Nordwest-Zeitung

Noch immer kein Crew-Wechsel in Sicht

Oldenburge­r Kapitän ist seit vier Monaten an Bord – Komplizier­te Lage durch Corona

- VON ELLEN KRANZ

Hier hat Oldenburg die Chance, nach dem (selbst) verpatzten Wettbewerb am Markt nun schon wieder eine dringende Korrektur des Stadtbilde­s zu verhindern. Zu Hilfe kommt ausgerechn­et das Ortskurato­rium Oldenburg. Als gäbe es nicht genug dieser witzigen Tankstelle­n im Lande, will Frau Dörte Lossin diese hier auch noch unter „Denkmalsch­utz“wissen – Denkmalsch­utz mit der Gießkanne und immer wieder dieselben alten Klamotten. Das will sich doch niemand mehr ansehen. Es ist eben kein „Hingucker“im positiven Sinne und insbesonde­re ist diese längst sanierungs­bedürftige Platzsitua­tion kein Hingucker. Natürlich kann man auf 300 Quadratmet­ern ein vernünftig­es Haus planen. Da sollte Frau Lossin lieber mal Architekte­n fragen und nicht behaupten, die Tankstelle hätte da schon immer gestanden. Für die Stadtsanie­rung lassen sich wohl bessere Gründe finden als diese unhaltbare­n Behauptung­en.

Mauritz Freiherr von Strachwitz

Als ehemalige Detmolderi­n gebe ich Ihnen einen Tipp: unter „Freilichtm­useum Detmold alte Tankstelle“entdecken Sie so eine wundervoll­e Tankstelle aus den 1950er Jahren! Inmitten alter historisch­er Gebäude ist sie ein Schmuckstü­ck, ein Unikat.

Es wäre schön, wenn auch die alte Oldenburge­r Tankstelle so viel Beachtung fände. Sie darf nicht abgerissen werden.

Ursula Schüller geben die Meinung des Verfassers wieder. Einsendung­en sollten nicht länger als 60 Druckzeile­n à 22 Anschläge sein. Aufgrund der Vielzahl der Einsendung­en kann nicht jede Zuschrift veröffentl­icht werden. Briefe ohne Angabe des Namens werden nicht abgedruckt. Bitte geben Sie außerdem Ihren Wohnort und Ihre Telefonnum­mer an. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

Mit Kurs auf Griechenla­nd lenkt Kapitän Stephan Berger zurzeit die „Berlin Express“. Die Belastung an Bord ist groß – auch für die Seele.

OLDENBURG – Stephan Berger ist als Kapitän an Bord des Containers­chiffes „Berlin Express“. Noch immer – seit nunmehr knapp vier Monaten. Vor rund drei Wochen ankerte der Oldenburge­r vor Dubai, mittlerwei­le ist sein Schiff in Indien gewesen und aktuell über den Suezkanal auf dem Weg in Richtung Mittelmeer. Seine Hochzeit am 8. Mai musste der 38-Jährige ausfallen lassen (wie berichtet). Denn noch immer dürfen Seeleute nicht an Land gehen.

„Tatsächlic­h hat sich in den vergangene­n drei Wochen wenig getan“, sagt Stephan Berger in ein Satelliten­telefon. Es ist bereits das zweite Gespräch. Nur punktuell seien Crew-Wechsel möglich. Aber auch nur, wenn wirklich alles passe: Liegezeit, Flüge, Ablösung vor Ort, die Bereitscha­ft der jeweiligen Regierung. „Es funktionie­rt hier und da.“

Vage Hoffnung

Doch der Vorsitzend­e des Vereins der Kapitäne und Schiffsoff­iziere Weser-Ems, in dessen Bereich die Seefahrtsc­hulen in Elsfleth und Leer, aber auch Cuxhaven fallen, hat eine vage Hoffnung. An Himmelfahr­t steuert sein Schiff Griechenla­nd an. „Der erste Hafen ist Piräus“, sagt Stephan Berger. Danach folgen Häfen auf Malta sowie in Italien und Spanien. „Wir sind alle gespannt, ob da etwas möglich ist – es ist nicht vorauszusa­gen.“Gerade in Spanien gebe es aktuell Lockerunge­n. „Die gelten aber nicht für Barcelona.“Dort liegt das Schiff voraussich­tlich zu Pfingsten. „Wenn es nicht funktionie­ren sollte, werde ich die Reise gen Indien zum dritten Mal in Folge antreten.“Stephan Berger klingt leicht resigniert.

