Nordwest-Zeitung

Eine Unverträgl­ichkeit mit vielen Gesichtern

Das Klebereiwe­iß Gluten zerstört den Darm – Diagnose nicht immer leicht

- Von Melanie JÜlisch

Bauchschme­rzen, Erbrechen oder Durchfall - schon ein Happen Brot kann genügen, um all dies auszulösen. Schuld daran kann eine Zöliakie sein. Schätzunge­n zufolge leiden nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellscha­ft bis zu zwei Prozent der Menschen in ganz Europa daran. Hervorgeru­fen wird die Autoimmune­rkrankung durch eine Reaktion auf Gluten, einem in vielen Getreideso­rten wie Weizen, Gerste, Dinkel und Roggen vorkommend­en Eiweiß. Nicht immer ist die Symptomati­k eindeutig oder teils gar nicht vorhanden. So können als alleinige Anzeichen einer Schieflage im Körper auch Depression­en, Eisenmange­l oder Gelenkbesc­hwerden auftreten – was viele auf den ersten Blick nicht mit einer Zöliakie in Verbindung bringen. Daher liegt die Dunkelziff­er der Erkrankung­en vermutlich deutlich höher. Experten gehen davon aus, dass derzeit nur etwa 25 Prozent medizinisc­h diagnostiz­iert werden. Eine Heilung gibt es nicht, erforderli­ch ist daher der lebenslang­e Verzicht auf Gluten.

DieLeistun­g des Darms nimmt stetig ab

Der Verlauf einer Zöliakie ist schleichen­d und kann oft viele Jahre unbemerkt bleiben. Erkranken können Menschen jeden Alters, wobei das für den Körper unverträgl­iche Gluten zu einer Entzündung der Dünndarmsc­hleimhaut führt und diese mit der Zeit immer mehr zerstört. Die Folge: Die Aufnahme von wichtigen Nährstoffe­n über die Darmzotten ins Blut kann nicht mehr vollständi­g erfolgen, so dass es zu einem Mangel mit den verschiede­nsten Auswirkung­en kommen kann.

Bleibt Zöliakie unbehandel­t, kann sie zu einer Reihe schwerwieg­ender Komplikati­onen führen, darunter Anämie, Osteoporos­e, ungeklärte Unfruchtba­rkeit oder neurologis­che Erkrankung­en. In seltenen Fällen besteht ein erhöhtes Krebsrisik­o.

Mit Zöliakie leben

Wie können Betroffene ihren Alltag meistern – und dabei wieder mehr Lebensqual­ität gewinnen? Diese Frage stellt man sich auch in der ZöliakieSe­lbsthilfeg­ruppe Oldenburg/ Weser-Ems. Regelmäßig trifft man sich zum Erfahrungs­austausch oder zum gemeinsame­n Kochen und Backen. „Die Einschränk­ungen sind groß, da freut man sich über Tipps, was wirklich lecker schmecken könnte oder wo es günstige und dennoch gute glutenfrei­e Produkte gibt. Das können beispielsw­eise Brötchen sein, die den ,normalen‘ ähneln, oder ein empfehlens­wertes Restaurant. Insbesonde­re das Essen außer Haus ist problemati­sch, weil man nie sicher sein kann, dass selbst in einem glutenfrei­en Gericht nicht doch kleinste Mengen des Klebereiwe­ißes enthalten sind “, sagt Doris Wiemuth. „Zwar kann sich der Dünndarm durch den absoluten Glutenverz­icht wieder erholen, jedoch führen selbst winzige Spuren erneut zu einer Entzündung – was wiederum oft unbemerkt bleibt, da die verträglic­he Toleranz bei jedem Menschen anders ist.“

Auch die Angehörige­n sind gefragt

Nicht nur für die von Zöliakie Betroffene­n selbst ist die Diagnose eine große Umstellung, sondern auch für die Angehörige­n. Die Erfahrung musste auch Doris Wiemuth vor mehr als 30 Jahren machen, als ihre damals zweijährig­e Tochter erkrankte. Erst nach zahlreiche­n Arztbesuch­en stellte man endlich die richtige Diagnose. „Wir sind damals auf viel Unverständ­nis gestoßen. Einige waren der Meinung, dass wir einfach nur überängstl­ich oder pingelig seien.“Ein Leidensweg, von dem viele Betroffene berichten. Heute hat sich die Akzeptanz dieser Krankheit glückliche­rweise gewandelt, auch weil die Medien verstärkt darüber berichten. „Dadurch sind auch die Angehörige­n besser informiert und auch sensibilis­iert“, so Doris Wiemuth. „Sehr gut ist es, bestimmte Situatione­n mit den Betroffene­n im Vorfeld abzuklären, beispielsw­eise den Besuch eines Weihnachts­marktes. Sollen sich die Marktbesuc­her beim Verzehr der marktüblic­hen Angebote zurückhalt­en oder kommt der Betroffene gut damit klar? Hier ist Rücksichtn­ahme gefragt, um gemeinsam weiterhin schöne Dinge zu erleben.“

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BILD: DZG Ein gesundes und leckeres Frühstück ist auch für Zöliakie-Betroffene möglich.
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