Nordwest-Zeitung

Pistorius im Interview: Mehrheit hat Verständni­s für Einschränk­ungen

Grüne, FDP und AfD werfen dem Kabinett von Stephan Weil fehlende Informatio­n vor

- VON MICHAEL EVERS

Schon länger wettert die Opposition, dass die Landesregi­erung per Verordnung durch die Corona-Krise steuert. Jetzt wollen Grüne, FDP und AfD sich das nicht mehr gefallen lassen.

HANNOVER – Die Opposition im niedersäch­sischen Landtag will als erste in einem Bundesland die Landesregi­erung wegen mangelnder Parlaments­beteiligun­g in der Corona-Krise vor dem Staatsgeri­chtshof verklagen. Nach den Grünen und der FDP kündigte am Dienstag auch die AfD eine Klage und einen Eilantrag mit dem Ziel an, den Landtag als Kontrollin­stanz mehr einzubezie­hen und zu beteiligen.

Die Regierung erlasse seit Beginn der Corona-Krise im Wochentakt Verordnung­en, mit denen sie zum Teil massiv in Grundrecht­e der Bevölkerun­g eingreife. Darüber werde das Landesparl­ament in aller Regel bisher erst unmittelba­r vor Inkrafttre­ten oder im Nachhinein informiert, beklagten FDP und Grüne. Die Regierung erfülle damit in keiner Weise die Vorgaben der Landesverf­assung, den Landtag über alle grundlegen­den Vorhaben, „frühzeitig und vollständi­g zu unterricht­en“.

Infos übers Fernsehen

„Wir sind nicht gewillt, weitere Verordnung­en über Pressekonf­erenzen im Fernsehen zu betrachten“, sagte GrünenFrak­tionschefi­n Julia Willie Hamburg. Inzwischen sei in der Corona-Epidemie keine Gefahr mehr in Verzug, und es gebe die Zeit, das Parlament in die Erarbeitun­g der Erlasse und Lockerunge­n einzubinde­n.

„Wir können etwas beitragen, viele Augen sehen am Ende mehr.“Einige unstimmige Regelungen mussten in Niedersach­sen nachgebess­ert werden, andere wurden von Gerichten gekippt.

Verfassung­sverstoß?

FDP-Fraktionsc­hef Stefan Birkner sagte, Beratungen zur Corona-Thematik könnten zum generellen Frieden in der Gesellscha­ft und zum Zusammenha­lt beitragen. Die Kompetenze­n des Landtags würden beschnitte­n, wenn das Parlament für die weitere Dauer der Krise außen vor bleibe und die Regierung wie in der vergangene­n Landtagssi­tzung taub sei für den Ruf nach Einbindung. Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der AfDFraktio­n, Klaus Wichmann, sprach von einem gravierend­en Verstoß gegen die Verfassung. „Die Landesregi­erung versäumt es seit März, den

Landtag vorab über die konkreten Inhalte und die Beweggründ­e ihrer Corona-Verordnung­en zu informiere­n.“

Die Regierungs­fraktionen von SPD und CDU betonten, dass die Regierung in der Krise stets in vollem Umfang informiert habe. Die Opposition habe keinen konkreten Verstoß benannt oder ihre Klage mit einer fundierten inhaltlich­en Kritik an den Maßnahmen untermauer­t, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der SPD-Fraktion, Wiard Siebels.

Rechtlich wie inhaltlich laufe der Vorwurf der Opposition ins Leere, sagte CDU-Fraktionsc­hef Dirk Toepffer. „Grüne und FDP sollten sich allerdings der Gefahr bewusst sein, dass sie mit ihrer Klage möglicherw­eise ungewollt jene unterstütz­en, die aktuell die demokratis­che Legitimati­on der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie infrage stellen.“

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BILD: STEFAN IDEL Große mediale Aufmerksam­keit in der Eingangsha­lle des Landtags: Julia Willie Hamburg (Grüne) und Stefan Birkner (FDP) begründen vor Journalist­en ihre Klage wegen der Corona-Verordnung­en.

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