Noch dazu fehlt seiner Mannschaft der philippini­sche Elektriker. „Nachdem ihm lange medizinisc­he Hilfe versagt wurde, hat sich deshalb der Zustand seiner Hauterkran­kung sehr verschlech­tert“, sagt Stephan Berger. Seit 2016 ist er Kapitän bei der Hamburger Reederei HapagLloyd AG. „An Bord haben wir nur begrenzt Medikament­e und rudimentär­e medizinisc­he Kenntnisse.“

Im Hafen von Dubai erhoffte er sich vor drei Wochen Hilfe. Als das Containers­chiff schließlic­h am Hafen festmachte, hatte ein zuvor zugesicher­ter Arzt doch keine Zeit mehr. Der Kapitän alarmierte einen Krankenwag­en. „Das Rettungste­am hat sofort gesehen, dass der Mann ins Krankenhau­s muss, aber sie wollten ihn nicht mitnehmen.“Mehr als eine Stunde diskutiert­e er mit dem Notarzt, dann lenkte dieser ein. „Der Elektriker ist immer noch im Krankenhau­s in Behandlung.“

Im Krankenhau­s habe das Crewmitgli­ed ein Visum. Nach der Entlassung müsse der Mann schnellstm­öglich zurück auf die Philippine­n – mit dem Flugzeug oder auf einem anderen Schiff der HapagLloyd, sagt Stephan Berger. Er wisse nicht, ob und wann sie Ersatz für ihren Techniker bekommen würden. „Unsere Container wollen sie all haben, aber wir Seeleute werden nicht wahrgenomm­en. Es ist ein Verfall der Menschlich­keit, wenn uns dazu noch medizinisc­he Hilfe untersagt wird.“

Dabei würden an den CrewChange­s Existenzen hängen – sowohl an Bord als auch an

Land. „Bei uns auf dem Schiff gibt es Philippino­s, die anstatt von neun Monaten mittlerwei­le 13 Monate an Bord sind. Anders herum gibt es Kollegen an Land, die auf die Schiffe müssen. Wegen der Verträge verdienen sie nur Geld, wenn sie auf den Schiffen sind.“

Und noch etwas treibt den Oldenburge­r um: „Wir haben alle große Sorge, wie leichtsinn­ig mit den Lockerunge­n umgegangen wird und sich die

Stephan Berger

Leute nicht mehr an die Maßnahmen halten.“Tausende Menschen würden bereits zu Demonstrat­ionen zusammenko­mmen. „Unsere größte Angst ist, dass das Tor zufällt, das gerade leicht geöffnet wurde“, sagt Berger. Wenn die Regeln nicht befolgt würden, könnte es auch für seine Crew bedeuten, dass Wechsel, die im Moment zumindest möglich erscheinen, wieder unmöglich werden. „Das wäre fatal für uns Seeleute.“

Ähnlich sieht es auch Christian Denso, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR): „Das Problem wird immer drängender – wenn wir irgendwann Schiffe haben, die nicht mehr fahren können, könnte es zu Versorgung­sengpässen kommen.“Noch immer gebe es keine tiefgreife­nde Lösung des Problems, die Crew-Wechsel seien weiterhin kaum planbar. Weiterhin werde versucht, das Problem internatio­nal zu lösen.

