Welche Kinder haben ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei SARS-CoV-2-Infektionen?
Mit der schrittweisen Lockerung der Beschränkungen sozialer Kontakte und der Wiedereröffnung von Kitas und Schulen im Rahmen der Corona-Pandemie stellt sich die Frage, ob alle Kinder und Jugendlichen gleichermaßen wieder Schule beziehungsweise Kita besuchen dürfen oder müssen, sobald diese geöffnet werden, oder ob es Ausnahmeregelungen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen und Risiken geben muss. Viele Eltern chronisch kranker Kinder wenden sich ratsuchend an ihre Kinder- und Jugendärzte. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte haben eine Stellungnahme verfasst (04.05.20, https://
Prof. Dr. Christoph Korenke Klinikdirektor am Elisabeth-Kinderkrankenhaus Oldenburg und Ärztlicher Direktor des Klinikums Oldenburg
www.dgkj.de/), in der sich auch Links zu Stellungnahmen einzelner pädiatrischer Fachgesellschaften finden.
Sicher scheint, dass infizierte Kinder häufiger asymptomatisch bleiben, also seltener und weniger schwer an COVID-19 als Erwachsene erkranken. Nicht gesichert ist, ob Kinder mit bestimmten Grunderkrankungen oder medikamentösen Therapien ein höheres Risiko für eine SARSCoV2-Infektion oder einen schweren Verlauf der COVIDhaben als andere. Grundsätzlich ist davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen, die gut kompensiert oder aber gut behandelt und daher in ihrer Lebensqualität wenig oder unbeeinträchtigt sind, auch kein höheres Risiko für eine schwerere COVID-19-Erkrankung zu fürchten haben, als dem allgemeinen Lebensrisiko entsprechend. Dazu zählen z.B. Kinder mit Diabetes mellitus Typ 1, Asthma, neurologischen oder endokrinologischen Erkrankungen und auch Kinder mit angeborenen Herzfehlern oder Herz- Kreislauferkrankungen, die weder Lunge, Herz-Kreislaufsystem, Nierenfunktion noch das Immunsystem in relevantem Ausmaß beeinträchtigen. Von einer potentiellen Gefährdung bei einer Infektion ist auszugehen, wenn Erkrankungen vorliegen, die Lungenfunktion, kardiovaskuläres System, Nierenfunktion oder Immunabwehr (angeboren oder als Folge medikamentöser Therapie) in relevantem Maße beeinträchtigen.
Die Frage einer Beeinträchtigung „in relevantem Maße“muss im Einzelfall kritisch mit dem behandelnden Kinderund Jugendarzt geprüft werden. Eine generelle Freistellung aufgrund bestimmter Diagnosen wird dem einzelnen Kind nicht gerecht. Zu bedenken ist, dass Kinder und Jugendliche, unter anderem abhängig von ihrem Alter und ihrer Reife, in unterschiedli19-Erkrankung chem Umfang Maßnahmen zu ihrem Schutz (Abstand halten, Schutzmaske adäquat tragen) verstehen und umsetzen können. Nicht zuletzt muss mit großem Verantwortungsbewusstsein berücksichtigt werden, dass getroffene Entscheidungen und Maßnahmen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur für wenige Wochen gelten, sondern viele Monate bis weit ins Jahr 2021 hinein notwendig werden. Insofern muss die Frage ganz besonders gestellt und kritisch geprüft werden, ob die ausgesprochenen Empfehlungen den Kindern und Jugendlichen auf mittlere und lange Sicht durch eine möglicherweise allzu großzügig ausgelegte Schutzabsicht nicht mehr schaden als nützen.