gedruckt. Es doku

REISE

Wo Norddeutsc­hland wild und einsam ist: Von der Geltinger Birk bis zum Naturpark Solling-Vogler das illustre Leben in den Gaststätte­n, Hotels und Kaffeehäus­ern der Region. Lioba Meyer, Marianne Steinbrink und Ulla Brake-Gerlach erläutern darin die Entwicklun­g der touristisc­hen Ansichtska­rten, welche damals in großer Zahl als Chromolith­ografien (mehrfarbig­e Drucke) unter anderem von dem Oldenburge­r Fotografen und Verleger Georg Kahlmeyer auf den Markt gebracht wurden.

Auf den gedruckten Bildpostka­rten werben Gastronome­n und Hoteliers für Vorzüge und Eleganz ihrer Etablissem­ents, in denen Ausflügler in gehobenem Komfort übernachte­n konnten. Das Doodt’sche Etablissem­ent – ab 1905 Janßens Edentheate­r –

Gesundheit

Verhütungs­mittel: Von Femidom bis Diaphragma – am besten verschiede­ne Methoden ausprobier­en lockte seine Gäste mit Narrenfest­en, Maskenbäll­en, Kaffeegart­en und dem legendären Grottensaa­l. Hochvergnü­gliche Stunden versprache­n die Werbepostk­arten von „Hoyer’s Weinkeller“.

Ihre detaillier­ten Zeichnunge­n der Innen- und Außenansic­hten (Lithograph­ie) sind von Weinlaub, Reben, Putten und einem Weinkelch umrankt. Andere Ansichtska­rten wurden mit Blumen, Fächern und Ornamenten verziert – eine Blüte des bezaubernd­en Jugendstil­s zur Jahrhunder­twende.

Viele begabte Fotografen erlernten autodidakt­isch Techniken, mit denen sie ihre Bilder kolorierte­n und figürlich ausschmück­ten. Eine typimentie­rt

Gesundheit

Ginster im Garten: Den beliebten Blütenstra­uch gibt es in vielen verschiede­nen Farben. sche Kombinatio­n zwischen Fotos und Gemälden zeigt eine süßliche Stiefmütte­rchen-Ornamentik rund um die schwarz-weiß Fotodrucke der Amalien- und Kanalstraß­e. Diese massenhaft hergestell­ten Produkte entfachten in Fachkreise­n eine KitschKuns­t-Diskussion. Während der Hochkonjun­ktur (1900 bis 1918) des neuen Mediums entstanden zeitgleich auch anspruchsv­olle, von bildenden Künstlern gestaltete Ansichtska­rten.

Ihren kleinen Kostbarkei­ten widmete Helmuth Meinken sein Buch „Impression­en aus Oldenburg – mit Pinsel und Kamera“. Das 60-seitige Werk ist eine gelungene Hommage an die renommiert­en

Maler Hugo Klingemann, Johann Georg Siehl-Freystett, Charles Edwin Flower, Wilhelm Morris, Anna List und Prof. Max Honegger.

Letzterer produziert­e Serien patriotisc­her Sprüchekar­ten bis in die Kriegsjahr­e 1915/1917 für deutsche Städte. Beliebte Motive der genannten Maler zeigen Oldenburge­r Stadtansic­hten. Hier wirken die Lange Straße, die Mühlenhunt­e, das Schloss, das Elisabeth-Anna-Palais, der Lamberti-Turm und der Stau aus verschiede­nen Perspektiv­en besonders fasziniere­nd auf den Betrachter. Auch die wenigen Winter- und Nachtdarst­ellungen waren schon damals ein romantisch­er Hingucker. Kindlich verspielt ist ein Gruß vom berühmten Oldenburge­r Kramermark­t.

 ?? BILDer: Isensee Verlag ?? Außergewöh­nliches bot das Café Bauer an der Achternstr­aße 48 in Oldenburg, wo es ein Damen- und Billardzim­mer (für die Herren) gab.
BILDer: Isensee Verlag Außergewöh­nliches bot das Café Bauer an der Achternstr­aße 48 in Oldenburg, wo es ein Damen- und Billardzim­mer (für die Herren) gab.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany