Keine Entwarnung beim Bienensterben
62 Prozent in Niedersachsen und Bremen auf der Roten Liste gefährdeter Arten
Am 20. Mai ist Weltbienentag. Auch wenn eine Sensibilisierung in der Gesellschaft zu spüren ist, hat sich die Situation keinesfalls entspannt.
OLDENBURG – Eigentlich wollte die Bezirksgruppe Oldenburg Land des Naturschutzbundes (Nabu) zum Weltbienentag mit einem Imker eine Führung durch den MarschwegGarten anbieten, aufgrund des Corona-Virus mussten die Naturschützer jedoch viele Aktivitäten abblasen. Immerhin: So langsam laufen einige Aktionen wieder an. Am vergangenen Donnerstag waren sie erstmals wieder mit einem Info-Stand auf dem Markt in Harpstedt vertreten.
Wann es aber im Marschweg-Garten weitergehen kann, ist unklar. „Wenn es erlaubt ist, steigen wir ab dem 29. Mai wieder mit dem Insektensommer ein“, sagt Sandra Bischoff vom Nabu. Für den Weltbienentag ist das allerdings zu spät. Er wird seit 2018 am 20. Mai gefeiert und geht zurück auf Anton Janša, der als Pionier der modernen Imkerei gilt und am 20. Mai 1734 geboren wurde.
Doch gibt es Grund zu feiern oder muss man sich um den Fortbestand der Bienen hier weiterhin sorgen? „Es hat sich was im Bewusstsein geändert. Vor fünf Jahren hätten viele gesagt, wir haben wichtigere Probleme als das Bienensterben“, sagt Sandra Bischoff und weist auf den positiven Effekt vieler Aktionen, wie etwa das Ð-Insektenjahr hin.
Zahlen sind rückläufig
Für eine Entwarnung ist es jedoch deutlich zu früh. „Die Zahlen sind immer noch rückläufig“, weiß die 52-Jährige. 62 Prozent der Bienenarten in
Niedersachsen und Bremen stehen aktuell auf der roten Liste, sie sind also akut gefährdet. Den Rückgang merkt die Oldenburgerin auch in ihrer Arbeit. Seit zehn Jahren erfasst Sandra Bischoff den Bienenbestand im Park der Gärten in Bad Zwischenahn. „Einzelne Arten habe ich auch über einen längeren Zeitraum nicht mehr wiedergefunden, es gibt da keinen Gegentrend.“
Ein vermeintlicher Gegentrend konnte im Zuge der Änderungen des Alltags durch den Coronavirus beobachtet werden: Mehr Delfine zeigten sich im Bosporus, Ziegen wanderten durch eine walisische Ortschaft – wie steht es da mit den Bienen und anderen Insekten? „Das kann man ganz
schwer erfassen bei Insekten, da sind es stets Momentaufnahmen, die auch wetterabhängig sind“, sagt Bischoff, die seit rund acht Jahren im Nabu aktiv ist.
Feststellen konnte sie jedoch, dass sich die Wahrnehmung der Menschen verändert habe, da sie mehr Zeit in der Natur und im eigenen Garten verbringen würden. „Es kommen Anrufe: Ich hab’ da was im Nistkasten, was ist das?“, beschreibt Bischoff und verweist auf die Rubriken „Insekt des Monats“und „Insekt der Woche“, die der Nabu in Kooperation mit der Ð, dem Park der Gärten und dem Landesmuseum Natur und Mensch betreibt und die online abrufbar sind.
90 Prozent unbrauchbar
Nicht immer ist der gute Wille jedoch zielführend. Denn die über 560 Bienenarten in Deutschland haben bisweilen gänzlich unterschiedliche Ansprüche an Blüten und Böden. Deutliche Kritik übt Bischoff etwa an Nisthilfen für Bienen: „Da sind 90 Prozent nicht zu gebrauchen. Vor allem von Tannenzapfen und Stroh ist abzuraten. Zudem bauen zwei Drittel aller Bienenarten ihre Nester am Boden.“In diesem Punkt sieht sie Nachholbedarf. Die Stadt Oldenburg ist hier bereits aktiv und hat eine entsprechende Broschüre online zur Verfügung gestellt. Blühstreifen sind nur ein Eckpfeiler zur Rettung
Weiß alles über Bienen: Sandra Bischoff vom Naturschutzbund Oldenburger Land. BILD: NABU/WOLFGANG MERTINS von Bienen. „Das Blühangebot, was man macht, bringt nur Nahrung, aber keine Wohnung“, so Bischoff.
Früher habe es vor allem durch sandige Feldwege Nistmöglichkeiten gegeben, heutzutage könne man auch im Privaten etwas tun. Die Minimalgröße für ein langfristiges Gelingen liege jedoch bei einem Quadratmeter mit einem halben Meter Tiefe, denn Bienen buddeln ihre Nester bis zu 60 Zentimeter in den Boden. Sand sei zwar der ideale Grund, da so Wasser gut ablaufen könne, doch auch anderer Boden mache das Ansiedeln von Bienen möglich – solange dort nichts wächst. Angst vor Stichen ist im Übrigen unbegründet. „Die Wildbienen haben kein Volk, das sie verteidigen möchten, und sind viel friedfertiger als Honigbienen. Außerdem ist bei vielen Arten der Stachel viel zu kurz, um durch die Haut zu stechen“, beruhigt Bischoff. Lediglich wenn man Barfuß auf der Wiese unterwegs ist, kann ein Blick auf den Boden nicht schaden.
→@ Das NWZ-Insektenjahr und die Insekten der Woche: www.nwzonline.de/insektenjahr
→@ Die Broschüre der Stadt: bit.ly/ nisthilfe-ol