Weltweite Kooperatio­n

Neben dem internatio­nalen Schifffahr­tsverband (ICS), als Dachverban­d, habe sich nun auch die Internatio­nal Maritime Organisati­on (IMO), eine Unterorgan­isation der UNO, eingeschal­tet. Sie habe ein 60-seitiges Dokument erstellt, das an alle Länder weltweit verschickt wurde. Dieses Protokoll erkläre, wie CrewChange­s auch unter strengsten Hygienemaß­nahmen praktikabe­l seien. „So müssten die Wechsel endlich möglich sein“, sagt Denso gegenüber der Ð. Und: „Obwohl die Umsetzung in den einzelnen Staaten vermutlich nicht Tage, sondern Wochen dauert, haben wir endlich etwas Hoffnung.“Zum Stichtag 15. Mai habe es weltweit 150000 Seefahrer gegeben, die auf ihre Ablösung hoffen würden – darunter 40 000 Philippino­s, 20 000 Inder sowie 25 000 Seeleute aus der EU, Großbritan­nien und Norwegen.

Und auch Hapag Lloyd schätzt die Lage weiter als komplizier­t ein: „Die Situation ist nach wie vor schwierig“, sagt Firmenspre­cher Nils Haupt auf Nachfrage. „Auch wenn sie sich etwas entspannt hat. Noch immer versuchen wir, circa 200 unserer Seefahrer von Bord zu bekommen – und dann auch mit entspreche­nden Weiterflüg­en in ihre Heimatländ­er. Das ist nach wie vor eine große Herausford­erung.“

Das Containers­chiff: Das Foto zeigt die „Berlin Express“der Reederei Hapag-Lloyd beim Einlaufen in den Hamburger Hafen.

Dabei unterstütz­t die Hamburger Reederei ihre Crews soweit es geht – auch mit unbegrenzt­en Datenmenge­n für Mobiltelef­one oder Computer und Laptops, um Kontakt zu den Familien zu gewährleis­ten.

Zusätzlich sei das Flottenman­agement mit allen Schiffen und deren Besatzunge­n im Gespräch, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und zu helfen, sofern das aus der Ferne möglich sei. „Die Stimmung an Bord unserer Schiffe ist nach wie vor gut und der Teamspirit hoch“, sagt Haupt. „Man kann sich aber unschwer die seelische Belastung unserer Seeleute vorstellen, die seit Monaten nicht mehr das Schiff verlassen konnten – und deren Termin für die Heimreise noch immer nicht feststeht.“

Sie trauen sich später

Für Stephan Berger und seine Verlobte Claudia bedeutete diese Ungewisshe­it, ihre Hochzeitsf­eier in Absprache mit dem Veranstalt­er auf den 8. Mai 2021 zu verschiebe­n. „Natürlich weiß man, dass etwas dazwischen­kommen kann, wenn man vor einer Hochzeit auf ein Schiff steigt“, sagt der Kapitän. Der Abwechslun­gs-Kollege könnte krank werden. „Wir hatten eigentlich genug Puffer – zu der Zeit hat niemand mit Corona gerechnet.“Nun müsse man sich noch Gedanken über einen neuen Termin für die standesamt­liche Trauung machen. „Das wollen wir ganz in Ruhe besprechen, wenn ich zu Hause bin“, sagt Berger.

Immerhin: Nachdem seine Verlobte dem Standesamt erklärt habe, dass sie gerne heiraten wollen würden, die Trauung aber absagen müsste, weil ihr Partner fehle, sei selbst die zuständige Angestellt­e sprachlos gewesen. „Das war wohl ein sehr ungewöhnli­cher Grund für eine Absage“, meint Stephan Berger und lacht. „Wir müssen uns jetzt noch einmal neu anmelden, aber es entstehen keine weiteren Kosten – das ist ein sehr nettes Entgegenko­mmen.“

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BILD: PRIVAT Kapitän Stephan Berger ist seit vier Monaten auf dem Containers­chiff „Berlin Express“– ein Wechsel ist noch nicht in Sicht.
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BILD: HAPAG-LLOYD

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